Einsatz innovativer Simulationstechniken zur Entwicklung eines High-Speed-Extrusionskonzeptes auf Basis von Feststoff-Schmelze-Trennung

Die Extrusion ist eines der bedeutendsten Verfahren zur Verarbeitung von Kunststoffen. Entsprechend stark ist das Interesse der Verarbeiter sowie der Maschinenhersteller an der Sicherstellung effizienter und wirtschaftlicher Prozesse. Die mit einem Extruder erzielbaren Durchsätze stellen hierbei eine primäre Richtgröße dar. Zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit eines Extruders ist somit eine Anhebung der verarbeitbaren Durchsätze bei gleichbleibender stofflicher wie auch thermischer Homogenität und hoher Qualität der erzeugten Schmelze bei unveränderter Baugröße anzustreben. Das größte Potenzial zur Realisierung dieses Ziels wird vielfach im Einsatz schnelldrehender Schnecken gesehen. Die High-Speed-Extrusion scheint zunächst eine sehr einfache Methode zur Durchsatzsteigerung zu sein. Aber tatsächlich ist sie lediglich in der Doppelschneckenextrusion etabliert. In der Einschneckenextrusion sind jedoch noch entscheidende Probleme, insbesondere bzgl. der Einhaltung zulässiger Schmelzetemperaturen und der Gewährleistung einer ansprechenden Extrudatqualität, zu lösen. Dies liegt u. a. an den auftretenden hohen Schergeschwindigkeiten, die zu starker Schererwärmung des Materials führen. Zudem wird oftmals ein signifikanter Abfall des spezifischen Durchsatzes mit steigender Schneckendrehzahl beobachtet. Dies wirkt sich ebenfalls negativ auf die Temperaturentwicklung der Schmelze aus. Weiterhin ist das Auftreten von nicht aufgeschmolzenem Granulat im Extrudat ein nicht zu vernachlässigendes Problem, denn vor allem die einwandfreie Schmelzequalität stellt eine wesentliche Anforderung an die Extrusion dar. Im Rahmen dieser Dissertation wird daher die Entwicklung des High-Speed-S-Truder-Konzeptes, ausgehend von den Ergebnissen von Großmann unter Einsatz innovativer Simulationstechniken weiter vorangetrieben. Hierzu wird zunächst das bestehende Konzept mittels umfangreicher experimenteller sowie theoretischer Arbeiten untersucht. Der Fokus liegt dabei auf der Generierung von Prozesswissen bzgl. der Aufschmelzabläufe und Strömungsvorgänge im High-Speed-S-Truder. Vor allem dem Einsatz von computergestützten Simulationsmethoden wird dabei eine besondere Bedeutung zuteil, da diese es ermöglichen, einen detaillierten virtuellen Einblick in das Innere der Maschine zu erhalten. Grundlegende Ansätze zur Simulation von Förder- und Plastifiziervorgängen in Kunststoffextrudern existieren zwar, jedoch sind diese oft eindimensional und i.d.R. auf den klassischen Extruder zugeschnitten und daher nicht für den High-Speed-S-Truder anwendbar. Andere universell nutzbare Modelle befinden sich noch im Entwicklungsstatus und sind nicht weit genug ausgereift, um sie verwenden zu können. Einen Schwerpunkt dieser Arbeit stellt daher die Ausarbeitung eines eigenen, innovativen und universell einsetzbaren Materialmodells sowie dessen Implementierung in eine kommerzielle CFD-Umgebung dar. Das Materialmodell basiert auf dem in der Forschung bekannten Ansatz eines sehr hochviskosen Fluids zur Abbildung von Feststoffen bzw. Schüttgütern. Mithilfe des etablierten Carreau-Viskositätsmodells, kombiniert mit einem modifizierten WLF-Temperaturverschiebungsfaktor, gelingt es, das rheologische Verhalten eines erweichenden Granulats mit dem einer Kunststoffschmelze in einem mathematischen Modell zusammenzufassen. Feststoff und Schmelze können so gemeinsam als ein strömendes Kontinuum abgebildet werden. Dadurch wird der Einsatz eines CFD-Solvers zur Simulation der Plastifizierprozesse in einem beliebig gestalteten Extruder ermöglicht. Auch die thermodynamischen Materialeigenschaften werden durch das Materialmodell über