Retrospektive photometrische Analyse der operativen Ergebnisse von Dysgnathieoperationen anhand anthropometrischer Parameter

Die vorgelegte Arbeit beschäftigt sich mit der Evaluation prä- zu postoperativer Ver-änderungen des perioralen Weichgewebes im Zuge von Dysgnathieoperationen. Die Evaluation des Weichgewebes ist deshalb von besonderer Bedeutung, da das ästhetische Ergebnis einer Dysgnathieoperation maßgeblich von der postoperativen fazialen Weichgewebemorphologie abhängt (Baik und Kim 2010). Die Studienlage ist hinsichtlich des Themas aufgrund der Vielzahl an vorliegenden Publikationen mit kaum vergleichbaren methodischen Ansätzen insgesamt als unübersichtlich einzustufen. Derzeitiger klinischer Standard der Bewertung des Weichgewebeergebnisses nach Dysgnathieoperationen ist eine auf Fernröntgenseiten-bildern basierende kephalometrische Analyse, in der vorrangig Positionsänderungen anthropometrischer Punkte in Millimetern erfasst werden (Eckhardt und Cunningham 2004). Die Evaluation der postoperativen Ästhetik erfolgt derzeit in den meisten Studien durch subjektive Einschätzungen von Patienten, Ärzten und Laien (Edler, Agarwal et al. 2006). Eine photometrische Analyse anhand anthropometrischer Indizes nach Leslie G. Farkas (Farkas und Munro 1987) könnte helfen, die im Zuge einer Dysgnathieoperation ablaufenden perioralen Weichgewebeveränderungen in einem reproduzierbaren, auf zumeist vorhandener Infrastruktur basierenden und kostengünstigen Verfahren zu objektivieren. Die Etablierung eines solchen Verfahrens wäre in gutachterlichen Fragestellungen von Interesse. In der vorgelegten retrospektiven Studie wurden 171 Patienten analysiert, die eine skelettale Dysgnathie der Angle-Klasse II aufwiesen und sich einer chirurgischen Unterkiefervorverlagerung nach Obwegeser-Dal Pont unterzogen. Die Eingriffe wurden in dem Zeitraum Januar 2006 bis März 2011 in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie/ Plastische Chirurgie des Universitätsklinikums Jena vor-genommen. Für die photometrische Analyse wurden 21 anthropometrische Indizes der ästhetischen Einheiten Nase, Ober- und Unterlippe sowie der verschiedenen Gesichtshöhen nach Leslie G. Farkas ausgewählt (Farkas und Munro 1987). Kriterien der Auswahl waren eine mögliche Beeinflussung durch eine Dysgnathieoperation sowie die eindeutige und reproduzierbare Identifizierbarkeit der zugrunde liegenden anthropometrischen Messpunkte. Die zu analysierenden standardisierten Photographien wurden zu den Zeitpunkten prä- sowie drei und neun Monate postoperativ erstellt. Um die vorgelegte Studie besser in den Kontext der gegenwärtigen Literatur zu stellen, wurden die Ergebnisse der anthropometrischen Analyse auf eine mögliche Korrelation zu kephalometrischen Messungen untersucht. Hierfür wurden SNA-, SNB- und Wits-Wert an zeitgleich erstellten Fernröntgenseitenbildern bestimmt. Die Indizes Cutaneous-Total Lower Lip Height Index, Vermilion-Total Lower Lip Height Index, Lower Vermilion Contour Index, Nose-Lower Face Height Index, Nose-Face Height Index, Upper Face-Face Height Index, Upper Lip-Mandible Height Index und Chin-Mandible Height Index zeigten signifikante prä- zu postoperative Veränderungen. Die signifikante prä- zu postoperative Zunahme des Cutaneous-Total Lower Lip Height Index und Abnahme des Vermilion-Total Lower Lip Height Index zeigten eine vertikale Vergrößerung des kutanen Anteils der Unterlippe relativ zum unteren Vermilion. Der Vermilion Height Index als auch der Vermilion Arc Index zeigten keine signifikanten Veränderungen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass das vertikale Verhältnis des oberen zum unteren Vermilion unbeeinflusst blieb. Die Indizes Nose-Lower Face Height Index, Nose-Face Height Index, Upper Face-Face Height Index sowie Upper Lip-Mandible Height Index und Chin-Mandible Height Index nahmen signifikant ab. Dies spiegelt die Vergrößerung der unteren Gesichtshöhe im Zuge der mit einer Unterkiefervorverlagerung einhergehenden anterokaudalen Rotation der Mandibula wider (Quast, Biggerstaff et al. 1983). Der Medial-Lateral Cutaneous Total Lower Lip Height Index, Vermilion-Total Lower Lip Height Index sowie der Cutaneous-Total Lower Lip Height Index und Philtrum-Mouth Width Index zeigten eine signifikante Korrelation zu kephalometrischen Messungen. Dies unterstreicht die Validität des durchgeführten photogestützten anthropometrischen Messverfahrens. Die dargestellten photogestützten anthropometrischen Messungen zeigten plausible Ergebnisse, die die im Zuge einer chirurgischen Unterkiefervorverlagerung auftretenden perioralen Weichgewebeveränderungen widerspiegelten. Die dargelegten Messergebnisse und Korrelationen stehen in Einklang mit der gegenwärtigen Literatur und sind ein Hinweis auf den Wert der photogestützten Anthropometrie basierend auf Indizes nach Leslie G. Farkas in der quantitativen Analyse des weichgewebigen Ergebnisses von Dysgnathieoperationen (Quast, Biggerstaff et al. 1983; Calignano und Vezzetti 2009).

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