Mechanistische Untersuchungen an Terpensynthasen aus Medicago truncatula

Pflanzen haben im Laufe der Evolution verschiedene Strategien entwickelt, um auf biotische und abiotische Stressfaktoren zu antworten. So reagiert zum Beispiel Medicago truncatula, eine zur Luzerne verwandte Kleeart, auf den Befall durch Herbivoren mit der Freisetzung einer großen Bandbreite an flüchtigen Verbindungen, deren Hauptbestandteil Sesquiterpene sind. Die Bildung der Terpene wird durch sogenannte Terpensynthasen vermittelt, die die Umwandlung der in allen Pflanzen vorkommenden Prenyldiphosphate zu einer großen Anzahl unterschiedlichster Kohlenstoffgerüste katalysieren. Da dies der erste Schritt des Biosyntheseweges ist, in dem die Generierung der Terpene maßgeblich kontrolliert werden kann, bezeichnet man Terpensynthasen im Allgemeinen als die Schlüsselenzyme der Terpenbiosynthese. Ziel dieser Arbeit war es verschiedene Terpensynthasen aus Medicago truncatula zu isolieren, heterolog zu exprimieren und im Hinblick auf den Reaktionsmechanismus zu charakterisieren. Durch den Einsatz von isotopenmarkierten Substratsonden und artifiziellen Substratanaloga sollte der Verlauf der Reaktionskaskaden aufgeklärt werden. Weiterhin sollte die Bestimmung der Absolutkonfiguration der Produkte Informationen über den genauen stereochemischen Verlauf der Zyklisierungskaskaden und die enzymatische Kontrolle über die einzelnen Reaktionskanäle liefern. Anhand computergestützter Analysen der aktiven Zentren und in vitro-Mutagenese sollten strukturelle Grundlagen der katalytischen Mechanismen untersucht werden. Drei der insgesamt sechs bekannten pflanzlichen Terpensynthasegene konnten in E. coli heterolog exprimiert und über einen angehängten N-terminalen His-tag aufgereinigt werden. Die Charakterisierung der rekombinanten Proteine hinsichtlich Produkt- und Substratspezifität ergab, dass es sich bei MtTPS1 und MtTPS5 um Sesquiterpensynthasen handelte. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen der Sequenzanalyse von MtTPS1 und MtTPS5, bei der keine N-terminalen Signalpeptide erkannt wurden. Daraus ergibt sich eine für Sesquiterpensynthasen typische zytosolische Lokalisation. Während es sich bei MtTPS1 um ein hochspezifisches Enzym handelte, das nur (-)-(E)-β-Caryophyllen (92 %) und α-Humulen (8 %) bildete, katalysierte MtTPS5, ausgehend von (2E,6E)-Farnesyldiphosphat, die Bildung einer großen Anzahl strukturell unterschiedlicher Produkte. Im Gegensatz zu MtTPS1, scheint MtTPS5 nur zu einem geringen Teil zum Duftstoffspektrum beizutragen, das in Reaktion auf den Befall von Spodoptera littoralis freigesetzt wird. MtTPS3 war in der Lage sowohl Geranyl- (C10), Farnesyl- (C15) als auch Geranylgeranyldiphosphat (C20) in die entsprechenden tertiären allylischen (3S)-Alkohole umzuwandeln, wobei die Umsetzung des C15-Substrats am effektivsten verlief. Aufgrund der Akzeptanz einer großen Bandbreite von Substraten, ist eine Zuordnung der Funktion von MtTPS3 hinsichtlich der Duftstoffbiosynthese in planta schwierig. Die N-terminale Transitsequenz deutet darauf hin, dass MtTPS3 in den Plastiden aktiv ist und dort unter anderem an der Bildung des Homoterpens TMTT beteiligt ist. Um die genaue Funktion der identifizierten Terpensynthasen in der Pflanze zu bestimmen, sind weiterführende Experimente nötig. Die Umsetzung des rekombinanten