Auswirkungen krankheitsmodifizierender antirheumatischer Medikamente auf den Autoantikörper-Serumspiegel von citrullinierten Peptiden bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis

Language
de
Document Type
Doctoral Thesis
Issue Date
2021-01-25
Issue Year
2021
Authors
Wunderlich, Carolin
Editor
Abstract
  1. ZUSAMMENFASSUNG 1.1 HINTERGRUND UND ZIELE Antikörper gegen cyclische citrullinierte Peptide (CCP2-Antikörper) haben auf unterschiedliche Art und Weise einen ungünstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf der Rheumatoiden Arthritis (RA) [Harre et al., 2012, Harre et al., 2015, Wigerblad et al., 2016, Reynisdottir et al., 2014, Ytterberg et al., 2015]. Das Ziel der Studie bestand darin, herauszufinden, ob sich die erhöhten CCP2- Antikörper-Serumspiegel mittels der Behandlung mit krankheitsmodifizierenden Biologika (bDMARDs) senken lassen. Und sofern dies tatsächlich gelingt, welches der Medikamente diese Wirkung am stärksten erzielt.

1.2 METHODEN Im Rahmen einer prospektiven nicht-randomisierten Beobachtungsstudie wurden 100 Patienten über 2,5 Jahre analysiert. Es handelte sich hierbei um Patienten der Medizinischen Klinik 3, Institut für Rheumatologie und Immunologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Folgende Bedingungen mussten erfüllt sein: (i) bekannte Diagnose der Rheumatoiden Arthritis nach den ACR/EULAR-Klassifikationskriterien von 2010, (ii) Seropositivität für Antikörper gegen cyclische citrullinierte Peptide, (iii) gegenwärtige Krankheitsaktivität mit einem Disease Activity Score 28 (DAS28-BSG) von über 3,2 Punkten trotz dreimonatiger Behandlung mit Methotrexat in ausreichender Dosierung. Es wurden insgesamt 5 Gruppen à 20 Patienten beobachtet. Die Gruppen repräsentieren unterschiedliche, aktuell verfügbare krankheitsmodifizierende Medikamente (Disease Modifying Antirheumatic Drugs, DMARDs): 1.) TNF alpha Inhibitoren (TNFi), 2.) Tocilizumab (TOC), 3.) Rituximab (RTX), und 4.) Abatacept (ABA) als biologische DMARDs, und 5.) Methotrexat (MTX) als Kontrolle. Über einen Zeitraum von 2,5 Jahren wurde die entsprechende Medikation beibehalten.
Das Patientenkollektiv umfasste 68 Frauen und 32 Männer mit einem Durchschnittsalter von 52,2 ± 13,2 Jahren und einem mittleren Body Mass Index (BMI) von 25,5 ± 4,8 m 2 /kg. Die Krankheitsdauer betrug im Schnitt 7,8 ± 5,3 Jahre und die Krankheitsaktivität, erhoben anhand des DAS28-BSG, lag zu Beginn der Studie gemittelt bei 4,7 ± 1,2 Punkten. Diese Daten zeigten keine maßgebenden Unterschiede zwischen den einzelnen Studiengruppen. Die Analyse der Komorbiditäten und die Erhebung der Immunglobulin-Spiegel zu Beginn der 2

Studie, ergab eine gleichmäßige Verteilung zwischen den Studiengruppen. Lediglich die Serumspiegel der CCP2-Antikörper variierten innerhalb der Gruppen, sodass die Ausgangswerte zu Beginn der Studie auf 100 % normiert wurden und die relative Abweichung zur Auswertung herangezogen wurde.
Über den Beobachtungszeitraum von 2,5 Jahren wurden alle 6 Monate die Serumspiegel der CCP2-Antikörper und die Serumspiegel der Immunglobuline G (IgG), Immunglobuline A (IgA) und Immunglobuline M (IgM) gemessen. Das Serum wurde stets im selben Labor untersucht. Die CCP2-Antikörper- Serumspiegel wurden mittels enzyme linked immunosorbent assay (ELISA) der Firma Phadia / Thermofisher Scientific (Hauptsitz: Waltham, Massachusetts) bestimmt. Die Bestimmung der Immunglobulin-Spiegel erfolgte unter Verwendung der Nephelometrie der Firma Beckman Coulter. Zur statistischen Auswertung wurde ANOVA (analysis of variance) bei normalverteilten Daten verwendet. Bei nicht-normalverteilten Daten kam der Kruskal-Wallis-Test zum Einsatz. Das Signifikanzniveau wurde auf p < 0,05 festgelegt.

1.3 ERGEBNISSE UND BEOBACHTUNGEN Nach einer Beobachtungsdauer von 2,5 Jahren konnten folgende Aussagen getroffen werden: Die Krankheitsaktivität konnte auf einen Durchschnittswert von 2,6 ± 1,0 Punkten (DAS28-BSG) gesenkt werden. Dies bedeutet, dass alle behandelten Patienten eine geringe bis mittlere Krankheitsaktivität erreichten bzw. die meisten sogar in klinische Remission gingen (DAS28-BSG < 2,6 Punkte). Die Auswertung der CCP2-Antikörper zeigte, dass die Serumspiegel in den Gruppen, welche mit ABA bzw. RTX behandelt wurden, deutlich gesenkt werden konnten. Bei genauerer Betrachtung betrug die relative Abweichung vom normierten Ausgangswert in der ABA Gruppe nach 1 Jahr Behandlung bereits 58,0 ± 6,0 % und nach 2,5 Jahren Behandlung 82,5 ± 3,7 %. Innerhalb der RTX Gruppe lag der Rückgang nach 1 Jahr Behandlung bei 64,0 ± 7,2 % und nach 2,5 Jahren Behandlung bei 75 %. Auch die Betrachtung der absoluten Werte der CCP2-Antikörper, dargestellt auf einer logarithmischen Skala, zeigte eine Abnahme innerhalb der Gruppen mit ABA und RTX. Im Vergleich dazu konnten in den Gruppen, welche mit MTX, TNFi oder TOC behandelt wurden, keine charakteristischen Unterschiede zum Ausgangswert nachgewiesen werden. Die relative Abweichung innerhalb der MTX Gruppe betrug nach 2,5 Jahren 3

