Die Entwicklung des Interesses an naturwissenschaftlichen Tätigkeiten : Quer- und längsschnittliche Analysen zu Verlauf und Einflussfaktoren der Interessenentwicklung im Chemieunterricht der Sekundarstufen I und II

Promoting and maintaining students’ interest in chemistry, as well as its content, language and the characteristic ways in which knowledge is acquired, is a central goal of chemistry education. The prominent role of interest in education, e.g. in standards and curricula, can be justified by the positive effects of interest on learning processes, achievements and achievement related choices. In addition, interest plays a crucial role in the development of students’ self-concept, which, in the case of chemistry education, ideally manifests itself in students’ identification with chemistry. Interest does not only influence students’ educational trajectory, but also influence their vocational vita. However, Empirical findings repeatedly indicate a decline of students’ interest in science subjects across grade levels. Furthermore, students predominantly decide against taking up classes as well as subsequent studies or a vocation in some form of science. A determining factor to attract more students to scientific professions is the promotion of interest even during schooling. The need for purposefully fostering students’ interest was stated by Dierks et al. (2014b) and Blankenburg, Höffler, and Parchmann (2016), on the assumption that for a significant and sustainable increase of students’ interest sophisticated insights into their interest profile are indispensable. In such way, existing interests could be targeted and new interests triggered by teachers. To gain a more precise picture of students’ interest, the RIASEC+N model of interest was developed, which discriminates between interest in contexts, contents and students’ school science activities. The present research takes up existing findings and addresses open questions concerning (a) the development of students’ interest in chemistry across lower and upper secondary school, (b) the relation between students’ interest and their understanding of fundamental concepts (conceptual understanding) and (c) the relation between interest and enjoyment as well as interest and utility values. The main focus of this research lies on the analysis of the relation between interest and conceptual understanding. Based on the generic model of interest development by Hidi and Renninger (2006) and Eccles et al.’s Expectancy-Value Theory (Eccles et al., 2015) bidirectional, positive (i.e., reciprocal) relations between interest and conceptual understanding where hypothesized. In order to answer the research questions, data of the research project Development of Learning in Science was utilized for cross and longitudinal analysis. The results indicated a decrease in chemistry interest with increasing grade level across all seven interest dimensions of the RIASEC+N model whereby initial interest levels and corresponding subsequent decreases varied significantly between interest dimensions. Results of latent cross-lagged models suggested no reciprocal effects between interest and conceptual understanding for lower secondary students. However, for upper secondary students the findings suggested that interests in activities associated with cognitive activation or the communication of knowledge may be reciprocally related. Furthermore, positive effects of students’ prior enjoyment on subsequent interest as well as positive effects of interest on utility vales were shown. In summary, the results support the need of fine-grained analysis of students’ interest to reveal specific impacts of interest on learning and to design fitting student enrichment programs. At the same time the results underline the importance of interest for students’ knowledge acquisition and the development of utility values, i.e., the perceived usefulness for society and oneself. Interest can be considered as an important factor for the transmission of knowledge and skills and the development of one’s self-concept and should therefore be considered an important factor in any academic situation. Future research can build on our results to create a better and more complete picture for understanding the development of interest in school science activities depending on the quantity and quality of corresponding learning opportunities.

