Neuartige peptidische Ligandenkonjugate zur Hemmung der pathologischen Aggregation von Amyloid-beta bei Morbus Alzheimer

Eine Störung in der Proteinfaltung kann zur Bildung von extrazellulären ungeordneten Aggregaten und amyloiden Fibrillen führen. Diese Aggregatbildungen und toxischen Ablagerungen sind symptomatisch für viele Proteinfehlfaltungskrankheiten, wie z.B. Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson oder Chorea Huntington. Bei der Alzheimerschen Krankheit führt eine Sekundärstrukturänderung der Aß-Monomere von einer alpha-helikalen in eine ß-faltblattreiche Struktur zur Bildung kleiner neurotoxischer Aggregate und folglich zur Entstehung von unlös-lichen Aß-Fibrillen. Bis heute spielen deshalb das Aß-Peptid und die Ver¬hinderung seiner unkontrollierten Aß-Aggregation zu kleinen Oligomeren und Fibrillen eine zentrale Rolle für die Entwicklung wirkungsvoller Therapeutika gegen die Alzheimerschen Krankheit. Im Rahmen dieser Arbeit wurden neue Liganden entwickelt, die mit dem Aß-Peptid interagieren und seine Aggregation beeinflussen konnten. Es wurden zwei unterschiedliche Ligandenarten (D3-Liganden und Aminopyrazolliganden) synthetisiert, um später eine syner-gistische Wirkung beider Liganden zusammen zu erzielen. Die beiden Ligandentypen wechselwirkten auf unterschiedliche Weisen mit Aß und konnten somit die Aggregation auf verschiedene Wege verändern: Die D3-Peptidliganden fungierten als spezifische Aß-Erkennungseinheiten, trimere Aminopyrazolliganden wiesen hingegen eine ß-faltblattbrechende Aktivität gegenüber fehlgefalteten Peptiden auf. Eine Besonderheit dieser Arbeit lag darin, nicht nur effektive neue Liganden herzustellen, sondern diese auch durch eine Thiolbindung auf ligandenfreie, biokompatible Goldnanopartikel zu immobilisieren und so funktionsfähige kleine Biokonjugate zu erhalten, die auf ihre inhibierende Wirkung gegenüber der pathologischen Aggregation des Aß-Peptids untersucht werden konnten. In Kooperation mit der Technischen Chemie wurden mittels Laserablation kleine, monodisperse Nanopartikel (d = 7 nm) in wässriger Lösung produziert, die mit verschiedenen Ligandenkonzentrationen und Ligandenmischungen funktionalisiert werden konnten. Bei monofunktionalen Konjugaten konnte durch eine Variation in der Ligandenkonzentration die Ligandendichte auf der Nanopartikeloberfläche gesteuert werden. Es konnten stabile Konjugate hergestellt werden, deren Goldoberfläche mit der maximalen Ligandenbelegung (418:1 Liganden-zu-Nanopartikel-Verhältnis, max. an die Oberfläche gebundene Liganden: 126 Trp-D3-Liganden, 161 Trim_5+-Liganden) gesättigt wurden und durch die mehrfach positive Einzelladung auch eine deutlich positive Gesamtladung aufwiesen. Alternativ dazu wurden sehr geringe Ligandenmengen (4 Liganden pro Nanopartikel) eingesetzt, so dass noch die negative Goldnanopartikeloberfläche die Gesamtladung des Konjugats dominierte und ein stabiles, anionisches Konjugat hergestellt werden konnte. Weiterhin konnten bifunktionale Konjugate durch eine Mischung der beiden Ligandentypen auf der Goldoberfläche erhalten werden. Die getesteten Mischungsverhältnisse der Liganden waren 1:1, 1:10 und 10:1. Zusätzlich zu den bifunktionalen Konjugaten, bei denen die beiden Ligandentypen nebeneinander auf dem Nanopartikel immobilisiert vorlagen, wurde eine neue Hybridverbindung aus beiden Ligandentypen (Liganden hintereinander geknüpft) synthetisiert und auf die Partikel gebracht. Die synthetisierten Liganden und ihre