Analyse von Einflussfaktoren auf die steigende Sectiorate in Thüringen von 2004 bis 2012

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob und welche Faktoren einen Einfluss auf die Sectiorate in Thüringen haben. Dazu wurden in einer retrospektiven Analyse insgesamt 128.366 Geburten der Thüringer Perinatalerhebung von 2004 bis 2012 statistisch ausgewertet. Die Gesamtkaiserschnittrate betrug 24,8% und lag damit unter dem bundesweiten Durchschnitt von 31,7% im Jahr 2012 (Statistisches Bundesamt 2013). Das Verhältnis primärer und sekundärer Sectiones blieb annähernd konstant. Der Anstieg der Sectiorate von 22,0% im Jahr 2004 auf 26,3% im Jahr 2012 ist multifaktoriell zu begründen. Ein relevanter Faktor stellt das maternale Alter dar, was im analysierten Zeitraum leicht anstieg und mit einer höheren Sectiofrequenz assoziiert war. Insbesondere ein Alter über 35 Jahre ging mit einem 1,4-fach erhöhten Risiko eines Kaiserschnitts einher. Auch ein hoher BMI als Ausdruck einer Adipositas stellte einen Risikofaktor dar. Ein BMI >30 kg/m2 erhöhte die Wahrscheinlichkeit für eine Schnittentbindung um den Faktor 1,8 gegenüber Frauen mit einem BMI <30 kg/m2. Des Weiteren wurden im Mittel bei 75,4% der Schwangeren mit steigender Tendenz ein oder mehrere Schwangerschaftsrisiken registriert, die ebenfalls mit einer erhöhten Kaiserschnittrate assoziiert waren. So stieg beispielsweise die Wahrscheinlichkeit beim Vorliegen eines Gestationsdiabetes um den Faktor 1,9 und bei Präeklampsie um 3,5. Zusätzlich war die Sectiorate auch beim Vorliegen einer Beckenendlage und einem Gestationsalter <37 SSW erhöht. Einen zentralen Punkt nimmt weiterhin die Gruppe der Frauen mit Z.n. Sectio ein, deren Anteil am Gesamtkollektiv von 6,7% (2004) auf 10,4% (2010) anstieg. Die Re-Sectiorate stieg von 53,4% (2005) auf 64,4% (2012). Schwangere mit einem vorausgegangenem Kaiserschnitt hatten eine 5,7-fach höhere Wahrscheinlichkeit für eine erneute Schnittentbindung. Neben einer Zunahme der Prävalenz der genannten Risikofaktoren und entsprechendem Anstieg der Sectiofrequenz in diesen Gruppen wurde auch ein Anstieg der Kaiserschnittrate in Gruppen ohne Risikoprofil festgestellt, etwa bei jungen, nicht-adipösen Schwangeren oder bei regelrechter Schädellage. Hierbei spielen vermutlich psychosoziale, gesellschaftliche und weitere Aspekte eine Rolle, die nicht im Rahmen der Datenauswertung erfasst werden konnten. Zudem ist ein Anstieg von Wunschkaiserschnitten ohne eindeutige medizinische Indikation denkbar, worüber allerdings aufgrund fehlender Kodierung für eine solche gewünschte Schnittentbindung nur spekuliert werden kann. Die vorliegende Analyse untersuchte darüber hinaus Unterschiede verschieden großer Kliniken hinsichtlich der Kaiserschnittfrequenz. Dabei lag die Gesamt-Sectiorate in kleineren Kliniken mit <500 Geburten pro Jahr höher als in großen Kliniken mit >1000 Geburten pro Jahr (26% vs. 24%). Es traten dabei keine unterschiedlichen Prävalenzen für Risikofaktoren einer Sectio in den unterschiedlichen Klinikgrößen auf. Vielmehr ist das unterschiedliche geburtshilfliche Vorgehen der Kliniken auf organisatorische, strukturelle und ökonomische Faktoren zurückzuführen und im Zusammenhang der Versorgungsstrukturen zu interpretieren. Anhand der Ergebnisse lassen sich folgende Maßnahmen zur Stabilisierung der Sectiorate bzw. Verhinderung eines weiteren Anstiegs ableiten. Der erste Kaiserschnitt einer Frau sollte wenn möglich verhindert werden, um damit den Kreislauf von Z.n. Sectio und Re-Sectiones zu durchbrechen. In jedem Fall sollten ausführliche und verständliche Aufklärungsgespräche zu Vorteilen und Komplikationen der Spontangeburt und Sectio caesarea erfolgen. Bei Schwangeren mit Vorerkrankungen/ Vorgeschichte sollte eine frühzeitige, ggf. auch psychiatrische Betreuung zur Vorbereitung auf die Geburt angeboten werden. Bei Schwangeren mit entsprechendem Risikoprofil ist eine Überweisung in ein Perinatalzentrum anzuraten (Schild 2015).

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