Effekte perioperativer psychologischer Interventionen auf die postoperative Genesung nach Bypassoperation

Theoretischer Hintergrund: Jedes Jahr sterben über 350.000 Menschen in Deutschland an einer Krankheit des Herzkreislaufsystems. Die Koronare Herzkrankheit gilt dabei als Hauptursache und führt die Todesstatistik noch vor bösartigen Neubildungen an. Neben medikamentösen Therapieoptionen und Stent- bzw. Ballonkathetertechniken ist die aortokoronare Bypassoperation die Therapie der Wahl bei besonders schweren Formen der Koronarsklerose. Diese Operation ist mit einer In-Hospital-Letalität von 3,0% und einer hohen Rate an postoperativen Komplikationen wie Wundheilungsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Nierenfunktionsstörungen und postoperativer Depression noch immer optimierungsbedürftig. In früheren Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass psychosoziale Risikofaktoren wie Depressivität, Ängstlichkeit, Stress und soziale Isolation mit höherer Morbidität und vermehrten postoperativen Komplikationen vergesellschaftet sind. Es konnte gezeigt werden, dass sich solche Risikofaktoren durch psychologische Interventionen positiv beeinflussen lassen, sodass auch ein direkter Einfluss von psychologischen Interventionen auf das somatische Outcome denkbar ist. Ziel der vorliegenden Studie ist es, zu untersuchen, ob perioperative psychologische Interventionen, die speziell an die Bedürfnisse der Patienten angepasst sind, postoperative Komplikationen vermindern und das somatische Outcome von Bypass-Patienten verbessern können. Eine weitere Fragestellung zielt darauf ab, ob Patienten mit hohem psychosozialem Risiko von diesen Interventionen mehr profitieren als Patienten mit geringem Risiko. Als Outcomeparameter wurden ein Komplikationsindex, postoperative Wundheilungsstörungen und Herzrhythmusstörungen, Schmerzen, Lungenfunktion und körperlicher Gesundheitszustand untersucht. Methoden: Diese Arbeit entstand im Rahmen der DFG-Studie Bypasssurgery with Psychological and Spiritual Support: BY.PASS. Das Patientenkollektiv war Teil eines Gesamtkollektivs, welches im Zeitraum 2006 bis 2009 untersucht wurde. Es bestand aus 333 Männern und Frauen älter als 18 Jahre, die sich einer elektiven Bypassoperation zum Teil mit aortenklappenchirurgischem Eingriff kombiniert, unterzogen und einen Interventionswunsch äußerten. Die Patienten der Kontrollgruppe wurden hypothetisch gefragt, ob sie eine psychologische Betreuung wünschten und in die entsprechenden Gruppen eingeteilt. In der Interventionsgruppe wurde auf Wunsch eine psychologische Betreuung zur Seite gestellt. Diese Patienten erhielten jeweils ein Gespräch präoperativ, postoperativ auf der Intensivstation und vor Entlassung. Bei Bedarf fanden auch zusätzliche Gespräche mit der Psychologin statt. Die Inhalte der Interventionen waren unterschiedlich und an die Bedürfnisse der Patienten angepasst. Hauptbestandteil waren emotionale Unterstützung, Entspannungsverfahren und Schmerzbewältigungstechniken sowie Motivation und positive Bestärkung. Anhand der erzielten Punktzahl im Fragebogen zur Erfassung von Depressivität und Ängstlichkeit (HADS-D) wurden die Patienten in die psychosozialen Risikogruppen „hohes Risiko“ und „geringes Risiko“ eingeteilt. Das Outcome bzw. die Komplikationen wurden von den behandelnden Ärzten auf Station dokumentiert. 3 und 6 Monate nach Entlassung wurden die Patienten nochmals gebeten, Angaben zu ihrem körperlichen und seelischen Gesundheitszustand, ihren Schmerzen und dem allgemeinen Wohlbefinden zu machen. Mit dieser Methode konnten auch längerfristige Effekte erfasst werden. Ergebnisse: Obwohl keine globalen Effekte der Intervention nachgewiesen werden konnten, waren dennoch differentielle Effekte in Bezug auf einzelne Risikogruppen zu verzeichnen. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe hinsichtlich postoperativer Komplikationen, Schmerzen, Lungenfunktion und körperlichem Gesundheitszustand. Dennoch weisen die Ergebnisse darauf hin, dass positive Effekte der Intervention vorhanden sind. Patienten der Interventionsgruppe wiesen tendenziell einen niedrigeren Komplikationsindex, weniger Wundheilungsstörungen sowie eine bessere Lungenfunktion und einen besseren Gesundheitszustand postoperativ auf als die Patienten der Kontrollgruppe. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass Patienten mit hohem psychosozialem Risiko hinsichtlich postoperativer Komplikationen und körperlichem Gesundheitszustand signifikant mehr von den Interventionen profitieren als Patienten mit geringem Risiko. Schlussfolgerungen: Insgesamt zeigten sich positive Effekte der Interventionen. In der Praxis ist nach vorliegender Ergebnislage ein Screening der Patienten auf psychosoziale Risikoparameter sinnvoll. Entsprechend sollten insbesondere jene Patienten psychologisch unterstützt werden, die präoperativ hohe Angst- und Depressionswerte sowie eine geringe soziale Unterstützung aufweisen.

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