Kontaktloses Taekwondo als sozialpädagogische Intervention : empirische Untersuchungen zum Training von Selbstkontrolle und zur Verringerung von Aggressivitätsfaktoren

  • Diese Arbeit behandelt die Frage nach geeigneten Kampfsportarten, welche für die Gestaltung von sozialpädagogischen Maßnahmen in Betracht gezogen werden können – mit Blick auf die Förderung von Selbstkontrolle, um auf Aggressivität und Gewalttätigkeit bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden antworten zu können. Ausschlaggebende Faktoren, die innerhalb des Individuums liegen, können in der Fähigkeit zur Selbstkontrolle gesehen werden. Auf die Frage nach entsprechenden Fördermöglichkeiten existieren verschiedene Antworten aus Psychologie und Pädagogik. Bei pädagogischen Maßnahmen wird teilweise auch Kampfsport in Betracht gezogen, wobei sich zeigt, dass massive Kritik vonseiten sozialpädagogischer Positionen an existierenden Ansätzen geäußert wird. Es wird u.a. kritisiert, dass dort Elemente enthalten sind, die eine besondere psychologische Qualifikation erfordern würden. Darüber hinaus wird von diesen Ansätzen vehement abgeraten. Dies wird als Anlass genommen, den möglichen Einsatz von Kampfsport zur sozialpädagogischenDiese Arbeit behandelt die Frage nach geeigneten Kampfsportarten, welche für die Gestaltung von sozialpädagogischen Maßnahmen in Betracht gezogen werden können – mit Blick auf die Förderung von Selbstkontrolle, um auf Aggressivität und Gewalttätigkeit bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden antworten zu können. Ausschlaggebende Faktoren, die innerhalb des Individuums liegen, können in der Fähigkeit zur Selbstkontrolle gesehen werden. Auf die Frage nach entsprechenden Fördermöglichkeiten existieren verschiedene Antworten aus Psychologie und Pädagogik. Bei pädagogischen Maßnahmen wird teilweise auch Kampfsport in Betracht gezogen, wobei sich zeigt, dass massive Kritik vonseiten sozialpädagogischer Positionen an existierenden Ansätzen geäußert wird. Es wird u.a. kritisiert, dass dort Elemente enthalten sind, die eine besondere psychologische Qualifikation erfordern würden. Darüber hinaus wird von diesen Ansätzen vehement abgeraten. Dies wird als Anlass genommen, den möglichen Einsatz von Kampfsport zur sozialpädagogischen Förderung der Selbstkontrolle im Rahmen von gewaltpräventiven Zielsetzungen zu diskutieren. Im Zuge dessen wird festgestellt, dass es nicht eindeutig ist, welche Art von Kampfsport unter welchen Bedingungen günstige Auswirkungen hat. Mit der vorliegenden Untersuchung soll hier mehr Klarheit geschaffen werden. In einem Methoden-Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden werden verschiedene Varianten von Kampfsport (Taekwondo) untersucht, um – mit Blick auf ein Training der Selbstkontrolle – die Bedingungen zu diskutieren, die an die pädagogische Gestaltung von Kampfsportmaßnahmen zu richten sind. Das Vorgehen beinhaltet die Durchführung einer korrelativen Studie sowie von Experten-Interviews. Es wird der Frage nachgegangen, wodurch sich unterschiedliche Aggressivitätswerte zwischen traditionellen und modernen Kampfsportvarianten erklären lassen. Dazu wurde in einer quantitativen Erhebung überprüft, ob sich Unterschiede bei Distanzkampfsportarten nach der Art des Gegnerkontaktes finden lassen: Erhoben wurden Aggressivitätsfaktoren (K-FAF) nach Heubrock und Petermann (2008) – darunter die Spontane Aggressivität (α=0,795), Reaktive Aggressivität (α=0,815), Erregbarkeit (α=0,856), Selbstaggressivität (α=0,845) und die Summe der Aggressivität (α=0,833) (die Aggressionshemmung konnte mit einem Cronbachs α=0,505 nicht reliabel erhoben werden) – sowie die dispositionelle Selbstkontroll-Kapazität (α=0,791) (SCS-K-D; Bertrams & Dickhäuser 2009). Es konnten Taekwondo-Schulen dreier verschiedener Varianten (n=165) befragt werden, nämlich einer (traditionellen) Variante ohne Kontakt (n=75), einer (traditionellen) mit Leichtkontakt (n=52) sowie einer (modernen) mit Vollkontakt (n=38). Bei der Untersuchung der Persönlichkeitsstruktur der Probanden bzw. der Persönlichkeitsfaktoren (BFI-10, german version) nach Rammstedt & John (2007) konnte nur die Extraversion (α=0,597) reliabel erhoben werden (für die übrigen wurde ein α<0,5 ermittelt). Die Skala zur Erfassung von Testverfälschung durch positive Selbstdarstellung und sozial erwünschter Antworttendenz (SEA-K) nach Satow (2012) konnte nicht reliabel erhoben werden (α=0,461). Zusätzlich wurden in einer qualitativen Erhebung (sechs Interviews) die aus der Forschung bekannten Unterscheidungsmerkmale zwischen traditionellen und modernen Varianten überprüft – und zwar in leitfadengestützten (Experten-) Interviews mit Schulleitern der Variante ohne