Erziehungsdiskurs im Online-Forum. Eine qualitative Untersuchung über elterliche Forendiskussionen zum kindlichen Internetgebrauch und ihren Einfluss auf den Erziehungsalltag

Moderne Eltern können freier denn je zwischen zahlreichen unterschiedlichen Familienmodellen wählen, sind vielleicht besser als jede Elterngeneration vor ihnen über Erziehungsfragen informiert – und stehen unter immensem Druck. Die vorliegende Dissertationsschrift rückt die Alltagsbewältigung von Eltern in einer zunehmend komplexen und unübersichtlichen Welt in den Fokus. Es werden zwei zentrale Leitfragen verfolgt. Zum einen erörtert die vorliegende Arbeit den Einsatz des Online-Forums als ein Instrument für die elterliche Erziehungsarbeit. Mithilfe einer Strukturanalyse wird das Internet als Kommunikationsinstrument untersucht. Zum anderen erörtert die vorliegende Arbeit ein zentrales und alle heutigen Eltern verbindendes Thema, den Internetgebrauch von Kindern und Jugendlichen und die Verhandlung dieses Themas durch die Eltern im Online-Forum. Mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse auf der Grundlage der Grounded Theory wird das Internet als pädagogischer Gegenstand unter- sucht. Die Arbeit ist damit kommunikationswissenschaftlich und erziehungswissenschaftlich verankert. In der Verschränkung beider Zugänge, dem instrumentellen Einsatz des Internets für die Erziehungsarbeit und dem online geführten wertegeleiteten Interneterziehungsdiskurs der Eltern, der kommunikationstheoretischen und der (medien)pädagogischen Perspektive, werden die Kindheitskonstrukte heutiger Eltern ausgeleuchtet. Die vorliegende empirische Studie zeichnet auf, dass Online-Foren von Eltern als Instrumente für ihre Alltagsbewältigung eingesetzt werden können. Online-Foren können Entlastungsräume für die forennutzenden Eltern darstellen. Denn hier erfahren sie Aufmerksamkeit, Verständnis und Zuspruch. Kontroverse oder gar beleidigende Dispute finden im elterlichen Online-Diskurs in der Regel nicht statt. Die Forendiskurse dienen den ratsuchenden Eltern durchaus als für sie brauchbare Orientierungsangebote für ihre Erziehungsarbeit. Insbesondere bei ihrer Suche nach Informationen über Angebote für Kinder im Internet erhalten sie im Online-Diskurs oftmals eine Orientierung durch Medienmarken. Positiv festzuhalten ist zudem, dass Eltern im Gebrauch des Online-Forums als Instrument für ihre Erziehungsarbeit aktiv ihre Problemlösungskompetenz schulen. Gemeinsam erörtern Eltern im Online-Forum Erziehungskonflikte und erarbeiten Problemlösungsstrategien. Online-Foren können deshalb auch als Räume für das elterliche Empowerment bezeichnet werden. Gleichzeitig zeichnen die Ergebnisse der vorliegenden Studie auf, dass Eltern heute oftmals keinen oder nur sehr eingeschränkten Zugang zu den Internetwelten der Kinder- und Jugendkultur haben. Zusätzlich hierzu kann aus dem widersprüchlichen Umgang der untersuchten Eltern mit der eigenen Privatsphäre und der ihrer Kinder auf ein Vorhandensein von Distanzen geschlossen werden. Während die Eltern selbst im Online-Forum in der Regel eine hohe Anonymität bewahren, zeigen sie in den Diskussionen gleichzeitig ein oftmals wenig ausgeprägtes Schutzbedürfnis gegenüber den Daten und der Privatsphäre ihrer Kinder. Das Online-Forum ist nach den vorliegenden Ergebnissen nicht das geeignete Instrument, um diese Distanz zu überbrücken. Im Gegenteil wird die These aufgestellt, dass Online-Foren in bereits fragilen Beziehungsgefügen zu einer Verstärkung von Distanzen in Eltern-Kind-Beziehungen führen können. Ein solcher möglicher negativer Einfluss wird vor allem auf die typische Diskursverkürzung im Online-Forum zurückgeführt. Diese zeichnet sich insbesondere durch die insgesamt zügige und verdichtete Diskussionsführung, den meist erfolgreichen Abschluss der Diskussion sowie das Fehlen eines reflexiven Charakters und stattdessen ein Aneinanderreihen von in sich abgeschlossenen Einzelargumenten aus. Damit eignen sich Online-Foren für die Eltern als Instrumente für die einfache und schnelle Problemlösung. Die Suche nach einfachen Lösungen spiegelt sich auch in der eindeutigen Dominanz restriktiver Interneterziehung in den Erziehungsansätzen der untersuchten Eltern wider.

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