Auswirkungen von Hintergrundschall auf das Lesen und Verstehen von Texten

Effects of background sound on reading and text comprehension

  • In drei Experimenten wird die Sensitivität von Prozessen des Lesens und Textverstehens gegenüber Beeinträchtigungen durch verschiedene sprachliche und nicht-sprachliche Hintergrundschalle geprüft. Die Untersuchungen gründen auf der im Rahmen der Arbeitsgedächtnisforschung belegten Störwirkung von Hintergrundschallen. Das kurzzeitige Erinnern von Sequenzen sowohl visuell als auch auditiv präsentierter Stimuli wird durch die Darbietung von Schallen mit deutlicher temporal-spektraler Variabilität (Changing State) im Vergleich zur Aufgabenbearbeitung in ruhiger Umgebung gestört, obwohl die Probanden dazu angehalten sind, den für die Erinnerungsaufgabe irrelevanten Hintergrundschall nicht zu beachten. Dieses zuverlässig nachweisbare Phänomen ist unter der Bezeichnung Irrelevant Sound Effect bekannt. Unklar ist bislang allerdings, ob dieser Effekt auch auf andere Aufgabenstellungen übertragbar ist. Auf Grundlage eines arbeitsgedächtnisbasierten Erklärungsansatzes für das Zustandekommen des Irrelevant Sound Effect (Working Memory Model) undIn drei Experimenten wird die Sensitivität von Prozessen des Lesens und Textverstehens gegenüber Beeinträchtigungen durch verschiedene sprachliche und nicht-sprachliche Hintergrundschalle geprüft. Die Untersuchungen gründen auf der im Rahmen der Arbeitsgedächtnisforschung belegten Störwirkung von Hintergrundschallen. Das kurzzeitige Erinnern von Sequenzen sowohl visuell als auch auditiv präsentierter Stimuli wird durch die Darbietung von Schallen mit deutlicher temporal-spektraler Variabilität (Changing State) im Vergleich zur Aufgabenbearbeitung in ruhiger Umgebung gestört, obwohl die Probanden dazu angehalten sind, den für die Erinnerungsaufgabe irrelevanten Hintergrundschall nicht zu beachten. Dieses zuverlässig nachweisbare Phänomen ist unter der Bezeichnung Irrelevant Sound Effect bekannt. Unklar ist bislang allerdings, ob dieser Effekt auch auf andere Aufgabenstellungen übertragbar ist. Auf Grundlage eines arbeitsgedächtnisbasierten Erklärungsansatzes für das Zustandekommen des Irrelevant Sound Effect (Working Memory Model) und eines Modells zum Lesen und Textverstehen (Construction Integration Model) wird ein Zusammenhang zwischen Leistungen des Arbeitsgedächtnisses und dem Lesen und Verstehen von Texten hergestellt. Darauf aufbauend wird angenommen, dass sich Beeinträchtigungen durch die Darbietung von Hintergrundschallen mit deutlicher temporal-spektraler Variabilität auch beim Lesen und Textverstehen einstellen. Aufgrund der wesentlichen Bedeutung inhaltlicher Verarbeitungsvorgänge beim Lesen und Verstehen von Texten wird semantisch bedeutungsvollem – weil verständlichem – muttersprachlichem Hintergrundsprechen im Gegensatz zu fremdsprachlichem Hintergrundsprechen und einem Straßenverkehrsgeräusch eine besondere Störwirkung zugeschrieben. Allerdings wird von letzteren, aufgrund ihrer temporal-spektralen Variabilität, im Vergleich zu Ruhe ebenfalls eine Beeinträchtigung erwartet. Im ersten Experiment (n1=n2=n3=n4=20) zeigt sich eine Störung von Speicher- und Verarbeitungsvorgängen beim Lesen und Textverstehen ausschließlich durch semantisch bedeutungsvolles Hintergrundsprechen. Diese spiegelt sich in einem Anstieg der Fehlerraten bei der Endwortreproduktion und Inhaltsbeurteilung eines Lesespannentests wider. Bei der Verifikation unterschiedlicher Satzkonstruktionen ergibt sich im zweiten Experiment (n1=n2=n3=n4=24) ebenfalls eine Beeinträchtigung durch semantisch bedeutungsvolles Hintergrundsprechen, die sich besonders in einem Anstieg der Fehlerraten bei der Bearbeitung ambiguer Satzkonstruktionen manifestiert. Des Weiteren führt die Darbietung des muttersprachlichen Hintergrundsprechens zu einer Beschleunigung der Aufgabenbearbeitung. Im dritten Experiment (n1=n2=n3=n4=24) bearbeiten die Probanden eine mehrteilige Aufgabenstellung. Dabei werden die Korrektur eines Textes, das Wiedererkennen von Sätzen aus dem Text und die Beantwortung von inhaltlichen Fragen zum Text verlangt. Wiederum stellen sich Störwirkungen ausschließlich unter Darbietung von semantisch bedeutungsvollem Hintergrundsprechen ein. Diese schlagen sich in einem tendenziellen Anstieg übersehener grammatikalischer Fehler, einer niedrigeren Punktzahl bei der Beantwortung von Textfragen sowie in einer Veränderung des Urteilsverhaltens im Wiedererkennungstest nieder. Beeinträchtigungen durch die Präsentation von muttersprachlichem Hintergrundsprechen im Vergleich zu Ruhe lassen sich demnach in verschiedenen Aufgabenstellungen zum Lesen und Textverstehen aufzeigen. Diese Störwirkung von semantisch bedeutungsvollem Hintergrundsprechen ist vom Irrelevant Sound Effect abzugrenzen, da der semantische Gehalt von Hintergrundschallen für dessen Zustandekommen nachgewiesenermaßen nicht relevant ist. Im Rahmen des Irrelevant Sound Effect wären außerdem auch negative Auswirkungen durch fremdsprachliches Hintergrundsprechen und das Straßenverkehrsgeräusch zu erwarten, die sich jedoch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht nachweisen lassen. Die Besonderheit des semantisch bedeutungsvollen Hintergrundsprechens spiegelt sich auch in den subjektiven Urteilen der Probanden zur Wahrnehmung der Situation während der Aufgabenbearbeitung wider. Demnach wird die Bearbeitung der Testaufgaben bei Präsentation des semantisch bedeutungsvollen Hintergrundsprechens als schwieriger erlebt. Mit zunehmender Versuchsdauer zeigt sich unter Darbietung des semantisch bedeutungsvollen Hintergrundsprechens im Vergleich zu Ruhe auch ein deutlicher Anstieg der von den Probanden berichteten Beanspruchung. In Bezug auf die empfundene Ermüdung werden auch negative Auswirkungen durch das fremdsprachliche Hintergrundsprechen und das Straßenverkehrsgeräusch beschrieben. Die geschilderten Untersuchungsergebnisse werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit bezüglich ihrer theoretischen Bedeutung und ferner im Hinblick auf anwendungsbezogene Implikationen diskutiert.show moreshow less