Kontakt (drei Interviews), mit Leichtkontakt (zwei Interviews) und Vollkontakt (ein Interview). Im Hauptergebnis der quantitativen Erhebung finden sich keine signifikanten Unterschiede in den Aggressivitätswerten zwischen der Variante ohne Kontakt und mit Leichtkontakt, etwa in der Summe der Aggressivität (Levene-Test: F=1,013; df1/df2=2/148; p=0,366; n.s.; Varianzanalyse: F=9,129; p=0,000; part. Eta²=0,110; Bonferroni: p=1,000; n.s.) und zu beiden Varianten zeigen sich signifikant höhere Werte in der Vollkontaktvariante (Bonferroni: p=0,001; in beiden Fällen). Signifikante Unterschiede finden sich dabei in der Selbstkontrolle zwischen der Vollkontakt- und Leichtkontaktvariante (Levene-Test: F=2,238; df1/df2=2/158; p=0,110; n.s.; Varianzanalyse: F=4,159; p=0,017; part. Eta²=0,050; Bonferroni: p=0,014), im Alter zwischen der Variante ohne Kontakt und Leichtkontakt (Levene-Test: F=1,031; df1/df2=2/159; p=0,359; n.s.; Varianzanalyse: F=3,272; p=0,041; part. Eta²=0,040; Bonferroni: p=0,035) sowie in der Zusammensetzung von Schwarz- zu Weiß- und Farbgurten (χ²=9,53; df=2; p=0,009; Cramer V=0,24; n=165), mit Hinweisen auf einen höheren Anteil an Schwarzgurten in der Vollkontaktvariante. Dabei besteht keine Abhängigkeit zwischen der Art des Gegnerkontaktes und Geschlecht (χ²=1,112; df=2; p=0,574; n.s.) (das in allen Varianten gleich stark vertreten ist), Schulabschluss (χ²=8,516; df=4; p=0,074; n.s.) oder Berufstätigkeit (χ²=0,851; df=2; p=0,654; n.s.). Aus den Ergebnissen der qualitativen Erhebung ergibt sich, dass der Unterschied zwischen traditionellen und modernen Varianten (im Breitensport) nicht auf die Art des Gegnerkontaktes reduziert werden kann, aber vor allem darin zu sehen ist, dass gefährlicher Körperkontakt negativ sanktioniert wird. Weniger deutlich sind die Unterschiede in Bezug auf das Verhältnis von Formenlaufen gegenüber Zweikampf, auf einen respektvollen Umgang und auf die Bedeutung von Meditation, Philosophie oder Wettkampf.show moreshow less
  • The purpose of this work is to address the following question: what kind of martial arts can be considered suitable for the preparation of interventions that – within the disciplines of social pedagogy and social work – aim at training self-control while decreasing aggression and violence in youths and adults? Self-control can be described as crucial factor within individuals and there are different possibilities for enhancing self-control depending on a psychological or educational viewpoint. Whereas martial arts can be found in education there is much criticism being expressed by representatives of the area social pedagogy and social work. Amongst other things criticism concerns those elements of educational martial arts interventions that might require psychological qualifications. Above that, these interventions are vehemently being rejected for various reasons. This is taken as opportunity to discuss the possible application of martial arts for training self-control and to prevent violence. It can be said that it is not clearThe purpose of this work is to address the following question: what kind of martial arts can be considered suitable for the preparation of interventions that – within the disciplines of social pedagogy and social work – aim at training self-control while decreasing aggression and violence in youths and adults? Self-control can be described as crucial factor within individuals and there are different possibilities for enhancing self-control depending on a psychological or educational viewpoint. Whereas martial arts can be found in education there is much criticism being expressed by representatives of the area social pedagogy and social work. Amongst other things criticism concerns those elements of educational martial arts interventions that might require psychological qualifications. Above that, these interventions are vehemently being rejected for various reasons. This is taken as opportunity to discuss the possible application of martial arts for training self-control and to prevent violence. It can be said that it is not clear what kind of martial arts or what conditions can be associated with beneficial results. The aim of this work is to contribute to this question. With help of both quantitative and qualitative research methods different variants of taekwondo have been investigated in order to discuss conditions for the preparation of educational martial arts interventions. A correlative study has been conducted and experts have been interviewed. It has been asked how different values for aggressivity – found between traditional and modern martial arts – can be explained. In a quantitative study it has been tested if observable