Sicherheit statt Freiheit?

Security instead of freedom?

  • Sicherheit statt Freiheit? Diese Arbeit untersucht Sicherheit und Freiheit in der heutigen Gesellschaft. Besonders wichtig ist dabei die Art und Weise, wie Sicherheit und Freiheit miteinander zusammenhängen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen: es soll untersucht werden, ob eine Entwicklung hin zu mehr Sicherheit auf Kosten der Freiheit stattgefunden hat. Freiheit wird aus soziologischer Sicht im Zusammenwirken mit Kontrolle und gesellschaftlicher Interaktion betrachtet. Die Interaktionsmöglichkeiten des Einzelnen mit anderen unterliegen der Eigen- und der Fremdkontrolle. Je höher das Maß der Eigenkontrolle, desto mehr Freiheit existiert in einer Gesellschaft. Mehr Sicherheit geht einher mit einer Ausweitung der Fremdkontrolle. Neben der Kontrolle existieren weiterhin sekundäre Bedingungen wie z. B. Wissen und bestimmte politische Strukturen, die für die Ausübung der Eigenkontrolle von Bedeutung sind. Sicherheit wird durch das Zusammenwirken verschiedener Partner gesellschaftlich produziert. Die Analyse des Zusammenspiels vonSicherheit statt Freiheit? Diese Arbeit untersucht Sicherheit und Freiheit in der heutigen Gesellschaft. Besonders wichtig ist dabei die Art und Weise, wie Sicherheit und Freiheit miteinander zusammenhängen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen: es soll untersucht werden, ob eine Entwicklung hin zu mehr Sicherheit auf Kosten der Freiheit stattgefunden hat. Freiheit wird aus soziologischer Sicht im Zusammenwirken mit Kontrolle und gesellschaftlicher Interaktion betrachtet. Die Interaktionsmöglichkeiten des Einzelnen mit anderen unterliegen der Eigen- und der Fremdkontrolle. Je höher das Maß der Eigenkontrolle, desto mehr Freiheit existiert in einer Gesellschaft. Mehr Sicherheit geht einher mit einer Ausweitung der Fremdkontrolle. Neben der Kontrolle existieren weiterhin sekundäre Bedingungen wie z. B. Wissen und bestimmte politische Strukturen, die für die Ausübung der Eigenkontrolle von Bedeutung sind. Sicherheit wird durch das Zusammenwirken verschiedener Partner gesellschaftlich produziert. Die Analyse des Zusammenspiels von Sicherheit und Freiheit auf der theoretischen Ebene führt zu der Erkenntnis, dass Privatheit das entscheidende Kriterium darstellt. Ein Mehr an Privatheit geht einher mit einem hohen Maß an Eigenkontrolle, die der wichtigste Gradmesser für Freiheit ist. Die Fremdkontrolle durch Dritte von Außen erhöht in der Theorie die Sicherheit, da in begrenztem Ausmaß das Verhalten kontrollierbar und damit sicherer wird. Von der Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg und den Strukturen des freiheitlichen Verfassungsstaates führt die Analyse über die Notstandsgesetze, den Auswirkungen des Terrorismus der Roten Armee Fraktion, dem Volkszählungsurteil, europäischen Einigungsprozessen, dem großen Lauschangriff, den Folgen von 9/11 bis hin zum BKA-Gesetz im Jahre 2008. Die Auswirkungen der einzelnen Aspekte im Hinblick auf Freiheit und Sicherheit sind ambivalent. Viele Ereignisse reduzierten Freiheit, andere wie die europäischen Einigungsprozesse und manche Urteile des Bundesverfassungsgerichts erhöhten ihren Grad. Gleiches gilt auch für Sicherheit, allerdings waren die Auswirkungen auf die objektive Sicherheitslage schwer bestimmbar. Zusammenfassend kann man festhalten, dass Sicherheit und Freiheit keine lineare Entwicklung durchmachen. Mögliche Bedrohungsszenarien von Sicherheit und Freiheit, die befürchtet wurden, traten nicht auf, gleichzeitig wurden einschränkende Veränderungen flankiert von Ereignissen, die sowohl das Maß an Sicherheit als auch das Maß an Freiheit erhöhten. Der Wandel der Privatheit vollzieht sich in Form eines zunehmenden Kontrollverlusts über Einflüsse auf den privaten Kernbereich und die Kommunikationsschnittstellen: Alles und jeder ist überwachbar. In diesem Szenario agieren verschiedene Beteiligte, die in der Überwachungsgesellschaft überwachen und überwacht werden. Es fällt dabei ins Auge, dass nicht nur eine Neigung zum Überwachen existiert, sondern auch die Tendenz, freiwillig Privatheit aufzugeben und sich selbst öffentlich zu exponieren. Bezieht man den Aspekt Sicherheit in diese Überlegungen mit ein, reicht es im Kontext dieser Arbeit nicht aus, von einer Überwachungsgesellschaft zu sprechen, in der Sicherheit durch soziale Kontrolle ermöglicht wird. Stattdessen ist der Begriff Präventionsstaat treffender. Sicherheit wird zum Anspruch und erzwingt das immer frühere Handeln der sicherheitsproduzierenden Einrichtungen. Die Vermeidung von Risiken im Vorfeld des Geschehens wird zum Sachzwang, der das Handeln aller determiniert. Der Trend hin zur Miniaturisierung, der Ausbau der modernen Computertechnik und der stetige Ausbau der Datenbank-Technologie führen zu mehr Überwachungsmöglichkeiten, wobei die Möglichkeit bleibt, die gleichen Techniken zur Absicherung der Privatsphäre zu verwenden. In der alltäglichen Praxis ist dieser Weg aber mit Schwierigkeiten behaftet. Folgende Erkenntnisse sind die wichtigsten: Man kann eine generelle Tendenz hin zu weniger Freiheit klar erkennen. Diese Freiheit ist aber nicht nur bedroht durch einen staatlichen Big Brother, sondern auch durch das Verhalten der Individuen selbst, die bewusst und unbewusst ihre Privatheit unterwandern. Diese Einschränkung der Freiheit führt aber nur tendenziell zu einem Mehr an Sicherheit. Insofern ist die Formel »Sicherheit statt Freiheit?« dieser Arbeit an dieser Stelle zu relativieren. Das Weniger an Freiheit wird nicht von einer Erhöhung der objektiven Sicherheit begleitet, sondern wird vielmehr nur von dem Versprechen, bzw. der Aussicht auf ein Mehr an Sicherheit begleitet. Durch die Ausrichtung des Strebens nach Sicherheit auf Prävention wird diese gewünschte Steigerung von Sicherheit zum schwer zu erreichenden Ideal, das alle Beteiligten und vor allem auch die politischen Akteure enorm unter Druck setzt und zu einem immer weiter ausufernden Ausbau der Sicherheitsbestrebungen führt.show moreshow less
