Privatkopie und Pauschalvergütungssystem der §§ 53 Abs. 1, 54 ff. UrhG im Zeitalter der Digitalisierung : eine verfassungsrechtliche Untersuchung

Der bundesdeutsche Gesetzgeber unterliegt grundsätzlich der Bindung an europarechtliche Vorgaben. Angesichts des grundsätzlichen Anwendungsvorrangs (auch) von sekundärem Gemeinschaftsrecht gegenüber verfassungsrechtlichen Vorgaben gilt dies auch, wenn und soweit die inhaltlichen Anforderungen sekundären Gemeinschaftsrechts verfassungsrechtlichen Vorgaben widersprechen. Eine Grenze findet diese Bindung allerdings dort, wo es dem nationalen Gesetzgeber kraft Grundgesetz verwehrt ist, Hoheitsrechte auf die Organe der Europäischen Gemeinschaft zu übertragen. Diese Grenze ist dort anzusiedeln, wo Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft dem Grundrechtsschutz, wie er durch die verfassungsrechtliche Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG garantiert wird, zuwider liefen. Art. 2 Info - RL gewährt dem Urheber ein grundsätzlich ausschließliches Vervielfältigungsrecht an seinem Werk, wobei der Vervielfältigungsbegriff ein weiter ist und grundsätzlich jedwede denkbare Vervielfältigungsform umfasst. Allerdings sieht sich das Vervielfältigungsrecht in Art. 5 Info - RL zahlreichen Ausnahmen vorwiegend zugunsten der Allgemeinheit ausgesetzt. So wird in Art. 5 Abs. 1 Info - RL dem nationalen Gesetzgeber eine zwingende Schranke zugunsten solcher technisch zwingender, bloß temporärer ephemerer Hilfsspeicherungen auferlegt, wie sie typischerweise bei Online-Diensten im Rahmen der notwendigen Speicherungen von Werkinhalten auf Servern oder aber bei Werknutzern im Rahmen von Cache- bzw. RAM-Speicherungen als notweniger Zwischenschritt für den eigentlichen Werkgenuss entstehen. Im Rahmen der fakultativen Schranken der Art. 5 Abs. 2 und 3 Info - RL wird dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt, die dort genannten Schrankentatbestände in nationales Recht umzuwandeln. Angesichts des abschließenden Charakters der Vorschrift ist die Einführung nationaler Beschränkungen des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Urhebers, die über den sachlichen Anwendungsbereich der Art. 5 Abs. 2 und 3 Info – RL hinausgehen, hingegen nicht möglich. Im Rahmen reprographischer Vervielfältigungen sieht die Richtlinie eine weite Schrankenbestimmung vor, die neben dem Erfordernis der Herstellung des Vervielfältigungsexemplars auf einem Träger, der das Werkstück unmittelbar sinnlich wahrnehmbar macht, keine tatbestandlichen Einschränkungen vorsieht. Für den Bereich jeder sonstigen privaten Vervielfältigungstätigkeit sieht Art. 5 Abs. 2 lit. b) Info - RL eine Beschränkung des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Urhebers zum Gebrauch durch den Werknutzer innerhalb der Privatsphäre zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse vor, ohne hierbei zwischen analoger und digitaler Vervielfältigungstechnik zu unterscheiden. Auch lässt die Richtlinie hier die Vervielfältigung durch Dritte zu, sofern es sich dabei um natürliche Personen handelt. Hinsichtlich reprographischer wie sonstiger privater Vervielfältigungs-tätigkeit sieht die Richtlinie zwingend vor, dass dem Urheber für den hierdurch erfolgten Eingriff in sein Vervielfältigungsrecht ein gerechter Ausgleich gewährt werden müsse. Insoweit legt die Richtlinie einen Kompensationsanspruch in Geld nahe, macht aber im Übrigen keine konkreten Vorgaben, wie dieser Ausgleich hinsichtlich Art und Höhe durch den nationalen Gesetzgeber ausgestaltet werden müsse. Insbesondere sieht die Richtlinie keine Bevorzugung individueller Vergütungssysteme zulasten pauschaler Vergütungssysteme vor. Schließlich haben alle Beschränkungen des Art. 5 der Info - RL den Vorgaben des aus dem internationalen Urheberrecht bekannten Dreistufentests zu genügen.

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