All the Web’s a Stage and all Wo(men) Merely Networkers - Zur Rolle von Geschlechterstereotypen bei der Produktion und Rezeption von Profilen in Online-Business-Netzwerken

Die Gleichstellung der Geschlechter gilt in Deutschland als erstrebenswertes Ziel, was sich unter anderem an der öffentlichen Diskussion um die Frauenquote in der Wirtschaft oder um „Herdprämien“ und Elterngeld in der Politik veranschaulichen lässt. Obwohl Frauen heute, gemessen am Anteil der AbiturientInnen und HochschulabsolventInnen, besser ausgebildet sind als noch vor einigen Jahren und auch ihre männlichen Altersgenossen überholen, ist die traditionelle Rollenverteilung des Vollzeit erwerbstätigen Mannes und der Frau als Hausfrau und Mutter noch immer häufig anzutreffen. In Führungspositionen gelangen Frauen in Deutschland immer noch selten. Nicht nur aufgrund ethisch-moralischer und gesetzlicher Überlegungen, sondern auch aus demographischen Gründen wird es zunehmend wichtiger, das Potenzial von Frauen einzubeziehen. Die Existenz von kulturell geteilten Stereotypen führt allerdings nicht nur im Rahmen der Wahrnehmung zu unterschiedlichen Bewertungen gleichen Verhaltens oder gleicher Leistung von Frauen, sondern hat ebenso unmittelbaren Einfluss auf das (Selbstdarstellungs-)Verhalten von Männern und Frauen. Ob und wie sich die Unterschiede in der Selbstdarstellung und den Zuschreibungen niederschlagen, untersucht diese Arbeit anhand von Online-Profilen des Business-Netzwerks XING, in dem persönliche Profile angelegt werden können und NutzerInnen sich zu beruflichen Zwecken untereinander vernetzen. Da sich seit einigen Jahren Bewerbungsprozesse unternehmens- und bewerberseitig stärker ins Internet verlagern, ist zu erwarten, dass berufliche Online-Netzwerke weiter an Bedeutung gewinnen und damit auch eine Rolle im Zusammenhang mit der beruflichen Chancengleichheit der Geschlechter spielen. Bislang gibt es kaum Studien, die sich explizit mit Online-Business-Netzwerken beschäftigen und Erkenntnisse aus der bisherigen sozial- und medienpsychologischen Selbstdarstellungs- und Wirkungsforschung auf diese spezifische Umgebung anwenden. Um die übergeordnete Frage zu beantworten, ob Frauen und Männer sich tatsächlich unterschiedlich darstellen und Frauen sich „ungeschickter“ inszenieren oder aufgrund von Stereotypisierungsprozessen auch die gleiche Inszenierung ein unterschiedliches Urteil bei bewertenden Personen hervorruft, wird ein multi-methodologischer Forschungsansatz gewählt. Mit Hilfe von 26 semi-strukturierten Leitfadeninterviews untersucht Studie I verschiedene Aspekte der Mitgliedschaft bei XING. Dabei werden Unterschiede in der Wichtigkeitseinschätzung und Schwerpunktsetzung bei der Profil- und Netzwerkpflege identifiziert. Männer und Frauen schreiben dem Netzwerk demnach eine berufliche Zweckbestimmung zu, nutzen es eher unregelmäßig, allerdings vor allem zur Selbstdarstellung und Informationssuche, und richten sich vor allem an zukünftige Arbeitgeber. Die Selbstdarstellung ist auf die Erzeugung eines positiven Eindrucks gerichtet, den Männer und Frauen anders definieren. Männer richten ihre Darstellung vor allem auf Kompetenz aus, Frauen dagegen auch auf Freundlichkeit. Mit einer quantitativen und qualitativen Profilanalyse einer öffentlichen (N = 871) und einer netzwerkinternen Stichprobe (N = 60) ergänzt Studie II die Ergebnisse der Leitfadeninterviews mit einer größeren Stichprobe um objektive Daten. Die Analyseschwerpunkte bildeten dabei die äußere Form, die quantitativen Eigenschaften des Profils (Wörter- und Itemzahl, Zahl der Kontakte, etc.) sowie die inhaltliche Gestaltung der Eintragungen und deren quantitative Ausgestaltung (z.B. Zahl der beruflichen Gruppen). Die Ergebnisse zeigen, dass Männer höhere Nutzungsquoten für die meisten Profilelemente haben, längere Einträge verfassen und ihre Profile auch mehr Kontakte und Gruppen enthalten. Inhaltlich ist ihre Darstellung eher auf fachliche Selbstwerbung gerichtet. Bei den Frauen dagegen stehen Gemeinschaftlichkeit und durch das Bild vermittelte Freundlichkeit (z.B. Lächeln auf Fotos) im Vordergrund. Studie III (N = 541) untersucht experimentell den Wirkungsaspekt und betrachtet die Auswirkung von Geschlecht und Karriere-Stufe (Trainee, Junior Manager, Führungskraft) auf die Wahrnehmung und Zuschreibungen zu der im Online-Profil dargestellten Person. Den Ergebnissen zufolge zeigen sich die grundsätzlichen Zuschreibungsmuster des think-manager-think-male-Phänomens sowie mit dem Stereotype-Content-Model übereinstimmende Zuschreibungen. Daneben zeigt sich, dass Frauen nicht nur typisch weibliche Eigenschaften zugeschrieben werden, sondern auch solche Eigenschaften, die typischerweise eher Männern zugeschrieben werden (z.B. Kompetenz). Weiblichen Führungskräften wird daneben eine höhere Einstellungswahrscheinlichkeit zugeschrieben. Die Ergebnisse bestätigen geschlechtsspezifische Nutzungsmuster und Darstellungs-präferenzen einerseits und Unterschiede bei der Zuschreibung zu Männern und Frauen andererseits, die sich konsistent an die aus der Literatur des face-to-face-Kontext bekannten Modelle und empirischen Ergebnisse zur Selbstdarstellung und Stereotypisierung anknüpfen lassen. Durch die Ergebnisse wird nicht nur ein Beitrag zur Schließung der Forschungslücke hinsichtlich der Selbstdarstellungs- und Bewertungsprozesse in Online-Business-Netzwerken geleistet, sondern eine bewusste Reflexion von Unterschieden und Gemeinsamkeiten möglich, die eine Voraussetzung für die Entwicklung von Handlungsempfehlungen sind.