Enzyms MtTPS5 mit dem natürlichen Substrat (2E,6E)-Farnesyldiphosphat führte zu 27 verschiedenen Sesquiterpenen, die überwiegend ein 3,7-Dimethyl-10-isopropyloctalingrundgerüst (Cadalan-Grundgerüst) besaßen. Durch Markierungsexperimente unter Verwendung von schwerem Wasser konnte die Hypothese von Arigoni bestätigt werden, die einen Biosyntheseweg für Verbindungen mit einer (Z)-konfigurierten C2-C3-Doppelbindung (z. B. Cadalane) beinhaltet. Der Schlüsselschritt auf dem Weg zu Cadalan-Grundgerüsten ist die Protonenübertragung auf das neutrale, enzymgebundene Intermediat Germacren D, die im Rahmen dieser Arbeit erstmals nachgewiesen werden konnte. Dieser Bildungsweg stellt eine Alternative zu dem gemeinhin akzeptierten und gut untersuchten Reaktionsweg über die FDP-NDP-Isomerisierung dar. Einzelheiten über die strukturellen Grundlagen des Protonierungsprozesses konnten durch in vitro-Mutagenese einer Aminosäure im aktiven Zentrum von MtTPS5 erlangt werden. Der Austausch von Tyrosin gegen Phenylalanin in Position 526 führte zu einer tiefgreifenden Änderung des Produktspektrums von MtTPS5, in dem, wie sich zeigte, die Protonierung von Germacren D verhindert wurde. Diese Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit von Protonenübertragungsreaktionen in der Biosynthese von Sesquiterpenen und geben weitere Einblicke, wie diese Reaktionen die evolutionäre Flexibilität der Terpensynthasen vergrößern. Neben der Protonen-initiierten Bildung des (2Z,6E)-Germacren-1-ylkations ist MtTPS5 in der Lage, Cadalan-Sesquiterpene über die Zwischenstufe Nerolidyldiphosphat zu generieren, die eine Isomerisierung von (2E,6E)-Farnesyldiphosphat erlaubt. Ein Vergleich der Produktprofile, die nach Inkubation mit den beiden enantiomeren Nerolidyldiphosphaten und dem präisomerisierten (2Z,6E)-FDP erhalten wurden, lässt den Schluss zu, dass die Fähigkeit von MtTPS5 zur vorgelagerten Isomerisierung sehr gering ausgeprägt ist. So lieferte die Umsetzung mit (2Z,6E)-FDP im Vergleich zum natürlichen Substrat Produkte mit teils komplett anderen Kohlenstoffgerüsten, obwohl die gleichen Reaktionsschritte wie Zyklisierung und 1,3-Hydrid-Shifts für den Aufbau der Produkte verwendet wurden. Dockingexperimente lassen vermuten, dass die unterschiedlichen Startkonformationen der beiden doppelbindungsisomeren Substrate die verschiedenen Produktspezifitäten bedingen. Durch die Analyse des stereochemischen Verlaufs der (2E,6E)-FDP-Reaktionskaskade mit chiral deuterierten Farnesyldiphosphaten und der Bestimmung der Absolutkonfiguration der Enzymprodukte konnten Informationen über die enzymatische Kontrolle und den zeitlichen Ablauf der Reaktionsschritte erhalten werden. Die Bildung optisch reiner Produkte wird durch die stringente enzymatische Kontrolle der am Aufbau von Stereozentren beteiligten Ringschlüsse und Hydridverschiebungen erreicht. Im Gegensatz dazu ist die Kontrolle der finalen Reaktionsschritte, die zur Freisetzung der Produkte führen, limitiert. Dies wird aus der Bildung von Doppelbindungsisomeren und epimeren Alkoholen ersichtlich. Durch retrosynthetische Überlegungen, basierend auf der stereochemischen Information über die Enzymprodukte, konnte die Absolutkonfigurationen der Stereozentren auf eine Startkonformation des zyklisierenden Substrates zurückgeführt werden.

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