Embodiment im Lernprozess – Ein Paradigmenwechsel in der Pädagogik?

Language
de
Document Type
Doctoral Thesis
Issue Date
2022-01-24
Issue Year
2022
Authors
Awad, Sarah
Editor
Abstract

This cumulative dissertation addresses the question of what potential can arise for pedagogy from considering embodiment theories. Embodiment or Embodied Cognition describes a collection of interdisciplinary approaches within the recent cognitive sciences, which do not locate cognitive processes purely mentally, but consider them as an interplay of mind, body, and environment. Within the introduction, there is first a brief description of the research needs and an explanation of the objects of investigation. To provide a theoretical basis for the present work, the basic ideas of embodiment approaches are then presented in contrast to classical theories of cognition. A general theoretical introduction to embodiment is followed by a transition to the field of pedagogy and thus an examination of the topic regarding its relevance for teaching and learning processes. Against the background of the question whether embodiment can lead to a paradigm shift in pedagogy, the aim of the work was on the one hand to process previous (from a pedagogical point of view relevant) findings on embodiment and based on this, based on two empirical studies, to record concrete effects of embodiment and to discuss them regarding their relevance for teaching and learning contexts. This goal was pursued step by step based on three publications, which form the core of the present dissertation and build on each other in terms of content. Publication 1 (Embodiment - The Underestimated Role of the Body in the Learning Process: A Paradigm Shift in School Pedagogy?) comprises a collection and systematization of selected individual findings of embodiment research on a theoretical level, with a focus on illuminating previous research from a school pedagogical perspective. Publication 1 concludes that important optimization opportunities for teaching and learning processes can result from considering findings on embodiment. Publication 1 is also the starting point for publications 2 and 3, two empirical studies presented in chapter 3.2. In Publication 2 (I sat, I felt, I performed: Posture Effects on Mood and Cognitive Performance), a theoretical and empirical examination of effects of moods and postures on aspects of cognitive performance (processing speed and accuracy in an attention and concentration test) is conducted. Here, the focus is on a comparative examination of upright and slumped postures. Contrary to most previous research, one of the claims was a largely implicit manipulation of posture. Based on previous literature, we aimed to test the hypotheses that 1) upright postures correlate with more positive mood, 2) upright postures lead to a higher processing speed in a concentration test, 3) slumped postures, on the other hand, promote more accurate processing, and that 4) effects of postures on cognitive performance are mediated by mood. The participants completed a concentration test and a questionnaire on their mood. It was found that people in the upright condition experienced a more positive mood and worked faster on the concentration test compared to the slumped condition. However, effects on processing accuracy could not be observed in the present sample. Also, mediation of the effects of posture on processing speed by mood is not evident in the data. Possible limitations and alternative explanations are therefore discussed. In publication 3 (Open posture, open thinking? Effects of Posture on Creative Performance), based on the study design of publication 2, the aim was to investigate effects of upright and slumped postures on creative thinking processes. A divergent thinking test was chosen to assess creative thinking. The data suggest that upright postures not only show positive effects on state of mind, but furthermore have beneficial effects on fluency and originality in creative thinking. Again, however, no mediation by mood could be identified, and possible alternative backgrounds are discussed. In summary, based on the results of this dissertation, it is postulated that embodiment approaches should receive greater consideration in the context of teaching and learning processes.