For some years now, gender equality is publicly discussed in Germany and considered a worthwhile goal. This can be illustrated by women quota in companies as well as discussions about “Herdprämien” and “Elterngeld”. However, the classical gender roles that depict men as full-time workers and women as housewives caring for children still persist. While women outperform men at schools and universities, they are still underrepresented on higher management levels and seldom pursue a full-time professional career. Not only for ethic and legal reasons, but also as a demographic necessity it becomes more and more important to make use of women’s potential. The existence of culturally shared stereotypes leads individuals to different evaluations of the same behavior and performance on the one hand and influences the self-presentational behavior of men and women on the other hand. By using online profiles of the Business Networking Site XING in which personal profiles with detailed information about their career, interests, wants and haves can be created and users can connect for professional purposes, this dissertation investigates if and how these differences influence self-presentation and evaluation processes. Recruiting processes have more and more turned towards the online arena. Since Business Networking Sites have grown in popularity they may therefore play a role in future recruiting processes and equality initiatives. However, research explicitly focusing on Business Networking Sites and drawing on results from the field of social- and media psychology is still scarce. To find out if women indeed present themselves awkwardly or if stereotypes trigger different judgments with regard to male and female profiles with the same content, this dissertation uses a multi-methodological approach. Applying this approach and using research results from the ftf-context and prior research on privately used Social Networking Sites, three studies were conducted. Semi-structures interviews (N = 26) investigated the usage motivation and pattern as well as the self-presentational focus men and women concentrate on. Results show that men and women attribute a professional purpose to the network and use it primarily for self-presentation and searching. Self-presentation aims at generating a positive impression that is defined differently by men and women. Men especially focus on competence, women on sympathy. With a qualitative and quantitative analysis of public (N = 871) and private (N = 60) profiles, the second study complements the first with a larger sample and objective data. The focus of analysis is on the outer form of the profile and on quantitative characteristics (number of words and items, number of contacts, etc.) as well as on the content of the elements (e.g. number of groups of professional character). Results show higher usage quota for men in almost every self-presentational category as well as longer entries. Their profiles contain more contacts and groups; profile content focuses on self-enhancement. Women draw attention to communality and sympathy conveyed by the profile pictures (e.g. smiling on the picture). The third study (N = 541) finally focuses on the effect of stereotypes by using an experimental design varying gender and career level and assessing the attributions people make to the depicted person. According to the results evaluations are generally consistent with earlier research on the think-manager-think-male-phenomenon as well as with the Stereotype-Content-Model. Besides, women are not only attributed typically female traits but also characteristics that are typically ascribed to men (e.g. competence). Also, female leaders are attributed higher hiring probability. All in all, results confirm the suggested gender specific usage and self-presentational preferences, as well as differences in the attributions to men and women that are consistent with models and empirical evidence shown in ftf-contexts. Thereby the results enhance our state of knowledge about self-presentation and evaluation in Online Business Networking Sites but also allow conscious reflection on differences and similarities of men and women that are a precondition for the development of guiding principles.

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