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Der Gothaer Missionskartograph – Ein historisches Beispiel für „Crowdsourcing“ und „Citizen Science“ im 19. Jahrhundert

Citizen Science und Crowdsourcing sind an sich nichts Neues. Im Gegenteil! Vor der Institutionalisierung der Wissenschaft war die Einbindung von Laienforschern und Amateuren keine Seltenheit. Dies betrifft insbesondere auch die Geographie und Kartographie, die gerade im 19. Jahrhundert vielfach auf den Arbeiten von Laien beruhte. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Entstehung des Allgemeinen Missionsatlas, welcher zwischen 1867 und 1871 von dem preußischen Theologen Reinhold Grundemann in der Gothaer geographischen Verlagsanstalt Justus Perthes erarbeitet und herausgegeben wurde. Grundemann, selbst weder Missionar noch Geograph / Kartograph, hatte trotz seiner lediglich autodidaktisch erworbenen Kartographiekenntnisse die Möglichkeit erhalten, im Auftrag einer der damals führenden geographischen Kartenverlage seinen über mehrere Jahre gehegten Plan zur Herausgabe eines Missionsatlas umzusetzen. Dabei griff Grundemann, der wohl zurecht als kartographischer Laie bezeichnet werden kann, auch auf umfangreiche Daten zurück, die ihm durch eine entsprechende Crowd, nämlich die Missionsgesellschaften und Missionare selbst, zur Verfügung gestellt wurden. Die Fruchtbarkeit dieses Unternehmens zeigt sich unter anderem daran, dass der entstandene Atlas über viele Jahrzehnte zu einem Standardwerk der Missionswissenschaft avancierte. Auch wenn die Begriffe Citizen Science und Crowdsourcing damals noch unbekannt waren, so kann diese Fallstudie jedoch sehr wohl als ein historisches Beispiel für die ertragreiche und gelungene Einbindung von Laien in die Wissenschaft angesehen werden.

Citizen Science and crowd sourcing are nothing new in itself. On the contrary! Before the institutionalization of science the involvement of lay researchers and amateurs was not uncommon. This applies particularly to the geography and cartography, which in many cases was based precisely in the 19th century in the work of these amRené Smolarski 72 ateurs. An illustrative example of this is the emergence of the General Mission Atlas, which was developed between 1867 and 1871 by the Prussian theologian Reinhold Grundemann and published by the geographical publishing house Justus Perthes in Gotha. Grundemann, neither missionaries nor geographer / cartographer, had given the opportunity, despite its purely self-taught acquired cartographic knowledge, to realize his longtime plan to publish a Missionary Atlas. And this on behalf of a geographical publisher, who held at that time a national and international leadership. As part of this work Grundemann, from a cartographic view certainly a layman, also used the extensive data that was provided to him by a corresponding “Crowd”, namely the missionary societies and missionaries themselves. The fertility of this cooperation is demonstrated, among other things, that the resulting atlas was seen for many decades as a standard work of Missiology. Even though the terms Citizen Science and crowdsourcing were still unknown at that time, this case study, however, may well be regarded as a historical example of the fruitful and successful integration of laity in science.

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