Psychopharmakatherapie bei stationär internistischen Patienten einer Universitätsklinik : eine retrospektive Analyse

HINTERGRUND: Psychopharmaka zählen zu den am meisten verordneten Medikamenten. Ziel der Arbeit war daher, deren Gebrauch bei stationären Patienten einer großen internistischen Universitätsklinik systematisch zu analysieren. METHODEN: In allen Entlassungsbriefen der Klinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Jena aus 2010 wurde retrospektiv die Psychopharmakaverordnung analysiert. Neben dem Vergleich von Stoffwechsel-, Blutdruck-, und Blutbild- und EKG-Parametern mit einer Kontrollgruppe erfolgte die Erhebung psychiatrischer Diagnosen und konsiliarpsychiatrischer Mitbetreuung. ERGEBNISSE: Von den 2160 untersuchten Patienten (54,5 % weiblich, 45,5 % männlich) fand sich bei 371 (17,2 %; hiervon: 63,6 % weiblich, 36,4 % männlich) eine Psychopharmakotherapie. Die Kontrollgruppe (ohne Psychopharmaka in der Medikation) umfasste 1789 Patienten. Patienten der Psychopharmakagruppe waren signifikant älter (Median 69,0 vs. 61,0 Jahre) und signifikant häufiger weiblich (p<0,001). Wichtigste Medikamentengruppe waren die Antidepressiva, speziell SSRI, NaSSA und TZA. Sowohl Adipositas (43,3 % vs. 32,4 %) als auch Kachexie (9,1 % vs. 2,8 %) waren in der Psychopharmakagruppe signifikant häufiger (p<0,001). Ebenso fanden sich dort signifikant mehr Diabetiker (p<0,001), wobei sich deren HbA1c-Werte nicht von denen aus der Kontrollgruppe unterschieden. Signifikante QTc-Verlängerungen waren nachweisbar (p<0,001). Bei 44,5 % konnte keine primäre psychiatrische Diagnose eruiert werden und in 14,6 % der Fälle erfolgte ein psychiatrisches Konsilium. SCHLUSSFOLGERUNGEN: Die Indikation zur Psychopharmakotherapie konnte im Einzelfall nicht konkret analysiert werden. Neben affektiven und organischen psychischen Störungen schien auch der nichtpsychiatrische Einsatz eine Rolle gespielt zu haben. Eine engere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Internisten und Psychiatern zur Optimierung der Psychopharmakotherapie älterer, oft multimorbider internistischer Patienten erscheint notwendig.

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