Behandlungszeit 24,1 ± 8,1 %, innerhalb der TNFi Gruppe lag der Rückgang bei 14,0 ± 11,1 % und innerhalb der TOC Gruppe bei 24,3 ± 11,3 %. Eine Serokonversion konnte bei insgesamt 8 Patienten festgestellt werden: davon waren 5 Patienten aus der ABA Gruppe, 2 aus der RTX Gruppe und 1 Patient aus der TOC Gruppe.
Vergleicht man die Serumspiegel der Immunglobuline IgG, IgA, IgM zu Beginn der Studie und nach 2,5 Jahren, so konnte man folgenden Effekt nachweisen. Als einziges Medikament bewirkte RTX eine signifikante Abnahme der Serumspiegel für Immunglobulin G und für Immunglobulin M (p < 0,0001). Auf die Serumspiegel der Immunglobuline A hatte RTX keine nennenswerte Wirkung. Alle restlich getesteten Medikamente zeigten ebenfalls keinerlei Einfluss auf die Serumspiegel aller 3 untersuchten Immunglobuline.

1.4 PRAKTISCHE SCHLUSSFOLGERUNGEN In unserer Längsschnittstudie konnten wir bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis unter einer längerfristigen Behandlung mit biologischen DMARDs unterschiedliche Veränderungen hinsichtlich des CCP2-Antikörper- Serumspiegel nachweisen. Wir untersuchten Patienten, die zu Studienbeginn eine neue biologische DMARD Medikation begannen und diese über 2,5 Jahre beibehielten. Alle behandelten Patienten wiesen zu Studienende eine niedrigere Krankheitsaktivität bzw. klinische Remission (DAS28-BSG < 2,6 Punkte) auf. Hinsichtlich der CCP2-Antikörper-Serumspiegel zeigten die einzelnen Medikamente unterschiedliche Wirkung. Die CCP2-Antikörper-Serumspiegel der Patienten unter MTX, TNFi oder TOC stagnierten weitestgehend; die Serumspiegel der Patienten unter ABA bzw. RTX hingegen sanken erheblich. Diese Beobachtung führt zu der Annahme, dass die Serumspiegel für CCP2- Antikörper tatsächlich beeinflusst werden können, vor allem bei Verwendung von Medikamenten, welche mit dem adaptiven Immunsystem interferieren. RTX ist ein Medikament, welches zur Dezimierung der B-Lymphozyten führt. Es verhindert deren Differenzierung zu Plasmazellen und bewirkt auf diese Weise eine Abnahme der Immunglobulin-Produktion [Eisenberg, 2005]. Unsere Beobachtungen unterstützen diese Aussage. RTX führte als einziges Medikament unserer Studie - neben der Absenkung der CCP2-Antikörper- Serumspiegel - zur Abnahme der IgG-Spiegel. Diese Erkenntnis ist wichtig, da 4

man weiß, dass verminderte IgG-Spiegel bei RTX behandelten Patienten mit einer höheren Infektionsrate einhergehen [Buch et al., 2011]. ABA bewirkte in unserer Studie ebenfalls eine eindeutige Reduktion der CCP2- Antikörper-Serumspiegel, jedoch ohne die Serumspiegel der Immunglobuline zu verändern. In einer vorläufigen Untersuchung einer kürzlichen Studie konnte bereits eine hemmende Wirkung von ABA auf die CCP2-Antikörper- Serumspiegel bis hin zur Serokonversion nachgewiesen werden [Connolly et al., 2014]. Iannone et al., 2016 zeigte in seinen Untersuchungen, dass TNF alpha Inhibitoren ebenfalls hemmenden Einfluss auf CCP2-Antikörper-Serumspiegel haben können. Diese Beobachtungen zu TNFi konnten wir in unserer Studie jedoch nicht bestätigen. Unter der Therapie mit TNFi zeigte sich lediglich eine leichte Tendenz zu geringeren CCP2-Antikörper-Serumspiegeln.

Das primäre Ziel bei der Behandlung der Rheumatoiden Arthritis ist und bleibt die Kontrolle der Entzündung und das Erreichen der klinischen Remission. Unseren Beobachtungen zufolge könnte man darüber hinaus ein weiteres Ziel formulieren. Diverse Studien haben gezeigt, dass CCP2-Antikörper einen negativen Einfluss auf den Krankheitsverlauf der RA nehmen. Es konnte nachgewiesen werden, dass CCP2-Antikörper die Osteoklastenbildung und demnach die Knochendestruktion fördern [Harre et al., 2012, Harre et al., 2015, Wigerblad et al., 2016]. Des Weiteren konnten Veränderungen in der Lunge mit CCP2- Antikörper in Verbindung gebracht werden [Reynisdottir et al., 2014, Ytterberg et al., 2015]. Außerdem geht die Anwesenheit der Autoantikörper mit einer höheren Rate an Krankheitsrückfällen einher [Haschka et al., 2016]. Daher könnte ein weiteres Ziel neben dem Erreichen der klinischen Remission, das Senken der CCP2-Antikörper-Serumspiegel sein und damit das Bewirken einer immunologischen Remission.

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