Ganzheitlicher Ansatz zur Dimensionierung und Optimierung von Extrusionswerkzeugen am Beispiel von Wendelverteilern

Ausgangspunkt dieser Arbeit ist der Bedarf, den momentanen Stand der Technik bei der Dimensionierung von Extrusionswerkzeugen um automatisierte Ansätze zu erweitern. Der Werkzeuggeometrie kommt im Extrusionsprozess eine wesentliche Aufgabe zu. Die vom Extruder bereitgestellte Kunststoffschmelze durchströmt die Fließkanäle im Inneren des Werkzeuges und erfährt hierbei eine Umformung hin zum Austrittsquerschnitt. Es besteht eine maßgebliche Beeinflussung der Qualität des Endproduktes durch die Strömungsvorgänge im Extrusionswerkzeug. Die Dimensionierung der Fließkanalgeometrie ist abhängig von einer Vielzahl von Anforderungen und zeigt eine signifikante Abhängigkeit von den spezifischen rheologischen Eigenschaften der Kunststoffschmelze. Vor diesem Hintergrund wird ein ganzheitlicher Ansatz zur automatisierten Auslegung von Extrusionswerkzeugen geschaffen. Kerngedanke stellt die Kopplung eindimensionaler, analytischer Berechnungsansätze zur Vordimensionierung der Werkzeuggeometrie mit einer dreidimensionalen iterativ arbeitenden numerischen Simulation dar. Am Beispiel von Wendelverteilern für die Produktion von Halbzeugen wie Rohren, Schläuchen oder Blasfolien wird der vom Grundprinzip her allgemeingültige Ansatz konkretisiert und erprobt. Der ganzheitliche Auslegungsansatz sieht vor, sämtliche Prozessschritte der Auslegung und unterschiedliche Komponenten der Werkzeugbaugruppe zu berücksichtigen. Grundlage ist die konsequente Verwendung von dreidimensionalen, parametrischen Geometriemodellen, welche bereits konstruktive Restriktionen und fertigungstechnische Aspekte berücksichtigen. Im Rahmen der Vordimensionierung finden eindimensionale, analytische Berechnungsansätze Anwendung. Aus vorgegebenen Zustandsgrößen und Materialeigenschaften wird die Geometrie einfacher Strömungskanäle direkt berechnet. Für die Bestimmung initialer Geometrien von Wendelverteilern wird ein verkettetes Berechnungsmodell, bestehend aus eindimensionalen, analytischen Ansätzen, verwendet. Dieses wird mit den Methoden der Netzwerktheorie gelöst. Als Vorgabe dienen wiederum definierte Zustandsgrößen und grundlegende Geometrieparameter, sodass eine direkte Berechnung des Wendeltiefen- und Spaltweitenverlaufes möglich ist. Ferner resultiert aus der Vordimensionierung eine prozentuale Bandbreite, innerhalb derer Freiheitsgrade in einer nachfolgenden automatisierten Optimierung anzupassen sind. Ausgehend von der mittels Vordimensionierung berechneten initialen Geometrie sowie der Bandbreite zur Variation der Freiheitsgrade folgt eine automatisierte Optimierung. Ein dreidimensionales parametrisches Werkzeugmodell, welches bereits geometrische und fertigungstechnische Restriktionen berücksichtigt, dient als Basis der Diskretisierung. Die Strömungssimulationen werden unter Berücksichtigung vorab definierter Randbedingungen durchgeführt und die Ergebnisse in Form skalarer Qualitätskriterien ausgewertet. Diese Kriterien werden zuvor mittels der Analyse grundlegender Anforderungen an Extrusionswerkzeuge hergeleitet und anhand von vergleichenden Berechnungen validiert. Eine zusätzliche Vorgabe von Ausschlusskriterien sichert die Über- und Unterschreitung kritischer Zustandsgrößen ab. Anhand eines multikriteriellen genetischen Optimierungsalgorithmus wird eine möglichst optimale Werkzeuggeometrie identifiziert. Hierzu werden die Geometrieparameter des Werkzeugmodells mit dem Ziel angepasst, möglichst geringe Werte der Qualitätskriterien zu erreichen und gleichzeitig die Ausschlusskriterien nicht zu über- bzw. unterschreiten. Eine nachfolgende Detailoptimierung und virtuelle Erprobung, welche auf dreidimensionalen numerischen Strömungssimulationen der gesamten Werkzeugbaugruppe beruht, schafft die Möglichkeit Geometriedetails manuell zu modifizieren, um beispielsweise die prinzipielle Strömungsführung lokalen Modifikationen zu unterziehen. Beispielhaft wird diese Vorgehensweise angewandt, um Stagnationszonen innerhalb der Werkzeuggeometrie gezielt zu identifizieren und betroffene Geometriebereiche einer Detailoptimierung zu unterziehen. Anhand der Verknüpfung von Verweilzeitverteilungen am Auslass der Werkzeuge, der Fließhistorie entlang von Stromlinien und der Länge spezifischer Strömungspfade werden optimierungsbedürftige Geometriebereiche identifiziert. Eine Validierung dieser Optimierungsmethode erfolgt mittels Versuchsreihen an einer Blasfolienextrusionsanlage. Anhand von Produktwechselversuchen wird nachgewiesen, dass unter Verwendung einer optimierten Werkzeuggeometrie eine signifikante Reduzierung von Wechselzeiten bzw. -massen im Vergleich zu einem Referenzwerkzeug erzielt wird. Die virtuelle Erprobung, welche den Optimierungsprozessen nachgeschaltet ist, ermöglicht die Analyse von Betriebspunkvariationen am virtuellen Werkzeugmodell. Im Rahmen dieser Untersuchungen werden temperaturabhängige Effekte berücksichtigt, welche auf die dissipative Erwärmung in der Polymerschmelze und die Wärmeleitung in den Bauteilen der Werkzeugbaugruppe zurückzuführen sind. Insbesondere zeigen sich Auswirkungen durch die Steigerung des Massedurchsatzes und die Variation von Polymeren unterschiedlicher Fließeigenschaften auf die maximalen und mittleren Schmelzetemperaturen. Es besteht somit die Möglichkeit, das Prozessfenster, in dem eine Werkzeugbaugruppe einzusetzen ist, zu definieren. Hierbei wird deutlich, dass der Wärmeübergang zwischen der Kunststoffschmelze und den Komponenten der Baugruppe einen wesentlichen Einfluss auf die Temperaturverteilung innerhalb der Schmelze hat. Weiterhin wird ersichtlich, dass die definierten Qualitäts- und Aus-schlusskriterien auch unter Berücksichtigung temperaturabhängiger Effekte erfüllt werden. Es wird nachgewiesen, dass der ausgearbeitete Ansatz im Vergleich zu anderen Arbeiten in einer signifikanten Reduzierung der Berechnungszeit bzw. Iterationsanzahl mündet. Gleichzeitig ist es gelungen, die Anzahl der geometrischen Freiheitsgrade zu steigern und somit die Ergebnisqualität zu erhöhen. Die theoretischen Berechnungen werden durch praktische Versuchsreihen an real gefertigten Werkzeugen validiert. Die Erweiterung der Simulationen um temperaturabhängige Effekte bestätigt die definierten Qualitätskriterien für die isotherme Dimensionierung und zeigt Potentiale auf, bestehende Werkzeugkonzepte um Möglichkeiten der Wärmeabfuhr zu erweitern.

