Effective Strategies to Counter Science Denialism in Public

Die vorliegende Dissertation beschreibt die Konzeption und empirische Evaluation von Strategien im Umgang mit Wissenschaftsleugnern in öffentlichen Diskussionen. Ziel der Wissenschaftsleugnung (science denialism; Diethelm & McKee, 2009; Hansson, 2017; Lewandowsky, Mann, Brown, & Friedman, 2016) ist die Ablehnung eines wissenschaftlichen Konsens um finanzielle, politische oder psychologische Eigeninteressen durchzusetzen (Collomb, 2014; Hornsey & Fielding, 2017; Lewandowsky & Oberauer, 2016; Oreskes & Conway, 2011). So verbreitete beispielsweise die Tabakindustrie systematisch Falschinformationen, um den wissenschaftlichen Konsens über die tödlichen Folgen des Rauchens in Frage zu stellen und um den Zigarettenkonsum in der Bevölkerung zu sichern (Bates & Rowell, 2004; Bero, 2005; Brandt, 2012; Landman & Glantz, 2009; Ong & Glantz, 2000; Ong & Glantz, 2001; Oreskes & Conway, 2011; Proctor, 2012a, 2012b). Die historische Aufarbeitung des Vorgehens der Tabakindustrie gewährt wesentliche Einblicke über Motivationen, Strukturen und Strategien von Wissenschaftsleugnern im Allgemeinen (Proctor, 2012a; Hansson, 2017). Doch diese Einblicke allein können den Schutz der breiten Öffentlichkeit vor Wissenschaftsleugnern und ihren Falschinformationen nicht sicherstellen. Es bedarf Kommunikationsstrategien, die Fachwissen laienverständlich aufarbeiten und die menschliche Informationssuche, -verarbeitung und -integration berücksichtigen, um die Verbreitung von Falschinformationen zu mindern (Betsch, 2017; Iyengar & Massey, 2019; Lewandowsky, Ecker, & Cook, 2017). In einer Zeit in der die Gesellschaft für deutsche Sprache „postfaktisch“ zum Wort des Jahres 2016 gewählt hat (GfdS, 2016), in einer Zeit in der der amtierende US Präsident die Sinnhaftigkeit von Impfungen und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Klimawandelbekämpfung in Frage stellt (Dyer, 2016; Mann, 2019; Tollefson, 2016), und in einer Zeit in der Wissenschaft in Medien zu bloßen Meinung degradiert wird (Dixon & Clarke, 2013; Petersen, Vincent, & Westerling, 2019), wird die Notwendigkeit solcher Kommunikationsstrategien immer deutlicher (Betsch, 2017; Iyengar & Massey, 2019; Lewandowsky, Ecker, & Cook, 2017; van der Linden, Maibach, Cook, Leiserowitz, & Lewandowsky, 2017). Eine Wissenschaft, die solche Kommunikationsstrategien gestaltet und empirisch evaluiert ist die Psychologie. Bisherige psychologische Strategien zielen darauf ab, entweder die Öffentlichkeit vor Falschinformation zu warnen und Individuen mit Gegenargumenten auszurüsten bevor die Falschinformation Schaden anrichten kann (inoculation: McGuire, 1961a, 1961b; van der Linden et al., 2017), oder die Falschinformation zu korrigieren nachdem sie sich bereits als Überzeugung in den Köpfen der Öffentlichkeit manifestiert hat (debunking: Chan, Jones, Hall Jamieson, & Albarracín, 2017; Cook & Lewandowsky, 2011; Lewandowsky, Ecker, Seifert, Schwarz, & Cook, 2012). Debunking-Strategien sind effektive Interventionen zur Bekämpfung von Falschinformationen (Chan et al., 2017), die jedoch aufwendig konzipierte Informationsmaterialien benötigen, denn Individuen neigen dazu ihre Überzeugungen nicht leichtfertig aufzugeben, selbst wenn diese sich als fehlerhaft erweisen (Cook & Lewandowsky, 2011). Zudem können unbedachte Debunking-Strategien im schlimmsten Fall die Falschinformation sogar verstärken, anstatt sie zu eliminieren (Nyhan & Reifler, 2010; Schwarz, Sanna, Skurnik, & Yoon, 2007). Inoculation Strategien sind effektive Präventionsmaßnahmen zur Bekämpfung von Falschinformationen (Banas & Rains, 2010), die jedoch an zwei praktische Bedingungen gebunden sind. Erstens, die sogenannten