Dokument: Die literarische Körperkodierung des Décadent

Titel:Die literarische Körperkodierung des Décadent
Weiterer Titel:The literary coding of the Décadent’s body
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20210505-110917-3
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Kleier, Anne [Autor]
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Dateien vom 14.04.2021 / geändert 14.04.2021
Beitragende:Prof. Dr. Kallweit, Hilmar [Gutachter]
Prof. Dr. Schönborn, Sibylle [Gutachter]
Stichwörter:Ästhetizismus, Dekadenz, Décadence, Jahrhundertwende, Fin de Siècle, Huysmans, Wilde, Hofmannsthal, Schopenhauer, Nietzsche, Lehre vom Verbrecher, Körper, Leib, Krankheit, Degeneration, Flucht, Kunst, Ersatzkörper, Transhumanismus, Physiognomie, Physiognomik, Pathognomik, Gegen den Strich, À Rebours, Das Bildnis des Dorian Gray, The picture of Dorian Gray, Das Märchen der 672. Nacht, Dandy, Décadent
Dewey Dezimal-Klassifikation:800 Literatur » 830 Deutsche Literatur, Literatur in verwandten Sprachen
Beschreibungen:Diese literarhistorische Studie befasst sich mit dem Lebensprogramm der Décadents zur Zeit der Jahrhundertwende in Joris-Karl Huysmans Gegen den Strich (1884), Oscar Wildes Das Bildnis des Dorian Gray (1890) und Hugo von Hofmannsthals Das Märchen der 672. Nacht (1895). Besondere Berücksichtigung findet das in dem jeweiligen Lebensprogramm deutlich werdende Verhältnis zu Körper, Leib und Leben. Es wird aufgezeigt, dass die Opposition der Décadents zu Gegebenem weiter reicht, als bisher in der Forschungsliteratur entwickelt. Sie revoltieren nicht nur gegen zeitgenössische Haltungen und die Gesellschaft (etwa das positivistische Körperverhältnis, utilitaristische Denken, herrschende Moral, Konventionen), sie lehnen sich gegen jegliche Prägung und Determination auf und begehen eine intellektuell-ästhetisch konzipierte Körper-, Leibes- und Lebensflucht. Ein damit verfolgtes Ziel ist es, sich von der natürlichen Aussagekraft des Körpers und seiner Beschaffenheit zu befreien. Dabei zeigen sie ein experimentelles ästhetisches Verhältnis zu ihrem Körper, den sie nicht nur manipulieren und für ihren autonomen Selbstausdruck inszenieren, sondern auch demontieren: Ihre Rebellion gegen jedwede leibliche Einschränkung findet in der Nachaußenverlagerung bestimmter Aspekte des Individuums in ästhetizistische Objekte ein neues Feld. Damit vollziehen sie einen Entwicklungsschritt im Rahmen der Körperkodierung auch unter dem Aspekt etwa ausgewählter Ersatzkörper.
Diesem ästhetizistischen (Flucht-)Programm werden jedoch leibliche Schranken gesetzt: durch eine in den Texten lesbar gemachte Krankheitsgenese, eine physiognomische und pathognomische Zeichnung der Figuren vermittels einer höheren Macht – dem Leben. Anhand von Überlegungen Schopenhauers und Nietzsches zur Leibthematik und Nietzsches Neubewertung von Krankheit und Verbrechen werden die in den Texten indirekt vorgenommenen Bewertungen über die Ansichtigkeit der Figuren und über (Nicht-)Bestrafungen erhellt und in einen neuen Kontext gestellt. Resultat ist, dass die Décadents vor diesem Hintergrund vor allem scheitern, weil sie die gegebene Leibeinheit unterminieren und das Leben missachten, nicht jedoch, weil sie sich gesellschaftlichen Konventionen und Gesetzen widersetzen. Auch scheitern sie nicht grundsätzlich nur, weil sie von vornherein erblich degeneriert sind, sondern, weil sie sich willentlich dazu entscheiden, gesetzte Schranken zu überschreiten – was der Selbstverantwortlichkeit des Individuums wieder mehr Gewicht verleiht.
Die Studie zeigt, dass die vermittels der Ansichtigkeit von Körpern und Gegenständen angelegte Bedeutungsebene auch als ein Spezifikum der Literatur der Décadence gelten kann, die vom Grundgedanken des Ästhetizismus her das Ansehen als Schlüssel ihrer Erfahrung und Deutung der Welt begreift.

This literary and historical study deals with the life concepts of the decadents at the turn of the century in Joris-Karl Huysman's A Rebours (1884), Oscar Wilde's The Picture of Dorian Gray (1890) and Hugo von Hofmannsthal's Das Märchen der 672. Nacht (1895). Special consideration is given to the relationship of physical body (‘Körper’), overall being as one unit (‘Leib’) and life (‘Leben’), which becomes apparent in the protagonists’ respective lifestiles. It is shown, that the opposition of the decadents to given conditions goes further than what has been developed in research literature so far: Not only do they revolt against contemporary attitudes and society (such as the positivistic body relationship, utilitarian thinking, prevailing morality, conventions), they rebel against all imprinting and determination and commit a both intellectual and aesthetical escape from their ‘Körper’, ‘Leib’ and ‘Leben’. They aim at freeing themselves from the natural expressiveness of their bodies and thereby show an experimental aesthetic relationship towards their physical form, which they do not only manipulate and modulate for their autonomous self-expression but they also disassemble it: Their rebellion against bodily restrictions conquers a new field by relocating certain aspects of the individual into aesthetic objects. In doing so, they undergo a development within the context of body coding , as well as in reference to the aspect of selected surrogate bodies.
This aesthetic escape program, however, is subject to physical barriers: by means of a genesis of illness made legible in the texts by a physiognomic and pathognomic inscription of the figures by means of a higher power - life. On the basis of Schopenhauer’s and Nietzsche’s reflections on the subject of the body (‘Leib’) and Nietzsche’s reconsiderations of illness and crime, the indirect assessments expressed in the text – by the altered visual appearance of the characters and them being (not being) punished for certain things – are illuminated and placed in a new context. Against this background the decadents mainly fail because they undermine the given body unit (‘Leib’) and disregard life, but not because they defy social conventions and laws. Fundamentally they don’t fail because they simply are a product of hereditary degeneration, but because they willingly decide to exceed set limits. This, again, puts more emphasis on the individual’s responsibility.
The study shows that the category of meaning created through the visual appearance of bodies and objects can also be considered a specific feature of the literature of decadence which, based on the general idea of aestheticism, understands vision and observation as the key to their experience and interpretation of the world.
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Fachbereich / Einrichtung:Philosophische Fakultät » Germanistisches Seminar » Neuere deutsche Literaturwissenschaft (II)
Dokument erstellt am:05.05.2021
Dateien geändert am:05.05.2021
Promotionsantrag am:21.01.2020
Datum der Promotion:18.11.2020
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