Die Darstellung und Analyse von Erkrankungen in medizinischen Fernsehserien (House, Scrubs, ER) unter besonderer Betrachtung von Nierenerkrankungen

Das Genre der Arzt- und Krankenhausserien zieht Einschaltquotenanalysen zufolge nicht nur Millionen von Zuschauern in seinen Bann, sondern dient nachweislich einem Großteil der Bevölkerung als wichtigste Quelle hinsichtlich gesundheitsmedizinischer Informationen (Chory-Assad und Tamborini 2001). Auf dieser Basis wird im Rahmen der Arbeit zunächst anhand von Studien die Darstellung medizinischer Inhalte im Medium Fernsehen beleuchtet. Dabei sind medienwissenschaftliche Grundlagen im Fokus, die den Prozess einer Informationsübernahme durch den Zuschauer und das daraus resultierende Einflusspotential bis hin zu seiner veränderten Wahrnehmung der Realität für Fernsehsendungen näher charakterisieren. Neben der Bedeutung der TV-Darstellung von klinischen Abläufen und konkreten Krankheitsbildern für das Publikum wird hier das Arztimage anhand der Gegenüberstellung dreier fiktiver Ärzte im Detail nach ex ante definierten Kriterien untersucht. Zusätzlich werden die dafür rezipierten 690 Episoden von drei der populärsten Krankenhausserien House, Scrubs und ER in vergleichender Analyse auf dramaturgischer Ebene nach vorher festgelegten Attributen beleuchtet. Die so gewonnenen Erkenntnisse über Arztbild und Gestaltungsweise im Fernsehen sollen Unterschiede zwischen den Genrevertretern und Abweichungen von der faktischen Realität aufdecken. In der Untersuchung zeigt sich bei allen hierfür gewählten Serien ein von positiven und negativen Superlativen geprägtes Berufsimage. Weder die herausragenden fachlichen Fähigkeiten oder die idealisierte Aufopferung in der Klinik auf der einen, noch die moralischen und gesetzlichen Grenzüberschreitungen der TV-Mediziner auf der anderen Seite erreichen ein realistisches Mittelmaß. Hinweise auf Differenzen im Realitätsgehalt zwischen den Sendungen liefert deren hier nachgewiesene divergierende dramaturgische Konstruktion. Während für ER die Gestaltung auf eine temporeiche Präsentation medizinischer Inhalte hindeutet, bietet Scrubs aufgrund seiner am Humor orientierten Struktur wenig Raum für Fachinformation. Durch hochspezifische, in der Serie detailliert abgehandelte Fälle im Arrangement eines Medizinalkrimis kristallisiert sich für House in der Analyse der Dramaturgie eine Zwischenrolle heraus. Eine Detektion solcher Diskrepanzen ist ebenso Ziel bei der Erhebung der Krankheitshäufigkeiten. Dazu werden die in den 690 TV-Folgen gestellten konkreten Diagnosen nach a priori definierten Kriterien erfasst und anschließend 15 Gruppen von Erkrankungen zugeordnet. Differenzen in den Verteilungsmustern der Krankheitskategorien im Serienvergleich werden in der vorliegenden Arbeit nicht nur deskriptiv erörtert, sondern durch Chi-Quadrat-Testung mathematisch analysiert. In den TV-Sendungen wird ein insgesamt breites Spektrum an Krankheiten dargeboten, wobei sich für alle drei eine Dominanz im Auftreten von Diagnosen der Kategorie „Verletzungen, Intoxikation und iatrogene Einflüsse“ herausstellt. Außerdem tun sich große serienspezifische Divergenzen in Bezug auf die Präsentation von Erkrankungsgruppen wie beispielsweise Infektionen und Tumoren betreffend auf. Zusätzlich werden die so ermittelten Krankheitsverteilungen der TV-Sendungen im Hinblick auf aus faktischen Prävalenzdaten der USA berechneten, also in Realität zu erwartenden Werten beurteilt und statistisch verifiziert. Die Krankenhausserien erweisen sich als hochsignifikant von echten Prävalenzen abweichend. Eine genaue Verifizierung bringt für alle drei Genrevertreter eine massive Überrepräsentation von Verletzungen und Intoxikationen ans Licht. Dem gegenüber steht jedoch eine Vernachlässigung chronischer Krankheiten, wie den endokrinologischen und muskuloskelettalen Erkrankungen. Abschließend wird in dieser Arbeit die Darstellung der Erkrankungen des urogenitalen Systems gegenüberstellend eruiert. Für keine der medizinischen Serien kann im Abgleich mit Prävalenzdaten die Hypothese einer Unterrepräsentation dieser Krankheitsgruppe im Fernsehen bestätigt werden. Ein uniformes Verteilungsmuster weisen die Genrevertreter auch in der Thematisierung der Therapieformen bei Nierenerkrankungen (NTx, Dialyse, andere) auf. Bezüglich der Arten der Krankheit (ANV, CNV, andere) offenbaren sich hingegen signifikante Unterschiede. Exemplarisch hierfür schwankt allein der Anteil des akuten Nierenversagens an der Gesamtheit der Nierenerkrankungen in den Serien zwischen zwanzig (ER) und achtundachtzig (House) Prozent. Daraus ergeben sich weitere, den Rahmen dieser Arbeit überschreitende Fragen, welche konkreten Auswirkungen eine TV-verzerrte Krankheitsverteilung auf den Zuschauer haben könnte. Unbeantwortet bleibt inwieweit sich die hier gewonnenen Erkenntnisse auf deutsche Serien (z.B. Die Schwarzwaldklinik oder Doctor’s Diary) übertragen lassen.

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