Untersuchung der Bindungskinetiken von rekombinantem, humanem knochenmorphogenetischen Protein mit Hilfe der totalen inneren Reflexionsfluoreszenzspektroskopie unter Berücksichtigung des Photobleachings und Fluoreszenzquenchings

Derzeit findet eine intensive Erforschung von Implantaten statt, die zur besseren Einheilung mit rekombinantem, humanem knochenmorpho-genetischen Protein (rhBMP-2) beschichtet sind. Neben der Kenntnis der Sorptionsraten ist von großem Interesse, daß die auf den Implantaten aufgebrachten Stoffe in einer biologisch aktiven Konformation freigesetzt werden. Primäres Ziel der Arbeit war die Ermittlung der kinetischen Konstanten (k+1 und k−1) für die initiale Adsorption von rhBMP-2 an Quarzglas und an Poly-DL-laktid (PDLLA), um daraus die Bindungskonstanten abzuleiten. Ein weiteres Ziel lag im Erhalt von Informationen über Konformations-änderungen des rhBMP-2 auf diesen Oberflächen als Funktion der Ver- weildauer des Proteins auf der Oberfläche. Hierzu wurden Adsorptions- und Desorptionsmessungen an einem TIRF-Rheometer (TIRF: totale innere Reflexionsfluoreszenz) durchgeführt, bei der das Tryptophan bei 280 nm zur Fluoreszenz angeregt wird. Die geringe Eindringungstiefe erfaßt dabei nur die adsorbierten Moleküle auf der Oberfläche und nicht diejenigen in der Bulklösung. Die Transportlimitierung bei der Adsorption wurde beseitigt, indem die Proteinlösung mit einer vorangehenden Luftblase in die Meßzelle eingeleitet wurde. Die Luftblase reduziert die Nernstsche Diffusionsschicht um den Faktor 50 und führt zu exponen-tiellen Kinetiken, die eine mathematische Auswertung erlauben. Es konnte gezeigt werden, daß Photobleaching nur bei Bestrahlungs-zeiten über 100 s die Fluoreszenz signifikant reduziert. Bei langan-dauernden Desorptionsexperimenten (bis 124 h) wurde daher der Einfluß des Photobleachings berücksichtigt, indem Korrekturfaktoren durch den Vergleich mit 125I-markiertem rhBMP-2 ermittelt wurden. Die Fluoreszenz wurde weiterhin durch Fluoreszenzquenching reduziert. Dabei wurde erstmals ein paradoxes Verhalten des Quenchings festgestellt, nämlich eine Abnahme des Fluoreszenzquenchings mit zunehmender Oberflächenbeladung mit Protein. Vermutlich werden bei der initialen hochaffinen Bindung bei geringer Oberflächenbeladung die π-Systeme der endständigen Tryptophanpaare des Dimers so nah aneinander gebracht, daß durch einen strahlungslosen Energietransfer ein starker Fluoreszenzabfall erfolgt. Bei der darauffolgenden nieder-affinen Bindung bei höherer Beladung, ist die Annäherung der Typto-phanpaare nur gering und verursacht einen entsprechend geringeren Fluoreszenzabfall. Nach Berücksichtigung der Quenchfaktoren konnten alle Adsorptionskinetiken an zweifach exponentielle Funktionen angepaßt werden. Die zweifach exponentiellen Adsorptionskinetiken wurden nun für verschiedene Proteinkonzentrationen unter Bestimmung der Anstiege (kobs-Werte) aufgenommen. Aus dem Auftrag der obs k -Werte gegen die Proteinkonzentrationen wurden dann die kinetischen Konstanten (k+1 und k−1) für den Initialkomplex bestimmt. Für die Adsorption von rhBMP-2 an Quarzglas ergaben sich zwei Geschwindigkeitskonstanten der Adsorption (k+1) und der Desorption (k−1), die auf zwei gleichzeitig ablaufende Bindungsreaktionen IA und IB auf Quarzglas hinwiesen. Daraus wurden die zwei Bindungskonstanten KIA´= 4,6 ± 7,4 × 10 6 M-1 und KIB´= 3,2 ± 3,1 × 10 6 M-1 berechnet, die sich jedoch nicht signifikant voneinander unterscheiden. Diese Konstanten wurden durch ein unab- hängiges Experiment mit 125I-markiertem rhBMP-2 überprüft. Aus der Adsorptionsisotherme mit 125I-rhBMP-2 konnte nur die Bindungs-konstante KI´= 2,9 ± 0,5 × 10 6 M-1 ermittelt werden, die jedoch eine gute Übereinstimmung mit beiden Bindungskonstanten zeigt. Für die Adsorption von rhBMP-2 an PDLLA wurde aus der Auftragung die Bindungskonstante KI´= 3,9 ± 2,2 × 10 5 M-1 ermittelt. Da die Streuungen der Konstanten der Nukleations-Komplexe sehr groß sind, ist die gefundene Größenordnung entscheidend. Zur Untersuchung des Einflusses der Verweildauer des Proteins auf der Oberfläche, wurden Desorptionsexperimente durchgeführt. In diesen Experimenten konnte eindeutig nachgewiesen werden, daß sich das Protein auf der Oberfläche weiter konformationell verändert unter einer Erhöhung der Bindungskonstanten um bis zu 6 Größenordnungen auf KIVA´= 1,4 ± 0,2 × 10 12 M-1 (für die Bindung an Quarzglas) und KIV´= 9,5 ± 1,4 × 10 10 M-1 (für die Bindung an PDLLA). Durch diese Unter-suchungen konnte erstmals die Dynamik eines Proteins während der Adsorption auf einer Oberfläche in verschiedenen kinetischen Stufen erfaßt werden. Diese Stufen entsprechen metastabilen Zuständen in einer Protein-Adsorptions-Desorptions-Hysterese.

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