einem breiten Temperaturbereich, von Raum- bis über die Verarbeitungstemperatur hinaus, berücksichtigt. Dazu werden die Eigenschaften des Feststoffs und der Schmelze separat betrachtet und mittels einer stetigen Gewichtungsfunktion, der Meltfraction-Funktion, überlagert. Die Konsistenz und numerische Robustheit der einzelnen eigenschaftsbeschreibenden Funktionen werden so gewährleistet. Weiterhin lassen sich durch Kalibrierung der Meltfraction-Funktion heizratenabhängige Verschiebungseffekte bzgl. der Lage und der Breite des Aufschmelztemperaturbereichs einbinden. Dies ist gerade für die Simulation von High-Speed-Extrusionsprozessen zwingend erforderlich, da mittels Flash-DSC-Untersuchungen nachgewiesen werden kann, dass die dynamischen Abläufe des Schmelzens in der High-Speed-Extrusion deutlich von den mit gängigen Analyseprozessen ermittelten Abläufen abweichen. Kalibriert wird das Modell durch den Abgleich von Simulationsergebnissen mit Schnittbildern von eingefärbtem Material aus einem Schneckenzugversuch, der Teil umfangreicher Plastifizierversuche ist. Mittels des kalibrierten Materialmodells wird die Extrusion mit dem High-Speed-S-Truder simuliert und Optimierungspotenziale werden aufgedeckt. Ein überarbeiteter Prototyp des High-Speed-S-Truders wird auf Grundlage dieser Untersuchungen entwickelt und in Laborversuchen getestet. Das Konzept ersetzt die ursprünglich statische Plastifizierhülse durch eine frei rotierbare Hülse mit einem an der Außenseite verlaufenden Schneckensteg, der sogenannten Schneckenhülse. Diese besitzt mehrere hundert feine, radiale Bohrungen am Grund, sodass das Prinzip der Feststoff-Schmelze-Trennung unverändert beibehalten wird. Die Schneckenhülse umschließt die eigentliche Plastifizierschnecke im Bereich der Plastifizierzone und wird durch Schleppkräfte in Rotation versetzt. Während der Extrusion entstehende Schmelze wird durch die Bohrungen der Schneckenhülse aus dem Gang der schnelldrehenden Schnecke in den Gang der langsam rotierenden Schneckenhülse abgeführt und dort aktiv, aber schonend weitergefördert. Das ohnehin bereits plastifizierte Material wird keiner weiteren, unnötig hohen Scherbelastung ausgesetzt. Ein weiterer Vorteil, der sich durch die Abfuhr der Schmelze aus dem Schneckengang ergibt, ist die Unterdrückung einer Schmelzewirbelbildung innerhalb der Schneckenhülse. Hierdurch verbleibt die Plastifizierleistung stets auf einem hohen Niveau. Die abgeführte Schmelze wird zu einem speziell für die High-Speed Extrusion ausgelegten dynamischen Mischer, der als Waben-DMR bezeichnet wird und die ausreichende Homogenität des Extrudats sicherstellt, weitergefördert und anschließend durch ein Werkzeug gepresst. Durch den unkonventionellen, aber dennoch simplen Aufbau des High-Speed-S-Truders unterscheiden sich die im Inneren ablaufenden Plastifiziervorgänge teils deutlich von den bekannten Mechanismen. Daher werden auch die Vorgänge im neuen Prototypen mittels des o. g. Materialmodells im Rahmen von weiteren CFD-Simulationen sichtbar gemacht und die getroffenen konstruktiven Änderungen überprüft und optimiert. Die Leistungsfähigkeit des neuen High-Speed-S-Truders wird durch reale Plastifizierversuche mit gängigen Standard-Kunststoffen (PE-LD, PE-LLD, PS) nachgewiesen. Sowohl die Simulationen als auch die Plastifizierversuche belegen das große Potenzial des entwickelten 35 mm Extruders, dessen Länge sich auf 21D beläuft. Die o. g. Kunststoffe werden bei Schneckendrehzahl von bis zu 1.000 1/min und Durchsätzen zwischen 100-200 kg/h verarbeitet. Dabei werden die Verarbeitungsleistungen des Vorgängermodells in eigenen Vergleichsexperimenten übertroffen. Auch der beim Vorgängermodell auftretende Ausstoß von Feststoffresten im Extrudat wird durch den nun genutzten dynamischen Mischer unterbunden.
