Entwicklung des Vergiftungsgeschehens durch Drogen oder missbräuchlich verwendete Substanzen in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 2002-2015

Substanzmissbrauch ist ein Gebiet der Klinischen Toxikologie mit großen Veränderungen in den letzten Jahren. Deshalb wurden Substanzmissbrauchsfälle aus 14 Jahren im Einzugsbereich des Giftnotrufes Erfurt analysiert und mit humanen Expositionsfällen anderer Ursache verglichen. Retrospektive Analyse aller Humanexpositionsfälle (Humane Expositionen gegenüber einer Substanz unter akzidentellen, missbräuchlichen oder unbekannten Umständen oder im Rahmen eines Suizidversuches) (n = 190079) von Anfang 2002 bis Ende 2015 nach Substanzklassen, Expositionsgründen, Symptomschwere, Altersgruppen und Geschlecht. Substanzmissbrauchsfälle (6413, 3,4% aller Expositionsfälle) stiegen kontinuierlich von 251 (Einzelsubstanzmissbrauch: 159; Mischkonsum: 92) in 2002 auf 782 in 2015 (Einzelsubstanzmissbrauch: 379; Mischkonsum: 403) an. Im Vergleich zu allen Expositionsfällen nahmen der Missbrauch von Ethanol, Amphetamin, Methamphetamin, Cannabis, Cocain, verschreibungspflichtigen Opiaten/Opioiden sowie Liquid Ecstasy und Vorstufen zu. Erste Missbrauchsfälle mit Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS) wurden 2008 beobachtet und stiegen bis Ende 2015 stark an. Missbrauchsfälle mit Brugmansia/Datura-Spezies gingen hingegen signifikant (p < 0,001) von Angang 2004 bis Ende 2015 zurück. Substanzmissbrauchsfälle verursachten signifikant (p < 0,001) häufiger mittelschwere (28,2%) und schwere Symptome (5,9%) als Expositionsfälle in suizidaler Absicht (11.3%; 4.8%). Missbrauchsfälle mit NPS führten signifikant (p < 0,001) öfter zu mittelschweren und schweren Symptomen (46.9%; 7.9%) als Missbrauchsfälle mit Cannabis (18,9%; 2,3%). Die klinische Bedeutung des Substanzmissbrauchs wird daran erkennbar, dass er häufiger mittelschwere und schwere Symptome verursachte als Suizidversuche. Daten zu Substanzmissbrauch von Giftnotrufzentralen könnten offizielle Drogenberichte hinsichtlich klinisch-toxikologischer Aspekte ergänzen.

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