Entwicklung und Evaluierung eines kontinuierlichen Thermographiemonitoringsystems in der tierexperimentellen Forschung im Infektionsmodell der Sepsis

Tierversuche werden gesellschaftlich, tierschutzrechtlich sowie auch in der Forschung kontrovers diskutiert, zumal die Aussagekraft und die Übertragung von Ergebnissen aus Tierexperimenten in klinische Anwendungen aus diversen Gründen nicht unumstritten ist. Ein Ansatz zur Verbesserung von Tierversuchen ist die möglichst enge Annäherung an die klinische Realität unter besonderer Berücksichtigung heterogener Verläufe, welche zwischen verschiedenen Krankheitsgraden differenziert und nicht alle Individuen mit unterschiedlichem Gesundheitszustand einem einzigen Therapieregime unterwirft. Es sollte daher eine Methodik evaluiert werden, die in einem semilethalen Sepsismodell eine Abschätzung des Versuchsverlaufs ermöglichen soll. Mittels kontinuierlicher, automatisierter Infrarotthermographie sollte ohne invasive Maßnahmen zwischen überlebenden und versterbenden Versuchstieren differenziert werden. Somit wäre diese Technik geeignet, zur Verbesserung und Effizienzsteigerung von Tierversuchen beizutragen. Ist mittels kontinuierlicher, automatisierter Infrarotthermographie eine Prognosestratifizierung im Laufe der Wirtsreaktion bei polymikrobieller Infektion möglich und wie valide ist diese im Vergleich zu anderen bisher genutzten invasiven (IL-6, PCT) und nicht-invasiven (CSS-Score, Körpergewicht) Prädiktoren. Hierfür wurde die Körperoberflächentemperatur von 237 Mäusen verschiedener Genotypen in mehreren Experimenten anderer Untersucher mit unterschiedlichen Versuchsprotokollen überwacht und mit etablierten Prädiktoren CSS-Score und Körpergewicht sowie den Ergebnissen, die in der Literatur für invasive Messmethoden angegeben werden, verglichen. Ergebnis: Die kontinuierliche, automatisierte Infrarotthermographie ist ein sehr valides Verfahren zur Prognosestratifizierung. Der Cut-Off von 28,7 °C Körperoberflächentemperatur erreicht eine Sensitivität von 99 % und eine Spezifität von 75 %, die AUC beträgt bereits 12 Stunden präfinal 0,95. Eine statistisch signifikante Prognose ist bis zu 18 Stunden präfinal mit hoher Sicherheit, insgesamt bis 50 Stunden vor Versuchsende möglich. Nach Erreichen des Cut-Off-Wertes beträgt die mediane Überlebenszeit 23 Stunden, sodass die Vorhersage präzise genug ist, um den Todeszeitpunkt zeitlich einzugrenzen und das Versuchstier weiteren Interventionen oder Messungen zu unterziehen. Der CSS-Score erreicht ab 12 Stunden vor dem Versuchsende ähnlichen Prognosewerte, hat dabei jedoch ein deutlich höheres Zonfidenzintervall sowie eine mediane Überlebenszeit nach Erreichen des Cut-Off-Wertes von 132 Stunden, was nur eine unpräzise zeitliche Eingrenzung des Todeszeitpunktes erlaubt. Die Veränderung des Körpergewichts ist kein statistisch signifikanter Prognoseparameter. Die Vorhersagekraft der Körpertemperatur ist vergleichbar mit der von invasiv gemessenen Parametern wie PCT und IL-6, auch wenn die Vorhersagequalität differenziert betrachtet werden muss. Während IL-6 den Tod bis zu 6 Tage im Voraus vorhersagen kann, aber den Zeitpunkt nicht spezifiziert, ist der Vorhersagezeitraum bei der Körperoberflächentemperatur kürzer, aber der Zeitpunkt wird genauer prädiktiert. Fazit: Die kontinuierliche, automatisierte Infrarotthermographie eignet sich zur Prognosestratifikation im semilethalen Versuchsmodell der Sepsis bei Kleinnagern. Da die Infrarotthermographie den bisher verwendeten nicht-invasiven Stratifizierungsmethoden in Teilaspekten überlegen und den invasiven Methoden gleichwertig ist, kann diese somit zur Verbesserung von tierexperimentellen Versuchsstrategien beitragen und konventionelle Verfahren ergänzen. Außerdem bietet die kontinuierliche und automatische Erfassung erhebliche Vorteile bei der Dokumentation und objektivierbaren Überwachung von Tierversuchen.

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