Effekte einer systemischen Entzündungsreaktion auf die somatosensorische Schmerzwahrnehmung beim Menschen

Hintergrund: In der Erforschung akuter und chronischer Schmerzen wird vielfach der Einfluss des Immunsystems auf die Schmerzwahrnehmung diskutiert. Im Rahmen systemischer Entzündungsreaktionen kommt es zu adaptiven Verhaltensänderungen, die als Sickness Behavior bezeichnet werden und auch eine erhöhte Schmerzsensitivität umfassen. Beim Menschen bietet die Gabe von Endotoxin (Lipopolysaccharid, LPS) ein etabliertes experimentelles Modell, um eine transiente systemische Entzündungsreaktion zu induzieren. Ziel unserer Studie war es, zeit- und dosisabhängige Effekte von LPS auf die somatosensorische Schmerzwahrnehmung sowie die Zusammenhänge zwischen Immunaktivierung, Schmerzsensitivität und negativen Emotionen zu untersuchen. Methodik: In dieser randomisierten, kontrollierten und doppelblinden Studie applizierten wir N=59 gesunden, männlichen Probanden LPS in einer Dosis von 0,4 oder 0,8 ng/kg Körpergewicht oder Placebo. Die somatische Schmerzsensitivität wurde mittels Algometrie und Pin Prick vor (Baseline) sowie 1, 3 und 6 Stunden nach Injektion erhoben. Zytokine, Cortisol und Körpertemperatur wurden vor (Baseline) sowie 1, 2, 3, 4 und 6 Stunden nach Injektion gemessen. Parallel wurden psychologische Parameter mittels etablierter Fragebögen erfasst. Ergebnisse: Die Injektion von LPS führte zu einer akuten systemischen Entzündungsreaktion, charakterisiert durch einen signifikanten Anstieg pro- und anti-inflammatorischer Zytokine mit stärkerer Ausprägung in der höheren Dosierung. Im Rahmen der Immunaktivierung wurden in den Schmerztestungen signifikant reduzierte Druckschmerzschwellen in allen untersuchten Muskelgruppen 3 Stunden nach Injektion beobachtet, wobei der Effekt unabhängig von erhobenen psychologischen Parametern und überwiegend in der höheren Dosierung auftrat. Eine Zunahme der mechanischen Schmerzsensitivität ließ sich hingegen nicht feststellen. Schlussfolgerung: Unsere Studie konnte als eine der ersten beim Menschen eine erhöhte muskuloskelettale Schmerzsensitivität im Rahmen einer systemischen Immunaktivierung nach Gabe von LPS zeigen, wobei wir im untersuchten Dosisbereich Hinweise auf einen konzentrationsabhängigen Effekt gefunden haben. Unsere Ergebnisse erweitern den aktuellen Kenntnisstand über immunvermittelte Mechanismen bei der Schmerzwahrnehmung und bieten somit einen potentiellen Beitrag zum besseren Verständnis der Pathophysiologie chronischer Schmerzen und ihrer Therapiemöglichkeiten.

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