  • Three experiments explore the sensitivity of reading and text comprehension to impairment by different speech and non-speech background sounds. The investigation is based on the decline of performance due to presentation of background sound which is verified in working memory science. In comparison to working in silent conditions short-term recall of visually as well as acoustically presented sequences of stimuli is impaired by presentation of background sounds that feature distinctive temporal-spectral variation (Changing State) although subjects are requested not to pay attention to the background sound. This reliably verified phenomenon is termed Irrelevant Sound Effect. However it is uncertain whether the effect can be generalized to other tasks. Within the framework of a working memory based approach to the explanation of the Irrelevant Sound Effect (Working Memory Model) and a reading and text comprehension model (Construction Integration Model) an interrelationship between working memory and reading and text comprehension isThree experiments explore the sensitivity of reading and text comprehension to impairment by different speech and non-speech background sounds. The investigation is based on the decline of performance due to presentation of background sound which is verified in working memory science. In comparison to working in silent conditions short-term recall of visually as well as acoustically presented sequences of stimuli is impaired by presentation of background sounds that feature distinctive temporal-spectral variation (Changing State) although subjects are requested not to pay attention to the background sound. This reliably verified phenomenon is termed Irrelevant Sound Effect. However it is uncertain whether the effect can be generalized to other tasks. Within the framework of a working memory based approach to the explanation of the Irrelevant Sound Effect (Working Memory Model) and a reading and text comprehension model (Construction Integration Model) an interrelationship between working memory and reading and text comprehension is established. Based on this connection it is assumed that impairment by the presentation of background sounds that feature distinctive temporal-spectral variation can be generalized to reading and text comprehension. Due to the essential importance of semantic processing with regard to reading and text comprehension the main disruptive effect is attributed to meaningful – comprehensible – native background speech in comparison to foreign speech and road traffic sound. However because of their temporal-spectral variability a disruptive effect is also ascribed to the latter sound conditions. The first experiment (n1=n2=n3=n4=20) proves negative effects of meaningful background speech on storage and processing performance in reading and text comprehension. The impairment precipitates in an increase of error rates with regard to word recall and content verification subtasks of a reading span task. Within the second experiment (n1=n2=n3=n4=24) that demands verification of sentence constructions which vary in terms of their complexity also negative effects of meaningful background speech are shown. The impairment especially becomes manifest in an increase of error rates during processing of ambiguous sentence constructions. Additionally the presentation of native background speech causes an acceleration of task processing. In the third experiment (n1=n2=n3=n4=24) subjects process a multipart task which demands correction and recognition of a text as well as answering contextual questions on the text. Again negative effects only arise in the context of meaningful background speech. Presentation of meaningful background speech tends to result in an increase of overlooked grammatical errors and causes a decline of score with regard to answering questions on the text. It also changes to judgment behaviour in the recognition test. Thus impairments by presentation of native background speech in comparison to silent working conditions are proved in different reading and text comprehension tasks. This impairment caused by meaningful background speech must be separated from the Irrelevant Sound Effect, since in this context the semantic content of background sounds is not relevant. With regard to the Irrelevant Sound Effect also negative effects of the presentation of foreign speech and road traffic noise have been expected which can not be proved in the conducted experiments. The special role of meaningful background speech is also reflected in the subjects´ subjective judgements concerning the perception of the situation during task processing. According to this processing of the tasks is estimated more difficult during presentation of meaningful background speech. As duration of the test situation increases the presentation of meaningful background speech in comparison to silent working conditions also gives rise to an explicit increase of subjects´ perceived stress. With regard to sensed exhaustion negative effects due to presentation of foreign speech and road traffic sound are also reported. Within thesis at hand the depicted results are discussed in terms of their theoretical relevance and with regard to practical implications.show moreshow less

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Metadaten
Author:Liebl, Andreas
URN:urn:nbn:de:bvb:824-opus-388
Advisor:Prof. Hellbrück, Jürgen
Document Type:Doctoral thesis
Language of publication:German
Online publication date:2006/11/16
Publishing Institution:Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Awarding Institution:Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Philosophisch-Pädagogische Fakultät
Date of final examination:2006/10/31
Release Date:2006/11/16
Tag:disturbance; noise; stress; text comprehension; working memory
GND Keyword:Textverstehen; Arbeitsgedächtnis; Lärm; Beanspruchung; Störung
Faculty:Philosophisch-Pädagogische Fakultät / Psychologie
Dewey Decimal Classification:1 Philosophie und Psychologie / 15 Psychologie / 150 Psychologie
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