Stress- und Sicherheitsempfinden – Chancen und Potenziale zur Förderung der Radverkehrssicherheit

  • Radfahren trägt zu einer Verbesserung der Lärm- und Luftqualität bei, wenn stattdessen weniger motorisierte Fahrzeuge genutzt werden. Für viele Interessierte ist es jedoch wichtige Voraussetzung, dass Radverkehrsanlagen stressfrei und sicher befahren werden können. Während sich die objektive Sicherheit im Unfallgeschehen widerspiegelt, existiert zur subjektiven Sicherheitswahrnehmung von Radfahrenden jedoch nur wenig gesichertes Wissen. Aus diesem Grund wurden mehrere Befragungen zur Erfassung des subjektiven Sicherheits- und Stressempfindens durchgeführt. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass diese beiden Empfindungen in engem Zusammenhang stehen. Das Stressempfinden wurde zusätzlich in einer Feldstudie gemessen. Durch die Befragungen und die Feldstudie konnten subjektiv empfundene Sicherheitsdefizite in innerstädtischen Radverkehrsnetzen identifiziert werden. Dabei zeigen die Auswertungen, dass hauptsächlich geringe Abstände zu fahrenden und parkenden Kfz sowie das besondere Dooring-Risiko bei seitlich parkenden Kfz einen hohen Einfluss auf das Stressempfinden von Fahrradfahrenden haben. Die Ergebnisse decken sich mit allgemein bekannten Unfallstellen und -ursachen im Radverkehr und den Befunden anderer Studien. Weiterhin konnten auch bisher nicht bekannte Stresspunkte und -auslöser identifiziert werden, wie signalisierte Knotenpunkte, Bordsteinkanten an Querungsstellen und dunkle Unterführungen. Das Fahren auf geschützten Radfahrstreifen sowie Radwegen, Wald- und Wirtschaftswegen, Fahrradstraßen und verkehrsberuhigten Bereichen hingegen wird als stressarm bewertet. Neben den Ursachen von subjektivem Stress im Radverkehr wurden ebenso Licht- und Assistenzsysteme hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Stressempfinden untersucht. Dabei zeichnet sich einerseits ein noch bestehender Forschungs- und Entwicklungsbedarf hinsichtlich Helligkeit und Verbreitung, andererseits auch eine sehr hohe Nutzungsbereitschaft ab. Durch die Nutzung der Systeme wird ein großer Sicherheitsgewinn erwartet, da sie Sichtverdeckungen (z. B. in Kreuzungsbereichen, an Grundstücksein- und -ausfahrten) ausgleichen und der Witterung und schlechten Lichtverhältnissen gegenüber unempfindlich sind. Aus den ermittelten Stresswerten der Befragungen und der Feldstudie wurde ein Bewertungsverfahren für Radverkehrsanlagen entwickelt, das eine Ergänzung der etablierten Verfahren darstellt. Die Bewertung erfolgt durch die Berechnung von Potenzialen zur Stressreduktion anhand eines Formblatts. Aus den Bewertungen lassen sich folgende Handlungsempfehlung zur Stressreduktion für Radfahrende ableiten: In Wohnquartieren empfiehlt sich die Führung über verkehrsberuhigte Bereiche oder Fahrradstraßen. An Hauptstraßen eröffnet eine Reduzierung der zulässigen Geschwindigkeit auf 30 km/h sowie die Führung über geschützte Radfahrstreifen und Radwege die größten Potenziale. Bei der Gestaltung von Knotenpunkten werden Einmündungen und geschützte Kreuzungen angeraten. Weitere Stressreduktionen sind durch die Nutzung von Licht- und Assistenzsystemen zu erwarten. Die Potenziale der Stressreduktion können jedoch nur ausgeschöpft werden, wenn die Streckenabschnitte Teil eines durchgängigen Radverkehrsnetzes sind. Der Fokus von Maßnahmen für den Radverkehr sollte daher auf der Einrichtung bzw. Vervollständigung eines Radverkehrsnetzes über stressarme Routen liegen, um den Radverkehr weiter zu fördern.
  • Cycling helps improve noise and air quality when fewer motorized vehicles are used instead. For many interested people, however, it is an important prerequisite that cycling infrastructures can be used safely and without stress. While objective safety is reflected in the number of accidents, there is little reliable knowledge about the subjective safety perception of cyclists. For this reason, several surveys to record subjective perceptions of safety and stress were conducted. The survey results show that these two sentiments are closely related. The percepon of stress was additionally measured in a field study. Through the surveys and field study, deficits in subjectiv safety in inner-city cycling networks could be identified. The evaluations show that mainly small distances to moving and parked vehicles as well as the dooring risk with parked vehicles have a high influence on the stress perception of cyclists. These results are consistent with generally known accident occurence and causes in bicycle traffic and the findings of other studies. Furthermore, also previously unknown stress points and triggers could be identified, such as signalized intersections, curbs at crossing points and dark underpasses. Riding on protected bike lanes as well as bike paths, forest roads, bike lanes and areas with little traffic on the other hand, is rated as little stressful. In addition to the causes of subjective stress in cycling, lighting and assistance systems were also investigated with regard to their effect on the subjective stress. On the one hand, there is still a need for research and development with regard to brightness and distribution, on the other hand, there is a very high willingness to use the systems. The use of the systems is expected to provide a major safety benefit by equalizing visibility obstructions (e.g. in intersections, at property entrances and exits) and being impervious to weather and low-light conditions. From the determined stress values of the surveys and the field study, an evaluation procedure for bicycle facilities was developed, which is a supplement to the established procedures. The evaluation is done by calculating potentials for stress reduction using a form. The assessments result in the following recommended actions for reducing stress for bicyclists: In residential neighborhoods, routing through areas with little traffic or bicycle lanes is recommended. On main roads, a reduction of the permitted speed to 30 km/h and guidance via protected bike lanes and bike paths opens up the greatest potential. When designing intersections, t-junctions and protected crossings are advised. Further stress reduction can be expected through the use of lighting and assistance systems. However, the potential for stress reduction can only be realized if the road sections are part of a continuous cycling network. The focus of measures for cycling should therefore be on establishing or completing a cycling network via low-stress routes in order to a further promotion of cycling.

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Metadaten
Author:Nicolas Mellinger
URN:urn:nbn:de:hbz:386-kluedo-71102
DOI:https://doi.org/10.26204/KLUEDO/7110
Series (Serial Number):Grüne Reihe / Technische Universität Kaiserslautern, Fachgebiet Mobilität & Verkehr (74)
Advisor:Wilko Manz, Daniel Görges
Document Type:Doctoral Thesis
Language of publication:German
Date of Publication (online):2023/01/17
Year of first Publication:2023
Publishing Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Granting Institution:Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Acceptance Date of the Thesis:2022/11/02
Date of the Publication (Server):2023/01/17
Tag:Potenzialbestimmung; Radverkehr; Sicherheit; Stressmessung
GND Keyword:Radfahrerverkehr
Page Number:XI, 421
Faculties / Organisational entities:Kaiserslautern - Fachbereich Bauingenieurwesen
DDC-Cassification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 620 Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau
Licence (German):Creative Commons 4.0 - Namensnennung, nicht kommerziell, keine Bearbeitung (CC BY-NC-ND 4.0)