differences can be connected to the degree to which different variants of taekwondo allow for physical contact among participants: Measures consisted of the ‘Kurzfragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren’ (K-FAF; Heubrock & Petermann 2008) containing scales for ‘Spontane Aggressivität’ (α = 0.795) ‘Reaktive Aggressivität’ (α = 0.815), ‘Erregbarkeit’ (α = 0.856), ‘Selbstaggressivität’ (α = 0.845) and ‘Summe der Aggressivität’ (α = 0.833) (for ‘Aggressionshemmung’ Cronbach’s α = 0.505 which is not reliable) – and the ‘dispositionelle Selbstkontroll-Kapazität’ (α = 0.791) (SCS-K-D; Bertrams & Dickhäuser 2009). Three different variants of taekwondo have been investigated (n = 165): one (traditional) variant without contact (n = 75), one (traditional) variant with light-contact (n = 52) and one (modern) variant with full-contact (n = 38). The measurement of the ‘Big Five Inventory’ (BFI-10, german version; Rammstedt & John 2007) showed no reliable results (α < 0,5) except for ‘Extraversion’ (α = 0.597). Furthermore, the ‘Skala zur Erfassung von Testverfälschung durch positive Selbstdarstellung und sozial erwünschter Antworttendenz’ (SEA-K; Satow 2012) showed no reliable result (α = 0.461). The qualitative research consisted of six half-structured interviews to examine the classification of ‘traditional’ and ‘modern’ martial arts. For this purpose, interviews have been conducted with three headmasters of the traditional variant without contact, two headmasters of the traditional variant with light-contact and one headmaster of the variant with full-contact. Main results of the quantitative research indicate no significant differences between the variant without contact and the variant with light-contact concerning the ‘Summe der Aggressivität’ (Levene-Test: F=1.013; df1/df2=2/148; p=0.366; n.s.; ANOVA: F=9.129; p=0.000; part. Eta²=0.110; Bonferroni: p=1.000; n.s.) and the (modern) variant with full-contact shows significantly higher values compared to both these (traditional) variants (Bonferroni: p=0.001; both times). At the same time, there exist significant differences concerning the values of self-control between the variants with light-contact and full-contact (Levene-Test: F=2.238; df1/df2=2/158; p=0.110; n.s.; ANOVA: F=4.159; p=0.017; part. Eta²=0.050; Bonferroni: p=0.014) and concerning age between the variant without contact and the variant with light-contact (Levene-Test: F=1.031; df1/df2=2/159; p=0.359; n.s.; ANOVA: F=3.272; p=0.041; part. Eta²=0.040; Bonferroni: p=0.035) and also concerning the rate of black-belts to non-black-belts (χ²=9.53; df=2; p=0.009; Cramer’s V=0.24; n=165) with a higher rate of black-belts within the variant with full-contact. Again, at the same time, there doesn’t seem to be a dependency between the different martial arts variants and gender (χ²=1.112; df=2; p=0.574; n.s.) (which is distributed equally throughout the variants), nor graduation (χ²=8.516; df=4; p=0.074; n.s.) nor professional activity (χ²=0.851; df=2; p=0.654; n.s.). Main results of the qualitative research show that differences between traditional and modern martial arts – as far as these are sports for the general public – cannot be reduced to questions of (the rate and intensity of) physical contact, but should primarily be associated with the degree to which harmful contact is negatively sanctioned. No differences have been found concerning the relative importance of the hyongs, as compared to sparring, or concerning respectful interactions or concerning meditation, philosophy and competition.show moreshow less

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Metadaten
Author:Thaler, Philipp
URN:urn:nbn:de:bvb:824-opus4-4741
Advisor:Prof. Dr. Heese, Carl, Apl. Prof. Dr. Birgmeier, Bernd
Document Type:Doctoral thesis
Language of publication:German
Online publication date:2018/09/17
Date of first Publication:2018/09/17
Publishing Institution:Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Awarding Institution:Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Philosophisch-Pädagogische Fakultät
Date of final examination:2018/09/03
Release Date:2018/09/17
Tag:Makro-Mikro-Makro-Modell soziologischer Erklärung; Methoden-Mix; Qualitative Forschung; Quantitative Forschung; Selbstkontrolltraining; Willenskraft
GND Keyword:Sozialpädagogik; Sozialarbeit; Empirische Forschung; Gewalt; Prävention; Selbstkontrolle
Pagenumber:250 Seiten : Diagramme
Faculty:Philosophisch-Pädagogische Fakultät
Dewey Decimal Classification:1 Philosophie und Psychologie
3 Sozialwissenschaften
License (German):License LogoCreative Commons - CC BY - Namensnennung 4.0 International
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