Background of this thesis is the need to extend the state of the art for the dimensioning of extrusion dies by automated approaches. For the extrusion and production process of semi-finished products, the die geometry has a significant influence on the polymer processing. In this context, the die is used in an extrusion process to form a semifinished product. Therefore, an extruder supplies the die with molten thermoplastic material. The resulting product quality is significantly influenced by the flow phenomena in the extrusion die. Here, the dimensioning of the flow channel geometry is dependent on many requirements and significantly on the rheological properties of the polymer melt. Linked to these facts, a holistic approach for the automated optimization of extrusion dies has been developed. The main idea is the coupling of an one-dimensional analytical calculation approach for the predimensioning of die geometries with a threedimensional iteratively working numerical simulation. The general approach is formulated universally and is specified and tested exemplarily for spiral mandrel dies extruding for example plastic pipes, tubes and blown films. The created holistic approach takes into account all relevant steps of the dimensioning process and considers different parts of the die assembly. The fundament is the consequent usage of threedimensional parametric geometry models. These models include geometric restrictions and manufacturing knowledge. For the predimensioning, onedimensional analytical calculation models are used. After predefining the state variables and the material properties, the geometry of the basic flow channels is calculated. The calculation of an initial geometry of a spiral mandrel die is based on solving a network of coupled onedimensional analytical equations. Therefore, state variables and basic geometrical dimensions have to be defined to directly calculate an initial spiral depth and gap width. In addition, a percentage bandwidth is derived within a coupled optimization algorithm is able to change geometry parameters (spiral depth and gap width). Based on the geometry parameters and the bandwidth calculated using the predimensioning, an automatic optimization takes place. Therefore, threedimensional numerical flow simulations are used. Basis for the discretization is a threedimensional parametric CAD model of the die including geometrical and manufacturing restrictions. A multiple criteria genetic optimization algorithm is coupled with a threedimensional numerical flow simulation to optimize the die geometry by using defined quality and exclusion criteria calculating new parameter sets to change the geometry. Based on the analysis of general requirements of extrusion dies, these quality and exclusion criteria are defined and validated by comparative simulations. A manual detail optimization and virtual testing of the resulting die geometry follow this process. In this way, the whole extrusion die assembly is considered and interactions between different die regions are taken into account. Therefore, the possibility is given to change local areas of the flow channels. Exemplary the approach is used to optimize geometry regions with low wall shear stresses and flow velocities in the feed region of a spiral mandrel die. By analyzing the flow history along specific path lines, regions in the feeding section of the die are identified and associated geometry elements are changed. The optimization method is validated by practical experiments extruding blown film with an optimized and a reference spiral mandrel die. By studying productchanging processes, using spectral photometry, the amount of purging material is measured. The result is a significantly reduced amount of purging material for the optimized die geometry – and linked to that a significant reduction of residence time differences at the outlet of the die – compared to the reference die. In addition, a possibility is given to analyze different process conditions based on the simulation model of the complete die assembly by the usage of the virtual testing approach. The influence of material properties, mass flow rate and dissipative heating has been studied. Therefore, the process window within the die assembly could be used (range of materials with different rheological properties, range of mass flow rates) is defined. It has been found out that the heat transfer between polymer melt and the steel parts of the die assembly has a significant influence on the temperature distribution. An essential decrease of calculation times and iteration numbers of the developed automated optimization approach is proven comparing to other theses. Parallel to that, an increase of the geometrical degrees of freedom is reached. The numerical simulations are validated by analyzing the results of practical experiments using manufactured die prototypes extruding blown film. Furthermore, the defined quality criteria are confirmed by temperature dependent simulations. It was figured out that the used criteria for the automated isothermal based optimization process also lead to an equal dissipative warming of the polymer melt during distribution in the die. Finally, the capability to implement a heat discharge for increasing mass flow rates was shown.

Zitieren

Zitierform:
Zitierform konnte nicht geladen werden.

Rechte

Nutzung und Vervielfältigung:
Alle Rechte vorbehalten