"Wir haben nicht einen Bettler unter uns" : Studien zur Sozialgeschichte der frühen Quäkerbewegung

Die Quäkerbewegung entsteht 1652 in Nordwestengland vor dem Hintergrund des Engli-schen Bürgerkriegs und des Protektorats Oliver Cromwells. Ihre politischen Stellungnahmen weisen die Quäker als Sympathisanten der Parlamentsarmee und eines von optimistischen Endzeiterwartungen geprägten politischen Programms aus. Christopher Hill hat die Quäker im Rahmen eines marxistisch orientierten Revolutionsmo-dells als unterbürgerliche radikale Revolutionäre gesehen, die eine Radikalisierung der von ihm postulierten Englischen Revolution betrieben. Christopher Hills „große Erzählung“ wie auch die Weber-These gehen davon aus, dass die Quäker ursprünglich arm waren und durch eine besondere, religiös motivierte Arbeitsethik zu Wohlstand gelangten. Diese unbewiesene Annahme wird durch die hier vorgelegte regional-geschichtliche Untersuchung im Ursprungsgebiet der Quäkerbewegung auf breiter Quellen-basis (Testamente und Nachlassverzeichnisse, Herdsteuerlisten, Verzeichnisse von Frei-bauern, Selbstinterpretation) empirisch überprüft und widerlegt. Auf der Grundlage derselben Quellengattungen wird der direkte Vergleich zwischen Quäkern und umfangreichen Stichproben aus der Gesamtbevölkerung durchgeführt. Ferner werden die Besonderheiten der von Quäkern bewohnten Kirchspiele hinsichtlich der Bevölkerungs-dichte, des relativen Wohlstands der Bewohner, ihrer Alphabetisierung, der Intensität der Grundherrschaft und der politischen Parteinahme der Grundherren im Bürgerkrieg aufge-zeigt. Es zeigt sich, dass die Quäker überdurchschnittlich wohlhabend waren, ehe sie Quäker wur-den. Auch kann gezeigt werden, dass es in der Region zuvor so gut wie keine puritanische Tradition gab, so dass zu folgern ist, dass ihr Wohlstand – anders als vor dem Hintergrund der Weber-These zu erwarten – vor dem Anschluss an eine im weitesten Sinn „puritanische“ religiöse Bewegung etabliert war. Keinesfalls kann ihre politische Parteinahme – wie von Christopher Hill postuliert – durch eine Zugehörigkeit zu einer Unterschicht erklärt werden. Eine selbstbewusste bäuerliche und bürgerliche Bevölkerung nimmt gegen den König Partei, darin zunächst gefördert durch aristokratische Grundherren, die ebenfalls die Partei des Par-laments ergriffen haben und Prediger unterstützen, die antiroyalistische Propaganda verbrei-ten. Während sich die Forderungen der auch in der Parlamentsarmee vertretenen Mittel-schicht radikalisieren, ergreifen Angehörige dieser Schichten einen von den einstigen Förde-rern unabhängigen Standpunkt, der sich u.a. in ihrem Anschluss an die Quäkerbewegung äußert.

The Quaker movement originates in North West England against the background of the Eng-lish Civil Wars and Oliver Cromwell’s Protectorate. Their political statements show them to be sympathisers of the Parliamentary army and of a political programme motivated by opti-mistic eschatological expectations. As part of a Marxist model of revolutions Christopher Hill has depicted them as lower class revolutionaries who agitated in favour of a more radical revolution, leaving behind the bour-geois English Revolution. Christopher Hill’s “master narrative” and the Weber thesis presuppose that Quakers were originally poor and became wealthy as the result of a religiously motivated work ethic. This unproven supposition is here falsified by empirical research based on a wide range of sources (wills and inventories, hearth tax lists, freeholders’ lists, self interpretation) taken from a region where the Quaker movement originated. A direct comparison based on the same source material is made between the Quakers and large samples for the general population of the sub-regions. In addition, the special charac-teristics of the parishes inhabited by Quakers are identified as to the density of population, the relative wealth of their inhabitants, the degree of literacy, the intensity of manorial control and the part taken by the lords of manors in the civil war. Quakers’ wealth is shown to have been above average before they became Quakers. It can also be shown that in the region there had been no Puritan tradition to speak of so that it may be concluded that their wealth was firmly established before they joined any Puritan move-ment in the widest sense – a fact that does not fit into the Weber thesis. Unlike Christopher Hill’s suggestive interpretation it impossible to explain the part they took in politics by postu-lating that they belonged to a non-propertied part of society. A self-confident population of propertied men and women in the countryside and in the towns joins those who fight against the king, initially supported by aristocratic lords of manors who have also opted for Parliament and patronise preachers who act as propagandists against the royalist party. The claims made by the pious middle class become more radical and members of that class propagate views that show how they have emancipated themselves from their former patrons, an attitude reflected in the rise of the Quaker movement.

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