Zur Wahrnehmung der Frontzahnästhetik älterer Menschen durch Fachwelt und Laienschaft

Der ältere Patient in der Zahnarztpraxis - eine Herausforderung und eine Chance zugleich. Der demographische Wandel bedingt steigende Zahlen älterer Patienten, deren subjektives Alter oftmals weit mit dem kalendarischen Alter auseinander klafft. Unser Ziel ist es dieser individualisierten Alters-gesellschaft (Höpflinger 2010) durch Beratung, Prävention und Therapie gerecht zu werden und dadurch deren Lebensqualität zu erhöhen. Ein steigendes Interesse hinsichtlich dieser Thematik belegen Unter-suchungsergebnisse von Küpper und Wefers. Laut ihrer Untersuchung gewinnt die Gerostomatologie innerhalb der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur zusehends an Bedeutung (Küpper und Wefers 2003). Innerhalb der Alters¬zahnheilkunde behält die Zahn- und Mundgesundheit oberste Priorität. Aber auch andere Aspekte, wie der Bereich der dentalen Ästhetik gewinnen bei den älteren Patienten an Interesse. Sie wünschen sich ästhetisch hochwertige Versorgungen sowohl im konservierenden als auch im prothetischen Bereich. Der wachsende Anspruch an dentale Ästhetik bildet die Basis der vorliegenden Studie. Zielstellung: Das Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es, den Einfluss der dentalen Ästhetik auf die Alterszahnheilkunde und deren Wirkung innerhalb der Gesellschaft zu untersuchen. Wie stark werden Veränderungen der Zahnform, der Zahnstellung und der Zahnfarbe am älteren Gebiss wahrgenommen? Beeinflussen die dentalen Veränderungen des älteren Menschen dessen dentofaziale Ästhetik? Zudem stellt sich die Frage, ob berufsbedingte, geschlechtsspezifische oder altersorientierte Unterschiede hinsichtlich der gesellschaftlichen Wahrnehmung zu finden sind? Material und Methode: Für die Studie wurden zwölf alternde bzw. ältere Probanden ausgesucht (Alterseinteilung nach WHO-Klassifikation). Von den fünf Männern und sieben Frauen wurden „en face“-Portraitaufnahmen erstellt, die dann mit Hilfe von computergeführten Simulationen hinsichtlich der dentalen Ästhetik bearbeitet wurden. Die daraus resultierenden Bilderserien umfassen neben der Original¬aufnahme, acht dentale Veränderungen aus den Bereichen der Zahnfarbe, der Zahnlänge, der Zahnbreite und der Zahnkippstellung. Alle 108 Bildaufnahmen wurden in einer Präsentation zusammengefasst und dann 200 Studien¬teilnehmern zur Bewertung vorgeführt. Die Auswahl der Untersuchungs¬teilnehmer erfolgte berufs-, geschlechts- und altersspezifisch. Eine gleichmäßige Verteilung der Teilnehmerzahlen sollte die anschließende statistische Auswertung erleichtern. Der Nachweis signifikanter Bewertungs-unterschiede erfolgte mit Hilfe des Vorzeichentest, der Verwendung von Kreuztabellen und anschließender Holm-Adjustierung zur Untermauerung der Signifikanz. Ergebnisse: Der berufsspezifische Vergleich zeigt, dass sowohl die Fachwelt als auch die Laienschaft signifikant Unterschiede zwischen den dentalen Veränderungen und dem Original feststellen. Während der prozentuale Unterschied bei den Zahnform- und Zahnstellungsänderungen leicht zu Gunsten der Laien ausfällt, dominieren die Fachleute hinsichtlich der Farbwahrnehmung. Der Fachkreis reagiert im Allgemeinen kritischer auf die dentalen Veränderungen. Die Längenänderungen der Zähne und die Farbabstufungen in dunklere Farbnuancen sind jene dentalen Veränderungen, die beiden Gruppen am Stärksten ästhetisch negativ auffallen. Ein nicht ganz unerwartetes Ergebnis zeigt sich bei den Zahnaufhellungen. Hier reagiert die Laienschaft im Vergleich zu den Fachleuten weniger kritisch und bewerten besonders die Aufhellungen der männlichen Probandenzähne als ästhetisch positiv. Auch der Vergleich der Geschlechter weist signifikante Unterschiede auf, wobei die Männer sensibler bei dentalen Veränderungen hinsichtlich der Form und Stellung reagieren. Die Frauen hingegen sprechen der Zahnfarbe den größten ästhetischen Einfluss zu. Der Vergleich der Altersgruppen zeigt eine altersbedingte Abstufung hinsichtlich der Signifikanz. Im Alter wird die Toleranz gegenüber ästhetisch negativen Veränderungen größer (Burgersdijk et al. 1991). Dies zeigt sich sowohl im Bereich der Zahnfarbe- als auch der Zahnform und der Zahnstellung. Die Zahnfarbe erweist sich auch hier als stärkstes Kriterium hinsichtlich der dentalen Ästhetik. Die jüngeren Studienteilnehmer stehen Zahnaufhellungen positiver gegenüber als die älteren Teilnehmer. Bei den Farbabstufungen reagieren alle Altersgruppen kritisch. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse belegen, dass ästhetische Einflüsse hinsichtlich dentaler Veränderungen am älteren Gebiss bestehen. Die Gesellschaft unterliegt hinsichtlich ihrer Wahrnehmung berufs-, geschlechts- und altersbedingten Differenzierungen. Die dentale Ästhetik basiert größtenteils auf subjektiven Empfindungen und ist somit objektiv nur schwer zu beurteilen. Studien dieser Art dienen der Situationsdarstellung und zeigen Trends auf, sie gelten nicht als Regelwerk. Die evaluierten Daten erheben nicht den Anspruch auf Voll-ständigkeit oder lückenloser Signifikanz. Um den ästhetischen Ansprüchen bzw. den Wünschen der älteren Menschen gerecht zu werden, muss man sich individuell ihrer Person annehmen. Und somit versteht sich der ältere Patient als eine Herausforderung und eine Chance zugleich.

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