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Eigenschaften von öffentlichen Gebrauchstexten und die Verstehensleistung der Benutzer

Einige Gebrauchstexte wie etwa Briefwahlunterlagen, Sicherheitshinweise und Beipackzettel für Medikamente müssen für die gesamte erwachsene Bevölkerung verständlich sein. Dennoch gelten gerade sie als eher schlecht zu verstehen. Als Ursache ist unter anderem denkbar, dass solche Texte oft zahlreiche deagentive Konstruktionen enthalten, also solche Konstruktionen, bei denen der Verfasser das Agens der Handlung nicht zwingend nennen muss. So enthält der Satz Wenn eine Stimmabgabe durch persönliches Erscheinen im Wahllokal gewünscht wird, ist kein weiteres Inkontakttreten mit der Kreisverwaltung erforderlich drei Nominalisierungen (Stimmabgabe, Erscheinen, Inkontakttreten) und eine Passivkonstruktion (etwas wird gewünscht), die allesamt keinen Bezug auf die Handelnden nehmen. Diese Untersuchung überprüft die Hypothese, dass eine Auflösung der deagentiven Konstruktionen einen positiven Effekt auf die Verständlichkeit hat, weil der Leser bei einem deagentiv geschriebenen Text übermäßig viel Inferenzarbeit leisten muss. Von drei öffentlichen Gebrauchstexten wurden jeweils drei Fassungen erstellt, bei denen die deagentiven Konstruktionen gar nicht (Fassung 3), zum Teil (2) bzw. vollständig (1) aufgelöst waren. 84 Probanden lasen von jedem Text jeweils eine Fassung und beantworteten anschließend eine Reihe von Verständnisfragen, die dazu dienten, ihre Verstehensleistung zu erfassen. Bei zweien der drei Texte zeigte sich ein leichter Effekt zugunsten der vollständigen Auflösung. Der Effekt war jedoch nicht signifikant; und beim dritten Text ergab sich überhaupt kein nennenswerter Effekt. Hierfür werden mehrere Erklärungen diskutiert: Die Anzahl der Probanden mag zu gering gewesen sein, und die Probanden mögen zu motiviert gewesen sein, weil sie freiwillig an der Untersuchung teilnahmen und eine Testsituation auf die Motivation ohnehin meist verstärkend wirkt. Es wird geschlussfolgert, dass sich zwar eine vorsichtige Empfehlung gegen deagentive Konstruktionen aussprechen lässt, dass die empirische Grundlage hierfür jedoch auch dann, wenn man die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung berücksichtigt, noch immer recht dürftig ist.

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