Goldnanopartikelkonjugate wurden auf ihre Wechselwirkung mit dem Aß-Peptid getestet. Es wurde der Einfluss der Substanzen unter anderem auf die Aß-Sekundärstruktur (CD, ThT), die Morphologie der Aß-Fibrillen (TEM, AFM) und auf die Größenverteilung von Aß-Aggregaten unter verschiedenen Inkubationsbedingungen mittels DGZ untersucht. Die Aggregate konnten bei der Kombination aus DGZ/ELISA nach ihrer Masse und Form aufgetrennt und quantifiziert werden. Es wurde die Aggregationshemmung der Substanzen gegenüber synthetischem Aß und in Zellkultur auch gegenüber in vivo exprimiertem Aß erforscht. Durch die hier angewandten unterschiedlichsten Methoden konnte die Wirkung der hergestellten Liganden, bzw. der Konjugate auf die verschiedenen Aß-Spezies und bei unterschiedlichen Inkubationsbedingungen untersucht werden: So wurden die Substanzen in einigen Experimenten (ThT, CD, DGZ/ELISA) vor der Inkubation zu monomerem Aß gegeben, so dass diese die Aß-Aggregation direkt zu Beginn der Fibrillogenese inhibieren bzw. beeinflussen konnten. In anderen Experimenten, z.B. in AFM-Untersuchungen war eine Vorinkubation des Aß-Peptids notwendig. Die Substanzen wurden zu den vorgeformten Fibrillen gegeben, so dass hier nicht nur eine Inhibierung der darauffolgenden Aß-Aggregation, sondern hauptsächlich eine Desaggregation, bzw. Auflösung der Fibrillen erfolgte. Die Affinität der Liganden gegenüber Aß zeigte allerdings durchgängig in allen Experimenten, dass sie durch die Immobilisierung auf Goldnanopartikel signifikant gesteigert werden konnte (teilweise um das 7-fache erhöht). Durch Messungen der Thioflavin T-Fluoreszenz konnte die Menge an Aß-Fibrillen in Lösung bestimmt werden. Hier konnten alle getesteten Substanzen eine Reduktion des ß-Faltblattgehalts erreichen. Bei den freien Einzelsubstanzen zeigte Trim_8+ selbst in sehr geringen Konzentrationen überragende inhibierende Eigenschaften. Ein Gemisch aus beiden Substanzen (D3_5+ und Trim_5+) konnte die Aß-Aggregation ebenfalls effizient inhibieren. Es konnte eine synergistische Wirkung der beiden Verbindungen beobachtet werden. Die Immobilisierung der Liganden auf Nanopartikel führte bei allen Substanzen jedoch zu einer enorm gesteigerten aggregationsinhibierenden Wirkung, teilweise bis zu einer 53-fachen Verstärkung. Trotz der sehr starken Ergebnisse in den ThT-Untersuchungen musste hierbei berücksichtigt werden, dass bei dieser Methode nur eine Reduzierung des Fibrillenanteils gemessen werden konnte. Demnach wurden hier keine Substanzen identifiziert, die die wichtigen neurotoxischen Oligomeren reduzieren konnten. Es musste ebenfalls gewährleistet werden, dass die Bindungsstellen von Aß für Thioflavin T zugänglich waren. Sobald die Epitope allerdings aufgrund der verschiedenen Aß-Strukturen oder durch Bindung von anderen Molekülen an die Fibrillen unzugänglich waren, konnte dies zu falsch negativ Ergebnissen führen. Es konnte außerdem eine Auflösung bzw. Veränderung der pathologischen ß-Faltblattstruktur durch alle untersuchten Verbindungen beobachtet werden. So war in CD-Experimenten nachweisbar, dass die Liganden die Konformation des Aß-Peptids effektiv destabilisierten. Auch hier wurde eine gesteigerte Wirksamkeit durch Immobilisierung der Liganden erzielt (sowohl bei mono- als auch bei bifunktionalen Konjugaten). Allerdings hing die Effektivität der Liganden von ihrer Wirkdauer ab. Die CD-Spektroskopie lieferte grundsätzlich nur Informationen über eine Konformationsänderung der Peptide ohne allerdings eine konkrete