Extrusion is one of the most important processes for the processing of plastics. Accordingly strong is the interest of material processors and machine manufacturers to ensure efficient and economic processes. In this case the throughputs reached by the extruder are a primary benchmark. Thus, raising the processable throughputs at a constant thermal and material homogeneity and a high quality of the produced melt at unchanged machine size is desirable to increase the efficiency of an extruder. The greatest potential for the realization of this goal is often seen in the use of fast-rotating screws. The high-speed extrusion initially seems to be a very easy way to increase throughput. But in fact it is only established in twin screw extrusion. But in single screw extrusion still decisive problems dealing with permissible melt temperatures and an appealing extrudate are to solve. This is partly due to the resulting high shear rates, which lead to strong shear heating of the material. In addition, often a significant decrease in the specific throughput is observed with increasing screw speed. This also has a negative effect on the temperature development of the melt. Furthermore, the occurrence of not molten granules in the extrudate is a non-negligible problem, because especially a proper melt quality is an essential requirement to an extruder. In this thesis, the development of the S-Truder concept based on the results of Grossmann is therefore continued by use of innovative simulation techniques. For this purpose, first the existing concept is examined by means of extensive experimental and theoretical work. The focus is set on the generation of process knowledge regarding melting processes and melt flow in the High-Speed-S-Truder. Especially the use of computer simulation methods is thereby of special importance, as these make it possible to get a detailed virtual view into the interior of the machine. Basic approaches to simulate the conveying and plastification processes in an extruders exist, but these are often one-dimensional and usually tailored to the classic extruder and therefore not applicable to the High-Speed-S-Truder. Other universally usable models are still under development and are not sufficiently developed to be used. A main focus of this work is therefore the development of an own innovative and universally applicable material model and its implementation in a commercial CFD software. The material model is based on the in the scientific well-known approach of a very high viscosity fluid to represent solids or bulk materials. With the aid of the established Carreau viscosity model, combined with a modified WLF-temperature shift factor, it succeeds to combine the rheological behaviours of softening granules and plastic melt in just one mathematical model. Solid and melt can be depicted together as a flowing continuum. Thus, the use of a CFD solver for simulating plastification processes in an arbitrarily designed extruder becomes possible. Also the thermodynamic material properties are taken into account by the material model over a wide temperature range, from room temperature up to the processing temperature. For this, the properties of the solid and the melt are considered separately and are then superimposed by means of a continuous weighting function, the meltfraction function. Thus, the consistency and numerical robustness of the individual characteristics describing functions are ensured. Furthermore, heating rate dependent shift effects which influence the position and the width of the melting temperature range can be included by calibrating the meltfraction function. This is absolutely necessary, especially for the simulation of high-speed extrusion processes, as can be demonstrated by Flash-DSC studies that the dynamic processes of melting in the high-speed extrusion differ materially from those determined using standard analysis processes. The calibration of the model is performed by comparing simulation results with cut views of colored material from a screw freezing experiment which is part of extensive plastification experiments. By use of the calibrated material model the extrusion with the High-Speed-S-Truder is simulated and optimization potentials are revealed. A revised prototype of the High-Speed-S-Truder is developed on the basis of these studies and is then tested in laboratory experiments. The concept replaces the originally static plasticizing sleeve by a freely rotatable sleeve with a screw flight running on the outside, the so-called screw sleeve. This has several hundred fine, radial bores on its ground, so that the principle of solid-melt-separation maintains unchanged. The screw sleeve encloses the plasticizing screw in the plastification zone and is accelerated by drag forces. During extrusion arising melt is discharged through the bores of the screw sleeve out of the screw channel of the fast rotating screw into the screw channel of the slowly rotating screw sleeve, where it is actively, but gently conveyed. The already plasticized material is not subjected to further, unnecessary high shear stress. Another advantage, which results from the discharge of the melt from the screw channel, is the suppression of a melt pool formation within the screw sleeve. Thereby, the plasticizing always remains on a high level. The discharged melt is conveyed to a specifically for high-speed extrusion processes designed dynamic mixer - which is referred to as the honeycomb-DMR and ensures the adequate homogeneity of the extrudate - and is then pressed through the extrusion tool. Because of the unconventional, but yet simple design of the High-Speed-S-Truder, the plastification processes differ in part highly from the known mechanisms. Therefore, also the processes in the new prototype will be made visible in the context of some more CFD simulations using the before developed material model. The constructive changes are proved and optimized. The performance of the new High-Speed-S-Truder is demonstrated by real plastification experiments with current standard plastics (LD-PE, LLD-PE, PS). Both, the simulations as well as the plastification experiments demonstrate the great potential of the 35 mm extruder, whose length amounts to 21D. The materials are processed at screw speeds of up to 1000 rpm and throughputs between 100-200 kg/h. Thereby the processing performance of the previous S-Truder model of own comparative experiments are exceeded. Also the occurrence of solids in the extrudate is prevented by the now used dynamic mixer.

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