Die mesenteriale Ischämie als Komplikation kardiochirurgischer Eingriffe : retrospektive Analyse der Jahre 2005-2012 am UKJ

Hintergrund: Die mesenteriale Ischämie nach herzchirurgischen Eingriffen ist eine gefürchtete, wenn auch seltene Komplikation. Es existieren verschiedene Arten dieser akuten Durchblutungsstörung des Darmes, die alle gleichermaßen mit einer extrem hohen Mortalität von bis zu 70% verbunden sind. Momentan wird die Erkrankung häufig erst erkannt, wenn bereits irreversible Schädigungen eingetreten sind. Um eine Prognoseverbesserung zu erreichen, muss folglich die Zeitdauer bis zur korrekten Diagnose verringert werden. Die Identifikation typischer Risikofaktoren kann dabei helfen, die gefährdeten Patienten gezielter zu überwachen. Zielstellung: In der vorliegenden Arbeit wurde nach perioperativen Risikofaktoren für eine mesenteriale Ischämie nach kardiochirurgischen Eingriffen gesucht. Neben präoperativen Vorerkrankungen wurden laborchemische und klinische Parameter der postoperativen Phase ausgewertet. Die Zielstellung dieser Arbeit war es, aus den einzelnen Risikofaktoren ein multivariates Modell zu generieren, mit dessen Hilfe man Risikopatienten bereits vor dem Auftreten erster Symptome identifizieren kann. Methodik: Von 9385 zwischen 2005 und 2012 operierten herzchirurgischen Patienten entwickelten 108 (1,15%) eine Darmischämie im postoperativen Verlauf. Im Mittel fielen die Patienten am sechsten postoperativen Tag mit der Komplikation auf und mussten anschließend viszeralchirurgisch versorgt werden. Die Analyse der Risikofaktoren erfolgte als systematische Fall-Kontroll-Studie. Durch ein Gruppenmatching wurden zuvor vergleichbare Ausgangsbedingungen der Studiengruppen erzeugt. Risikofaktoren mit univariater Signifikanz wurden in ein binär logistisches Regressionsmodell einbezogen. Ergebnisse: Kardiochirurgische Notfalloperationen, eine hochgradige Herzinsuffizienz nach NYHA, chronische Nierenerkrankungen und das Vorhandensein einer Leberzirrhose waren signifikant mit einer mesenterialen Ischämie assoziiert. Zuvor postulierte Risikofaktoren wie chronisches Vorhofflimmern, pAVK und Diabetes mellitus konnten in dieser Arbeit hingegen nicht bestätigt werden. Die Fallgruppe fiel postoperativ mit einem erhöhten SOFA-Score, einer längeren invasiven Beatmung und erhöhten Laktatwerten auf. Es erfolgte häufiger eine mechanische oder medikamentöse Herzunterstützung und Dialysetherapie. Diese weitreichende postoperative Verschlechterung ging der eigentlichen mesenterialen Ischämie einige Tage voraus und ist somit prognostisch relevant. Sechs Parameter erwiesen sich nach der multivariaten Analyse als unabhängige Risikofaktoren der mesenterialen Ischämie: Notfalloperation, Leberzirrhose, SOFA-Score >3 (kardiovaskuläres System; OP-Tag), Noradrenalintherapie (1. postop. Tag), Adrenalintherapie (1. postop. Tag) und Laktat >3 mmol/l (1. postop. Tag). Durch die Kombination der sechs Parameter konnte mit hoher Trennschärfe das Auftreten der Darmischämie prognostiziert werden (AUC = 0,835). Im Schnitt wiesen Fallpatienten drei der genannten Risikofaktoren gleichzeitig auf, während es in der Kontrollgruppe nur ein Faktor war. Schlussfolgerung: Viele Patienten mit einer mesenterialen Ischämie erfüllen postoperativ die Kriterien eines low-cardiac-output-Syndroms. Hinzu kommen weitere prä- und postoperative Risikofaktoren. Das vorgeschlagene Prognosemodell ist gut geeignet, um bereits am ersten postoperativen Tag die Risikopatienten zu identifizieren. Diese sollten im Verlauf sehr wachsam beobachtet werden und beim unmittelbaren Verdacht einer Darmischämie umgehend eine bildgebende Diagnostik erhalten. Die Angiographie ist dafür nach wie vor als Goldstandard anzusehen, da bei herzchirurgischen Patienten meist eine non-okklusive mesenteriale Ischämie auftritt.

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