  • Security instead of freedom? This study investigates security and freedom in contemporary German society with regard to their interaction and mutual influence. It will be discussed in how far a development towards more security has taken place at the cost of less individual freedom. Freedom will be analyzed sociologically within the framework of social interaction and the control mechanisms characterizing it. In this tension between self-determination and heteronomy, the former is linked to freedom whereas security is supposedly accompanied by the latter. In addition, secondary factors such as knowledge or political structures shape individuals' possibilities of self-determination. A theoretical analysis of the interplay of security and freedom leads to the conclusion that privacy is the crucial criterion. A high level of privacy brings about a significant degree of self-determination, the most important factor for individual freedom. Control exercised by third-party actors, on the contrary, theoretically enhances security by makingSecurity instead of freedom? This study investigates security and freedom in contemporary German society with regard to their interaction and mutual influence. It will be discussed in how far a development towards more security has taken place at the cost of less individual freedom. Freedom will be analyzed sociologically within the framework of social interaction and the control mechanisms characterizing it. In this tension between self-determination and heteronomy, the former is linked to freedom whereas security is supposedly accompanied by the latter. In addition, secondary factors such as knowledge or political structures shape individuals' possibilities of self-determination. A theoretical analysis of the interplay of security and freedom leads to the conclusion that privacy is the crucial criterion. A high level of privacy brings about a significant degree of self-determination, the most important factor for individual freedom. Control exercised by third-party actors, on the contrary, theoretically enhances security by making individuals' behaviour more predictable. Taking the post-WWII situation and the structures of constitutional democracy as a starting point, the analysis includes the German emergency laws, the effects of the RAF's (Red Army Fraction) terrorism, the population census judgment, European unification processes, the large-scale wiretap operations, the consequences of 9/11 and the 2008 BKA (Federal Criminal Police Office) law. These event's impact on freedom are found to be ambivalent, some reducing, others increasing individual freedom. The same tendency can be observed regarding the effects on security, although an objective impact on actual security seems difficult to define. In a nutshell, it can be said that security and freedom did not undergo a linear development. Some expected threats to either one did not occur, while changes limiting one or both factors were at times accompanied by other events which helped improve both security and freedom standards. An important finding of this investigation is a change in privacy, which is characterized by individuals' increasing loss of control over their private sphere and the communicative interfaces linking it to society at large. It seems that everybody and everything can be kept under surveillance. However, not only the tendency towards surveillance is striking, but also an increased willingness to give up privacy voluntarily and expose oneself publicly. Including the aspect of security into these observations, it is there insufficient for the purposes of this paper to talk about a surveillance society in which security is achieved by social control. Instead, the term prevention state is more fitting. Security has become a social expectation and forces security-generating institutions into ever-earlier action. Avoiding risks therefore becomes compulsory and determines the actions of all social actors involved. At the same time, technological progress (miniature and computer technology, more extensive and elaborate databases) results in more opportunities for surveillance. Although the same technology could be used to ensure privacy, this turns out to be difficult to put into practice in everyday life. In summary, this study finds that a general tendency towards less individual freedom is apparent. Freedom is not only threatened by a "Big Brother" state, but also by the behaviour of the individuals themselves, who undermine their own privacy both intentionally and unintentionally. Various restrictions of freedom, however, only partly lead to more security. Instead of an objective increase in security, their result is merely a promise or perspective of more security. Since efforts focus on prevention, an improvement in security becomes a hard-to-achieve ideal that puts political and social actors under immense pressure and results in an excessive extension of security measures.show moreshow less

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Metadaten
Author:Hornig, Jens Christian
URN:urn:nbn:de:bvb:824-opus-793
Advisor: Lamnek, Siegfried
Document Type:Doctoral thesis
Language of publication:German
Online publication date:2010/06/11
Publishing Institution:Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Awarding Institution:Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät
Date of final examination:2010/03/25
Release Date:2010/06/11
Tag:John Stuart; On liberty; Willensfreiheit; Kapitalverkehrsfreiheit; Objektive Sicherheit; Subjektive Sicherheit; Freiheit der Person; Mill
security; freedom; liberty; privacy
GND Keyword:Freiheit; Innere Sicherheit; Privatheit; Deutschland; Soziologie
Faculty:Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät / Soziologie
Dewey Decimal Classification:3 Sozialwissenschaften / 30 Sozialwissenschaften, Soziologie / 300 Sozialwissenschaften
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