Abstract

Die vorliegende kumulative Dissertation beschäftigt sich mit der Fragestellung, welches Potenzial sich aus der Berücksichtigung von Embodiment-Theorien für die Pädagogik ergeben kann. Embodiment bzw. Embodied Cognition (dt. verkörperte Kognition) beschreibt eine Sammlung interdisziplinärer Ansätze innerhalb der neueren Kognitionswissenschaften, die kognitive Prozesse nicht rein geistig verorten, sondern als ein Zusammenspiel aus Geist, Körper und Umwelt betrachten. Im Rahmen der Einleitung findet zunächst eine kurze Darstellung des Forschungsbedarfs und eine Erläuterung der Untersuchungsgegenstände statt. Um eine theoretische Basis für die vorliegende Arbeit zu schaffen, werden im Anschluss die Grundgedanken von Embodiment-Ansätzen kontrastierend zu klassischen Kognitionstheorien vorgestellt. Nach einer allgemeinen theoretischen Einführung zu Embodiment erfolgt eine Überleitung zum Bereich der Pädagogik und damit eine Untersuchung der Thematik hinsichtlich ihrer Relevanz für Lehr- und Lernprozesse. Vor dem Hintergrund der Fragestellung, ob Embodiment zu einem Paradigmenwechsel in der Pädagogik führen kann, bestand das Ziel der Arbeit zum einen darin, bisherige (aus pädagogischer Sicht relevante) Erkenntnisse zu Embodiment aufzubereiten und basierend darauf, anhand zweier empirischer Untersuchungen, konkrete Effekte von Embodiment zu erfassen und hinsichtlich ihrer Bedeutung für Lehr- und Lernkontexte zu diskutieren. Dieses Ziel wurde schrittweise anhand dreier Publikationen verfolgt, welche den Kern der vorliegenden Dissertation bilden und inhaltlich aufeinander aufbauen. Publikation 1 („Embodiment – Die unterschätzte Rolle des Körpers im Lernprozess: Ein Paradigmenwechsel in der Schulpädagogik?“) umfasst eine Sammlung und Systematisierung ausgewählter Einzelbefunde der Embodiment-Forschung auf Theorieebene, wobei der Fokus auf der Beleuchtung bisheriger Forschung aus schulpädagogischer Perspektive liegt. Publikation 1 schließt mit dem Fazit, dass sich aus der Berücksichtigung von Erkenntnissen zu Embodiment wichtige Optimierungsmöglichkeiten für Lehr- und Lernprozesse ergeben können. Publikation 1 ist außerdem der Ausgangspunkt für Publikationen 2 und 3, zwei in Kapitel 3.2 dargelegte empirische Untersuchungen. In Publikation 2 („I sat, I felt, I performed: Posture Effects on Mood and Cognitive Performance“) erfolgt eine theoretische und empirische Auseinandersetzung mit Effekten von Stimmungen und Körperhaltungen auf Aspekte kognitiver Leistung (Bearbeitungsgeschwindigkeit und -genauigkeit in einem Aufmerksamkeits- und Konzentrationstest). Hierbei liegt der Fokus auf einer vergleichenden Betrachtung aufrechter und gebeugter Körperhaltungen. Entgegen den meisten bisherigen Untersuchungen bestand der Anspruch unter anderem in einer weitgehend impliziten Manipulation der Körperhaltung. Basierend auf vorangegangener Literatur, galt es die Hypothesen zu testen, dass 1) aufrechte Körperhaltungen mit positiverer Stimmung korrelieren, 2) aufrechte Körperhaltungen zu einer höheren Bearbeitungsgeschwindigkeit in einem Konzentrationstest führen, 3) gebeugte Körperhaltungen hingegen eine genauere Bearbeitung fördern sowie, dass 4) Effekte von Körperhaltungen auf kognitive Leistung durch Stimmung mediiert werden. Die Teilnehmenden bearbeiteten hierfür einen Konzentrationstest sowie einen Fragebogen zu ihrer Befindlichkeit. Es zeigte sich, dass Personen in der aufrechten Bedingung eine positivere Stimmung empfanden und verglichen mit der gebeugten Bedingung bei dem Konzentrationstest schneller arbeiteten. Effekte auf die Bearbeitungsgenauigkeit ließen sich jedoch in der vorliegenden Stichprobe nicht beobachten. Auch eine Mediation der Effekte von Körperhaltung auf Bearbeitungsgeschwindigkeit durch Stimmung ist in den Daten nicht zu erkennen. Es werden daher mögliche Limitationen und alternative Erklärungen diskutiert. In Publikation 3 („Offene Haltung, offenes Denken? Effekte von Körperhaltungen auf kreative Leistung“) galt es, basierend auf dem Studiendesign von Publikation 2, Effekte aufrechter und gebeugter Körperhaltungen auf kreative Denkprozesse zu untersuchen. Zur Erfassung des kreativen Denkens wurde sich für einen Test zu divergentem Denken entschieden. Die Daten lassen darauf schließen, dass aufrechte Körperhaltungen nicht nur positive Auswirkungen auf die Befindlichkeit zeigen, sondern außerdem auch förderliche Effekte auf die Ideenflüssigkeit und Originalität bei kreativem Denken haben. Auch hier ließ sich jedoch keine Mediation durch Stimmung erkennen, mögliche alternative Hintergründe werden diskutiert. Zusammenfassend wird, basierend auf den Ergebnissen der vorliegenden Dissertation, postuliert, dass Ansätze des Embodiments im Rahmen von Lehr- und Lernprozessen stärkere Berücksichtigung finden sollten.

DOI
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