Aussage über die vorliegenden Aß-Spezies in der Probe tätigen zu können. In AFM-Bildern führten monofunktionale Au/D3-Konjugate zu einer Veränderung in der Morphologie der Aß-Fibrillen, wodurch sich kürzere Fibrillenfragmente bildeten. Bifunktionale Konjugate konnten den Fibrillenanteil, im Gegensatz zu den monofunktionalen Konjugaten, um den Faktor 3.2 herabsetzen. Allerdings zeigten die Ergebnisse der Mikroskopieuntersuchungen nur die Aß-Spezies, die zuvor auch auf der Substratoberfläche absorbierten. Diese Ergebnisse spiegelten möglicherweise nicht die gesamte Aß-Verteilung in Lösung wider. In DGZ/ELISA-Untersuchungen hatten die Konjugate stets eine stärkere Wirkung als die freien Liganden. Die Selektivität der D3-Derivate für oligomeres Aß blieb auch nach der Immobilisierung auf der Goldnanopartikeloberfläche erhalten. Ebenfalls zeigten die D3-Derivate eine starke Wirkung auf größere Aß- Fibrillen und konnten diese auch nach längerer Inkubationszeit erfolgreich reduzieren. Allerdings führte ein Stabilisierungsversuch der Konjugate mit BSA zu einer Verschlechterung der Ergebnisse und schien die Interaktion zwischen Liganden und Aß durch die BSA-Proteinen zu behindern. Mit der Kombinationsmethode DGZ/ELISA wurden die Aß-Spezies nach Aggregatgröße und Form aufgetrennt. So konnte in den Fraktionen durch Bestimmung der Aß-Menge untersucht werden, welche Aß-Formen von den Substanzen spezifisch unterdrücken werden konnten. Der Antikörper erkannte hierbei nicht einzelne Aß-Spezies, sondern konkret die Aß-Sequenz 1-16 des Peptids, so dass hier alle Aß-Strukturen detektiert werden konnten. Allerdings sollte auch hier sichergestellt sein, dass diese Sequenz des Aß-Peptids dem eingesetzten Antikörper zugänglich war. Demnach wäre eine Denaturierung der Aß-Spezies in den Fraktionen vor dem ELISA sinnvoll, so dass der Antikörper nicht durch ungünstige Aggregatformationen an seiner Bindung gehindert werden kann. Die ersten Tests mit in vivo exprimiertem Aß bestätigten auch in Zellkulturexperimenten eine gesteigerte Wirkung nach der Immobilisierung der Liganden auf die Goldnanopartikel: Es wurden wesentlich geringere Konzentrationen an kleinen neurotoxischen Aß-Aggregaten und N-terminal verlängerten Monomeren gebildet. Keine der getesteten Substanzen war zytotoxisch. Eine Optimierung des D3-Peptids zu D3-(SG)7C führte als monofunktionales Konjugat zu einer Erhöhung in der Wechselwirkung mit Aß. In ThT-Experimenten konnte das neue Derivat die Aß-Aggregation stärker inhibieren, bzw. das Fluoreszenzsignal nahezu auslöschen. Allerdings konnte die kürzere D3-Variante in bifunktionalen Experimenten bessere Ergebnisse erzielen: Die Kombination aus D3_5+ und Trim_5+ zeigte sowohl in ThT-, als auch in CD-Untersuchungen stärkere Wechselwirkungen mit Aß als D3-(SG)7C mit Trim_5+. Schlussendlich zeigten sich bei allen Experimenten jedoch eindeutige Trends: So konnte zusammenfassend festgestellt werden, dass alle neuen Liganden durch Immobilisierung auf Nanopartikel stets eine gesteigerte Wirkung in den durchgeführten Versuchen aufzeigten. Zu-sätzlich konnten erste bifunktionale Konjugate hergestellt werden, bei denen zum Teil eine synergistische Wirkung beider Liganden auf der Nanopartikeloberfläche beobachtet werden konnte. Im Rahmen dieser Arbeit konnten demnach erste erfolgreiche Ansätze für multifunktionale und multivalente Nanokonjugate für den Einsatz in Proteinfehlfaltungsprozessen gefunden werden.

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