Die Etablierung eines Interesses an der Chemie, ihren Inhalten, ihrer Sprache sowie ihren spezifischen Denk- und Arbeitsweisen ist ein zentrales Ziel des Chemieunterrichts. Diese pointierte Stellung des Interesses aufgrund normativer Zielsetzungen ist durch positive Effekte des Interesses auf Lernprozesse und -erfolge sowie Wahlentscheidungen bedingt. Zudem ist das Interesse ein wichtiger Faktor der Entwicklung des Selbstkonzepts, das sich hinsichtlich des Chemieunterrichts idealiter in der Identifikation von Schülerinnen und Schülern mit der Domäne der Chemie äußert. Das Interesse beeinflusst somit nicht nur die schulische Laufbahn, sondern gleichfalls bspw. über Karriereaspirationen die berufliche Vita. Empirische Forschungsartikel zeigen jedoch wiederholt, dass das Interesse der Schülerinnen und Schüler an den Naturwissenschaften mit steigender Jahrgangsstufe fällt. Hinzu kommt, das die Schülerinnen und Schüler sich überwiegend gegen den Unterricht sowie ein subsequentes Studium bzw. einen Beruf mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt entscheiden. Eine entscheidende Stellschraube, um Schülerinnen und Schüler für das langfristige, professionelle Engagement in naturwissenschaftlichen Bereichen zu gewinnen, ist die Förderung des Interesses schon während der Schulzeit. Den Bedarf an einer gezielten Interessenförderung griffen Dierks, Höffler und Parchmann (2014b) und Blankenburg, Höffler und Parchmann (2016) in ihren Forschungsarbeiten unter der Prämisse auf, dass für eine erfolgreiche Steigerung des Interesses differenzierte Kenntnisse über die Interessenprofile der Schülerinnen und Schüler vorliegen müssen. So könnten gezielt vorhandene Interessen angesprochen bzw. neue Interessen hervorgerufen werden. Um die notwendigen differenzierten Einblicke in die Interessenstrukturen der Schülerinnen und Schüler erzielen zu können, wurde das RIASEC+N Interessenmodell entwickelt, das zwischen dem Interesse an Kontexten, Inhalten und naturwissenschaftlichen Tätigkeiten diskriminiert. Die vorliegende Arbeit knüpft hieran an und widmet sich offen gebliebenen Fragestellungen nach (a) der Interessenentwicklung im Chemieunterricht der Sekundarstufe I und II, (b) den Zusammenhängen zum Verständnis fundamentaler chemischer Konzepte (Konzeptverständnis) sowie (c) den Zusammenhängen zur Lernfreude und der wahrgenommenen Nützlichkeit. Der Fokus der Forschungsarbeit lag auf der Analyse des Zusammenhangs zwischen dem Interesse und dem Konzeptverständnis, wobei ausgehend von dem generischen Interessenmodell sensu Hidi und Renninger (2006) und dem Erwartungs-Wert-Modell sensu Eccles, Fredricks und Epstein (2015) von beidseitigen, positiven (i.e., reziproken) Effekten zwischen Interesse und Konzeptverständnis ausgegangen wurde. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde auf Daten des Forschungsprojekts Development of Learning in Science rekurriert und quer- und längsschnittliche Analysen vorgenommen. Die Ergebnisse indizieren, unabhängig von der fokussierten naturwissenschaftlichen Tätigkeit, eine Abnahme des chemiebezogenen Interesses mit steigender Jahrgangsstufe, wobei sowohl die Ausprägungen des initial gemessenen Interesses als auch der nachfolgenden Interessenabfälle tätigkeitsspezifisch waren. In Hinblick auf die Zusammenhänge zwischen dem Interesse und dem Konzeptverständnis indizieren die Befunde, dass in der Sekundarstufe I keine reziproken Effekte zwischen den Konstrukten vorliegen, in der Oberstufe jedoch das Interesse an Tätigkeiten, die mit kognitiv aktivierenden Prozessen und der Wissenskommunikation assoziiert sind, reziprok mit dem Konzeptverständnis zusammenhängen. Weiterhin konnten, bei Kontrolle des Konzeptverständnisses, positive Effekte der Lernfreude auf das subsequente Interesse sowie des Interesses auf die wahrgenommene Nützlichkeit gezeigt werden. Diese Befundlage stützt die Notwendigkeit differenzierter Analysen des Interesses, um seine spezifischen Wirkmechanismen aufzudecken und passende Fördermaßnahmen zu konzipieren. Zeitgleich betonen die Ergebnisse die Bedeutung des Interesses für den Wissenserwerb und die wahrgenommenen Nützlichkeit für die Gesellschaft und das Individuum. Das Interesse kann als wichtiger Faktor für die Vermittlung von Kenntnissen und für die Entwicklung des Selbstkonzepts angesehen werden und sollte entsprechend bei der Unterrichtsgestaltung miteinbezogen werden. Auf der anderen Seite zeigen die Ergebnisse, dass noch weitere Forschung notwendig ist, um die Entwicklung des Interesses an naturwissenschaftlichen Tätigkeiten in Abhängigkeit der Quantität und Qualität korrespondierender Lernangebote besser zu verstehen.

Rechte

Nutzung und Vervielfältigung:

Keine Lizenz. Es gelten die Bestimmungen des deutschen Urheberrechts (UrhG).

Bitte beachten Sie, dass einzelne Bestandteile der Publikation anderweitigen Lizenz- bzw. urheberrechtlichen Bedingungen unterliegen können.

Zitieren

Zitierform:
Zitierform konnte nicht geladen werden.