Erfassung und Entwicklung des naturwissenschaftlichen Interesses von Vorschulkindern

Naturwissenschaften werden in der deutschen und der internationalen Bildungsdebatte als ein wichtiger Schwerpunkt für das frühkindliche Lernen angesehen. In Deutschland sind sie als ein eigener Bildungsbereich in den Bildungsplänen für den Elementarbereich fest verankert (JMK & KMK, 2004; KMK, 2009). Beim frühen naturwissenschaftlichen Lehren und Lernen besteht international eine Orientierung am Bildungskonzept Scientific Literacy. Dieses Konzept berücksichtigt neben kognitiven Facetten auch affektive Aspekte, wie beispielsweise Interesse. Ziel einer frühen naturwissenschaftlichen Grundbildung ist demnach auch die Entwicklung einer interessierten Haltung gegenüber naturwissenschaftlichen Inhalten und Tätigkeiten. Interesse wird in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an die Pädagogische Interessentheorie der Münchner Gruppe als eine besondere Beziehung einer Person zu einem Gegenstand definiert. Über das naturwissenschaftliche Interesse von Vorschulkindern liegen bislang kaum empirische Erkenntnisse vor. Damit verbunden fehlen standardisierte Erhebungsinstrumente zur Erfassung des naturwissenschaftlichen Interesses von Vorschulkindern. Zielperspektive der vorliegenden Arbeit ist deshalb die Entwicklung eines Fragebogens, der das naturwissenschaftliche Interesse von Vorschulkindern objektiv, reliabel und valide erfasst. Mit Hilfe dieses Fragebogens sollen empirische Erkenntnisse,zur Ausprägung des naturwissenschaftlichen Interesses, zu geschlechtsspezifischen Interessenunterschieden, zum Zusammenhang zwischen naturwissenschaftlichem Interesse und Wissen sowie familiären Merkmalen und zum Einfluss naturwissenschaftlicher Lehr-Lernangebote auf das kindliche Interesse gewonnen werden. Der Zielperspektive und den Forschungsfragen wurde in zwei aufeinander aufbauenden Teilstudien nachgegangen. Die erste Teilstudie ist eingebunden in das SnaKE-Projekt, welches die Entwicklung und Unterstützung der naturwissenschaftlichen Kompetenz von Kindern im letzten Kindergartenjahr in einem quasi-experimentellen Design untersucht. Im Rahmen der Teilstudie 1 wurde ein Fragebogen zum naturwissenschaftlichen Interesse von Vorschulkindern entwickelt. Mit diesem wurde im SnaKE-Projekt das Interesse von 257 Vorschulkindern an naturwissenschaftlichen Inhalten und Tätigkeiten erfasst. Aus drei der Rankingfragen wurde die Skala naturwissenschaftliches Interesse I gebildet. Diese Skala zeigt – bis auf eine Ausnahme – akzeptable Trennschärfen, aber niedrige Reliabilitätswerte. Korrelationsanalysen liefern fundierte Hinweise, die für die Validität der Skala sprechen. Sie weisen u.a. auf einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen dem naturwissenschaftlichen Interesse und Wissen der Vorschulkinder hin. Die Ergebnisse der Teilstudie 1 zeigen außerdem, dass naturwissenschafts-affine Merkmale, wie das naturwissenschaftliche Engagement der Eltern und naturwissenschaftliche Gegenstände im Haushalt, in einem bedeutsamen, positiven Zusammenhang mit dem naturwissenschaftlichen Interesse der teilnehmenden Kinder stehen. Indikatoren des sozialen, familiären Hintergrunds sowie das elterliche Interesse an Naturwissenschaften korrelieren positiv, aber nicht signifikant mit dem kindlichen Interesse an Naturwissenschaften. Die Jungen, die an der Hauptuntersuchung der ersten Teilstudie teilnahmen, zeigen ein signifikant höheres Interesse an naturwissenschaftlichen Inhalten als die befragten Mädchen. Im Rahmen der ersten Teilstudie wurde zudem der Einfluss naturwissenschaftlicher Lehr-Lernangebote auf das naturwissenschaftliche Interesse der Vorschulkinder untersucht. Dabei wurden zwei Merkmale - die Durchführung von Experimenten und das Sprechen über naturwissenschaftlich relevante Alltagssituationen - systematisch variiert. Die Ergebnisse zeigen, dass nur die Teilnahme an der Experimentalgruppe EG3 - der Kombination aus Experimentieren und Sprechen über naturwissenschaftlich relevante Alltagssituationen - unter Konstanthaltung relevanter Prädiktoren einen im Vergleich zur Baselinegruppe signifikant positiven Effekt auf das naturwissenschaftliche Interesse der Vorschulkinder hat. Für die beiden weiteren Experimentalgruppen - dem Experimentieren (EG1) und dem Sprechen über naturwissenschaftlich relevante Alltagssituationen (EG2) - ließen sich positive, aber nicht signifikante Einflüsse auf das kindliche Interesse finden. In der Teilstudie 2 wurde der Fragebogen weiterentwickelt, um das naturwissenschaftliche Interesse von Vorschulkindern im Vergleich zu anderen, kindgemäßen Inhaltsbereichen breiter zu erfassen. Der Fragebogen wurde mit 110 Vorschulkindern erprobt. Aus elf der erprobten Rankingfragen wurde die Skala naturwissenschaftliches Interesse II gebildet. Die Ergebnisse zeigen zufriedenstellende Reliabilitätswerte. Bis auf eine Ausnahme sind die Korrelationsergebnisse erwartungskonform und sprechen für die Validität der Skala naturwissenschaftliches Interesse II. In weiteren Analysen konnte nachgewiesen werden, dass die teilnehmenden Kinder ein signifikant höheres Interesse an naturwissenschaftlichen Inhalten äußern als an den drei weiteren, erfassten Inhaltsbereichen (musisch, künstlerisch-kreativ und literarisch). Abermals konnte der Befund bestätigt werden, dass die befragten Jungen über ein signifikant höheres naturwissenschaftliches Interesse verfügen als die teilnehmenden Mädchen. Im Hinblick auf den Zusammenhang mit familiären Merkmalen konnten die Ergebnisse der Teilstudie 1 - mit einer Ausnahme - repliziert werden. Zusammenfassend zeigt die vorliegende Arbeit, dass die Skala naturwissenschaftliches Interesse I für Gruppenvergleiche geeignet erscheint. Mit der weiterentwickelten Skala naturwissenschaftliches Interesse II scheint es gelungen zu sein, das naturwissenschaftliche Interesse von jüngeren Kindern objektiv, reliabel und valide zu erheben.

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