Quantendynamik größerer Moleküle anhand reduziert-dimensionaler Modelle: Methoden und Anwendungen eines universellen Zugangs

Die exakte quantenmechanische Behandlung molekularer Systeme mit mehr als drei oder vier Atomen ist noch heute eine große Herausforderung. Die Ursache dafür liegt in dem nicht-lokalen Charakter der Quantenmechanik, der eine exponentielle Skalierung des numerischen Aufwands mit der Anzahl der Freiheitsgrade bewirkt. Reduziert-dimensionale Modelle sind ein hervorragendes Mittel, um dieses Problem zu umgehen, da sie es erlauben, sich lediglich auf die Freiheitsgrade zu konzentrieren, die entscheidend an einer Reaktion beteiligt sind. Allerdings sind die meisten Programme in diesem Forschungsgebiet nicht universell einsetzbar, sondern müssen für jedes neu betrachtete System umgeschrieben werden. In dieser Arbeit wurde ein allgemeines Programm zur Lösung der zeitabhängigen und zeitunabhängigen Schrödingergleichung beliebiger Systeme entwickelt. Insbesondere existiert keine Einschränkung bezüglich der Anzahl und Art der Freiheitsgrade, die exakt behandelt werden. Für größere Systeme können drei reduziert-dimensionale Modelle unterschiedlicher Güte eingesetzt werden. Des Weiteren kann die Geometrie des Moleküls sehr komfortabel über eine Z-Matrix angegeben werden, wie es auch in vielen Quantenchemie-Programmen üblich ist. Um die korrekte Arbeitsweise des neuen Programms zu überprüfen, wurden dessen Ergebnisse mit denen anderer, bereits etablierter Programme und mit Ergebnissen der veröffentlichten Literatur verglichen. Die Vergleiche beinhalteten das Photoelektronenspektrum von FH_2^-, die nicht-adiabatische Dynamik von Pyrazin und hoch angeregete Schwingungszustände von HCN. Als Anwendungsbeispiel wurde der Doppelprotonentransfer im Pyrazol-Guanidin"-system untersucht. Die Potentialenergiefläche dieses Systems zeigt eine sehr ungewöhnliche plateauartige Region nahezu konstanter Energie in der Wechselwirkungsregion anstelle eines wohldefinierten Übergangszustands. Bis dato wurden diese sogenannten Plateaureaktionen nur im Rahmen klassisch-dynamischer Rechnungen untersucht. Im Zuge dieser Arbeit konnten diese Rechnungen auf die quantenmechanische Ebene erweitert werden, wozu u.a. die kumulative Reaktionswahrscheinlichkeit berechnet wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass sich diese Systeme auch im quantenmechanischen Bild von den Lehrbuchfällen ein- und mehrstufiger Reaktionsmechanismen unterscheiden. Des Weiteren wurde der intramolekulare Protonentransfer von Malonaldehyd (MA) untersucht, um die Ergebnisse der berechneten Tunnelaufspaltung mit den experimentell bestimmten Werten von 21.59 cm^-1 für MA und 2.91 cm^-1 für das deuterierte Isotop zu vergleichen. Dazu wurden zunächst mehrere eindimensionale Rechnung unter Verwendung verschiedener reduziert-dimensionaler Modelle durchgeführt. Das Versagen der Modelle zeigte, dass es sich um einen mehrdimensionalen Tunnelprozess handelt, der nicht nur durch eine Reaktionskoordinate beschrieben werden kann. In Konsequenz wurden mehr Freiheitsgrade exakt behandelt und die berechneten Tunnelaufspaltungen ergaben sich zu 22.6 cm^-1 für MA und 3.3 cm^-1 für das Isotop. Diese Werte stimmen sehr gut mit dem Experiment überein.

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