Der Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Bewältigung von Altersprozessen und die Bedeutung von Altersbildern für die Wahrnehmung des eigenen Älterwerdens

Aufgrund des Anstiegs der älteren gegenüber der jüngeren Bevölkerung in der Gesellschaft, der gestiegenen „ferneren“ Lebenserwartung und der damit verbundenen Zunahme von Hochaltrigkeit, sehen sich immer mehr Menschen mit persönlichen, zum Teil auch drastischen Veränderungen und Verlusten in diesem Lebensabschnitt konfrontiert. Gleichzeitig treten wesentliche Herausforderungen für die Sorge tragenden Personen der medizinischen und psychologischen Betreuung auf. Ziel dieser Arbeit war zum einen die Untersuchung psychosozialer Persönlichkeits-faktoren in einer älteren Probandenpopulation und deren Beitrag zu einer erfolg-reichen Bewältigung alternsbedingter Herausforderungen. Hierfür wurde mittels quantitativer Forschungsmethoden der protektive Einfluss von Resilienz und Bindungssicherheit auf die Lebensqualität älterer Menschen überprüft. Um zum anderen einen realitätsnahen Erkenntnisgewinn im Erleben alternsbedingter Prozes-se und Verluste zu erhalten, wurden qualitative Forschungsmethoden gewählt. Zunächst wurden in einer Querschnittsstudie 81 Probanden im Alter von durch-schnittlich 70 Jahren eingeschlossen, bei denen Trait-Resilienz mittels der Resilienz-skala (RS-13) sowie die Bindungssicherheit mittels des Erwachsenen-Bindungs-Prototypen-Ratings erhoben wurde. Darüber hinaus wurden zur Erfassung verschie-dener (psycho-)somatischer Parameter sowie der Lebenszufriedenheit die „Cumulative Illness Rating Scale – Geriatric“ (CIRS-G), der „Gießener Beschwerde-bogen“ (GBB-24) sowie der „Fragebogen zur Lebenszufriedenheit“ (FLZ) eingesetzt. Entsprechend der Hypothesen konnte belegt werden, dass objektiv nachweisbare, gesundheitliche Beeinträchtigungen in der untersuchten Studienpopulation verstärkt mit subjektiven Körperbeschwerden einhergehen. Daneben konnte nachgewiesen werden, dass Bindungssicherheit eine signifikante, protektive Wirkung auf die Beziehung dieser gesundheitsrelevanten Indikatoren zueinander ausübt. Gleichzeitig wiesen die bindungssicheren Probanden auch eine höhere Lebenszufriedenheit auf. Untersuchungsteilnehmer, die über ein hohes Ausmaß an Resilienz verfügten, wiesen zudem einen besseren, objektiven Gesundheitszustand sowie weniger subjektive Körperbeschwerden auf, und gaben darüber hinaus höhere Werte für ihre Lebenszufriedenheit an. In der Zusammenschau der vorliegenden Befunde und des bisherigen Kenntnisstands zur Bindungssicherheit bei Erwachsenen (im mittleren wie höheren Lebensalter), lässt sich unter anderem ableiten, dass eine sichere Bindung zwischen Patient und Therapeut bzw. Arzt, einen wesentlichen klinischen Mehrwert aufweist, indem sie zu einem höheren Behandlungserfolg führen kann. Für die Resilienz kann geschlussfolgert werden, dass sich dieses Personenmerkmal positiv auf die Bewältigung (psycho-)somatischer Pathologien auswirken kann. In einer 2. Teilstudie wurden 20 Probanden aus der Gesamtstudienpopulation zusätzlich interviewt, um einen Einblick über die bisher bekannten, altersbedingten Belastungserfahrungen hinaus zu erhalten, und Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Erlebnisse mit der Wahrnehmung von Transitionen ins hohe Lebensalter verbunden sein könnten. Das resultierende Datenmaterial wurde mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Dabei wurde die Wahrnehmung von Alternsprozessen gut anhand der Dimensionen von Altersfremdbildern, Altersidentitäten und Vorstellungen über das Altsein in der Zukunft erkennbar. Es konnte festgestellt werden, dass insgesamt ein überwiegend negatives, defizitbehaftetes, teils auch stereotypes Bild vom Alter(n) vorzuherrschen scheint. Für die Ausbildung der Alters-identitäten erfolgt unterdessen zwar eine Orientierung an den gemeinhin geteilten Vorstellungen über das Alter(n), z.B. im Sinne körperlicher Beeinträchtigungen, jedoch werden die persönlichen Erfahrungen mit dem Altern deutlich differenzierter und milder beurteilt. In Bezug auf die bestehenden theoretischen Überlegungen zur Einteilung des hohen Lebensalters, lassen sich die Probanden der vorliegenden Studie somit am ehesten der Gruppe der „jungen Alten“ zuordnen, auch wenn der Eintritt in diese Lebensphase nicht mehr durch die Beendigung der Erwerbstätigkeit markiert wird. Als zentral erscheint der Befund, dass der zukünftig erwartete Lebensabschnitt des „echten, hohen Alters“ (traditionell den „alten Alten“ ent-sprechend) nicht nur mit ebenso negativen Attributen besetzt ist wie die allgemein bestehenden Alters(fremd)bilder, sondern diesem offenbar mit starken Ängsten vor Verlusten (vor allem) im Bereich der Autonomie entgegengesehen wird. Ein wichtiges Ziel in der Versorgung Älterer, sollte demnach die Erschaffung von alters-gerechten Lebensbedingungen sein, die sich durch ein hohes Maß an Selbst-bestimmtheit auszeichnen, auch im Falle des Eintretens von Pflegebedürftigkeit.

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