Infrastrukturen des Glücks : eine Bild-, Raum- und Infrastrukturgeschichte Mallorcas im 19. und 20. Jahrhundert unter Berücksichtigung des Tourismus

In deutschen Medien erfolgt die Wahrnehmung Mallorcas heute vor allem über den Tourismus und deutsche Residenten sowie, in Abgrenzung dazu, über die Darstellung der Überreste eines vermeintlich authentischen, „vortouristischen“ Zustands der Insel. Auch in wissenschaftlicher Literatur wird in der Auseinandersetzung mit Mallorca zumeist ein Geschichtsbild formuliert, das auf eine besondere soziale, kulturelle und wirtschaftliche Rückständigkeit abhebt, von der die Insel bis zum Einsetzen des Massentourismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt gewesen sei. Neuere spanische Forschungen zeigen allerdings, dass dieses Bild grundlegend revidiert werden muss. In vorliegender Arbeit werden diese neueren Forschungsergebnisse vorgestellt. Parallel dazu werden die Darstellungen und Wahrnehmungen Mallorcas im 19. und 20. Jahrhundert untersucht und kritisiert. Dabei werden regionale Wertzuschreibungen diagnostiziert. Zunehmend kommt ein tourismusgeschichtlicher Blickwinkel hinzu, der sich vor allem mit dem Aufbau der Tourismuswirtschaft und dem Ausbau der hotelären Infrastrukturen durch einheimische Unternehmer beschäftigt. Es wird gezeigt, dass Mallorca vor dem Einsetzen des Massentourismus nicht rückständig gewesen ist. Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte es umfassend Anteil an den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Umbrüchen, die Westeuropa erfasst hatten. Als Teil des katalanischen Wirtschafts- und Kulturraums gehörte es zu den am weitesten entwickelten Regionen Spaniens. Dabei entstand ein Bürgertum, das den Tourismus von Anfang an vor allem als Mittel verstand, um den wirtschaftlichen Wohlstand der Insel zu steigern. Der Erfolg der mallorquinischen Tourismuswirtschaft stellt sich so zuerst als Ergebnis der vorausschauenden Planung einheimischer Akteure dar, denen es gelang, auch langfristig Zugriff auf den tourismusgerechten infrastrukturellen Ausbau der Insel zu erlangen. Die Arbeit zeigt die Notwendigkeit, die in der Tourismusforschung vorherrschenden Vorstellungen von der Entwicklung Mallorcas und des Mallorca-Tourismus zu korrigieren. Möglicherweise äußert sich hier ein allgemeineres Problem der historischen Tourismus-forschung. Deshalb wird vorgeschlagen, in tourismusgeschichtlichen Untersuchungen zukünftig den einheimischen Akteuren und den autochthonen wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen des Tourismus mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Vorschau

Zitieren

Zitierform:
Zitierform konnte nicht geladen werden.

Rechte

Nutzung und Vervielfältigung:
Alle Rechte vorbehalten