Modellierung primärer multisensorischer Mechanismen der räumlichen Wahrnehmung

Abstract The presented work concerns visual, aural, and multimodal aspects of spatial perception as well as their relevance to the design of artificial systems. The scientific approach chosen here, has an interdisciplinary character combining the perspectives of neurobiology, psychology, and computer science. As a result, new insights and interpretations of neurological findings are achieved and deficits of known models and applications are named and negotiated. In chapter one, the discussion starts with a review on established models of attention, which largely disregard early neural mechanisms. In the following investigations and experiments, the basic idea can be expressed as a conceptual differentiation between early spatial attention and higher cognitive functions. All neural mechanisms that are modelled within the scope of this work, can be regarded as primary and object-independent sensory processing. In chapter two and three the visual and binaural spatial representations of the brain and the specific concept of the computational topography in the central auditory system are discussed. Given the restriction of early neural processes, the aim of the actual multisensory integration, as it is described in chapter four, is not object classification or tracking but primary spatial attention. Without task- or object-related requirements all specifications of the model are derived from findings about certain multisensory structures of the midbrain. In chapter five emphasis is placed on a novel method of evaluation and parameter optimization based on biologically inspired specifications and real-world experiments. The importance of early perceptional processes to orienting behaviour and the consequences to technical applications are discussed.

In der vorliegenden Arbeit werden visuelle, auditive und multimodale Formen der räumlichen Wahrnehmung und deren Relevanz für den Entwurf technischer Systeme erörtert. Der dabei vertretene wissenschaftliche Ansatz hat interdisziplinären Charakter und berücksichtigt im Umfeld der Neuroinformatik und Robotik methodische Aspekte der Neurobiologie, Wahrnehmungspsychologie und Informatik gleichermaßen. Im Ergebnis sind einerseits neue und weitergehende Interpretationen der Befunde über die natürliche Wahrnehmung möglich. Andererseits werden Defizite bestehender Simulationsmodelle und technischer Anwendungen benannt und überwunden. Den Ausgangspunkt der Untersuchungen bildet in Kapitel 1 die Diskussion und kritische Wertung etablierter Aufmerksamkeitsmodelle der Wahrnehmung, in denen frühe multisensorische Hirnfunktionen weitgehend unbeachtet bleiben. Als Grundgedanke der folgenden Untersuchungen wird die These formuliert, dass eine konzeptionelle Trennung zwischen primärer Aufmerksamkeit und höheren kognitiven Leistungen sowohl die Einordnung von sensorischen Merkmalen und neurologischen Mechanismen als auch die Modellierung und Simulation erleichtert. In den Kapiteln 2 und 3 werden zunächst die primären räumlichen Kodierungen der zentralen Hörbahn und des visuellen Systems vorgestellt und die Spezifika von projizierten und berechneten sensorischen Topographien beschrieben. Die anschließende Modellierung von auditorisch-visuellen Integrationsmechanismen in Kapitel 4 dient ausdrücklich nicht der Klassifikation oder dem Tracking von Objekten sondern einer frühen räumlichen Steuerung der Aufmerksamkeit, die im biologischen Vorbild unbewusst und auf subkortikalem Niveau stattfindet. Nach einer Erörterung der wenigen bekannten Modellkonzepte werden zwei eigene multisensorische Simulationssysteme auf Basis künstlicher neuronaler Netze und probabilistischer Methoden entwickelt. Kapitel 5 widmet sich der systematischen experimentellen Untersuchung und Optimierung der Modelle und zeigt, wie unbewusste Wahrnehmungsleistungen und deren Simulation unter Bezugnahme auf qualitative und quantitative Befunde über multisensorische Effekte im Mittelhirn evaluiert werden können. Die Diskussion des Modellverhaltens in realen audio-visuellen Szenarien soll unterstreichen, dass die frühe Steuerung der Aufmerksamkeit noch vor der Objekterkennung einen wichtigen Beitrag zur räumlichen Orientierung leistet.

Zitieren

Zitierform:
Zitierform konnte nicht geladen werden.