Impfungen gegen fake-news können nur effektiv gestaltet werden, wenn vorab bekannt ist, gegen welche Falschinformation geimpft werden soll, das heißt, welche Falschinformation zukünftig eine Bedrohung für die Bevölkerung darstellt (Roozenbeek & van der Linden, 2019). Fehlt dieses Wissen, dann bergen Inoculation-Strategien das Risiko mehr Schaden anzurichten als abzuwenden, denn im schlimmsten Fall ist die Impfung selbst der einzige Berührungspunkt der Bevölkerung mit der Falschinformation. Zweitens, Präventionsmaßnahmen müssen die Öffentlichkeit vor dem Virus, das heißt, vor der Falschinformation, erreichen, um ihre Schutzfunktion zu entfalten. Um dies sicherzustellen wurden Inoculation-Strategien bereits in Schulprogramme integriert (Nsangi et al., 2017) oder ansprechend gestaltete Spiele konzipiert, die die Öffentlichkeit anregen soll sich mit den Inhalten von Inoculation-Strategien zu beschäftigen (Roozenbeek & van der Linden, 2019). Dennoch, der flächendeckende Zugang zu Impfungen gegen fake-news bleibt eine Herausforderung für die effektive Implementierung von Inoculation. Die vorliegende Dissertation beschreibt die Konzipierung und Evaluation einer dritten Möglichkeit dem Problem der Wissenschaftsleugnung zu begegnen. Die dritte Möglichkeit, das sogenannte rebuttal (Schmid & Betsch, 2019), basiert auf der Idee Falschinformationen genau in dem Moment als irreführend zu entlarven in dem sie im Begriff sind eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Rebuttal bedeutet, dass Fürsprecher von Wissenschaft den Wissenschaftsleugnern in öffentlichen Diskussionsformaten entgegentreten und im optimalen Fall von Journalisten durch flankierende Strategien (weight-of-evidence strategies; Schmid, Schwarzer & Betsch, 2019) unterstützt werden. Im Gegensatz zu Debunking-Strategien widerlegen Fürsprecher von Wissenschaft mit Rebuttal-Strategien Falschinformationen bevor diese sich als Überzeugung manifestieren. Im Gegensatz zu Inoculation-Strategien, erreicht ein Fürsprecher von Wissenschaft mit Rebuttal-Strategien die Öffentlichkeit immer dann, wenn sie auch mit der Falschinformation konfrontiert wird und risikobehaftete Spekulationen über den nächsten möglichen Mythos entfallen. Während zahlreiche empirische Evaluationsstudien und Handreichungen zum Einsatz von Debunking- und Inoculation-Strategien publiziert wurden (Chan et al., 2017; Cook & Lewandowsky, 2011; Cook, Maibach, van der Linden, & Lewandowsky, 2018; Lewandowsky et al., 2012; van der Linden et al., 2017), waren evidenzbasierte Ansätze zu Rebuttal-Strategien, bisher rar (Betsch, 2017; WHO, 2016). Folglich befasst sich diese Dissertation mit der Konzeption und empirischen Evaluation von Strategien zum Umgang mit Wissenschaftsleugnern in öffentlichen Diskussionen. Dies beinhaltet sowohl die Konzeption und Evaluation des Rebuttal-Ansatzes als auch möglicher flankierender Strategien (weight-of-evidence strategies; Schmid, Schwarzer & Betsch, 2019). Rebuttal und Weight-of-Evidence Strategien sind dabei kein Ersatz für Debunking und Inoculation Strategien, sondern vielmehr ein ergänzendes Element, oder eine „second-order line of defense“ (van der Linden, 2019, p. 890) im Kampf gegen Falschinformation. Die Dissertation ist in drei Forschungsartikel unterteilt. Die Artikel geben die Entwicklung und Evaluation von Strategien im Umgang mit Wissenschaftsleugnern in öffentlichen Diskussionen wie folgt wieder: Artikel 1: Strategiekonzeption zum Umgang mit Wissenschaftsleugnern in öffentlichen Diskussionen. Artikel 2: Empirische Evaluation der Rebuttal-Strategien aus Artikel 1. Artikel 3: Konzeption und empirische Evaluation von flankierenden Strategien für Rebuttal.

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