Schulische Selbstkonzepte und soziale Vergleiche in der Grundschule: Welche Rolle spielt die Einführung von Schulnoten?

Language
de
Document Type
Doctoral Thesis
Issue Date
2006-08-03
Issue Year
2006
Authors
Zeinz, Horst
Editor
Abstract

The purpose of the study was to investigate effects of the introduction of grades (instead of verbal reports) in German elementary schools on the “big-fish-little-pond effect” (BFLPE). Data from one German federal state (Bavaria) showed that in classes receiving grades for their performance the BFLPE was significantly stronger than in classes receiving verbal reports. The results suggest that the introduction of grades promotes social comparisons in classrooms. Implications of the findings are discussed.

Abstract

Im Rahmen der Forschungen zum so genannten Fischteich-Effekt wurde festgestellt, dass die Leistungsstärke der Mitschülerinnen und Mitschüler einen erheblichen Einfluss auf fach¬spezifische schulische Selbstkonzepte hat. Dies drückt sich üblicherweise in einem negativen Effekt der auf Klassen- oder Schulebene aggregierten Leistung auf das Selbstkonzept aus, wenn die individuelle Leistung kontrolliert wird. Erklärt wird der Effekt über soziale Vergleiche. In einer bayernweiten Studie wurde für die Fächer Mathematik und Deutsch im Grundschulbereich analysiert, welche Rolle die Einführung von Noten für das fachspezifische Selbstkonzept und die Unterrichtsbeteiligung spielt und ob die Stärke des Fischteich-Effekts durch die Einführung von Noten moderiert wird. Angenommen wurde, dass der Fischteich-Effekt in 2. Klassen ohne Notengebung am schwächsten ausfallen sollte und in 2. Klassen mit Notengebung schwächer ausfallen sollte als in den 3. Klassen. Um die Hypothesen zu prüfen, wurden in einem ersten Schritt drei Gruppen von bayerischen Grundschulkindern am Ende des Schuljahres 2003/04 untersucht: Kinder, die keine Noten in der zweiten Jahrgangsstufe erhielten (N > 1249), Kinder, die in der zweiten Jahrgangsstufe Noten erhielten (N > 817) und Kinder, die in der dritten Jahrgangsstufe Noten erhielten (N > 1905). Die Analysen zeigten keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den drei Gruppen in der Höhe der Selbstkonzepte und Unterrichtsbeteiligungen, wohl aber war der negative Fischteich-Effekt in den 2. Klassen mit Schulnoten größer und in den 3. Klassen am größten. In einem zweiten Schritt wurden im folgenden Schuljahr 2004/05 die ehemaligen Zweitklässler in der 3. Jahrgangsstufe nochmals untersucht. Bei den längsschnittlich gewonnenen Daten zeigte sich, dass die Fischteich-Effekte auf die fachspezifischen Selbstkonzepte in den 2. Klassen ohne Noten im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls zugenommen hatten und sich den weitgehend stabilisierten Werten der 2. Klassen mit Noten angenähert hatten. Die Fischteich-Effekte auf die Unterrichtsbeteiligungen waren im Vergleich zum ersten Messzeitpunkt leicht rückläufig, besonders in den 2. Klassen, in denen die Schulnoten erst neu eingeführt worden waren. Insgesamt implizieren die Befunde, dass mit der Einführung von Noten soziale Vergleiche zunehmen mit den entsprechenden Konsequenzen für die fachspezifischen Selbstkonzepte. Gleichzeitig wird aber auch sichtbar, dass die Einführung von Noten nicht generell zu einem Absinken des Selbstkonzepts führt, vielmehr profitieren die Leistungsstarken auf Kosten der Leistungsschwachen. Unter der Annahme von multiplen reziproken Wechselwirkungen der verschiedenen Einflussgrößen für schulische Selbstkonzepte und auch schulische Leistungen wird angesichts der Befundlage die besondere Wichtigkeit deutlich, gerade leistungsschwächere Kinder davor zu bewahren, in eine „Negativspirale“ zu geraten. Ausgehend von der Vorstellung, dass Selbstkonzepte gleicher¬maßen optimistisch wie realistisch sein können, werden pädagogische Implikationen diskutiert und Vorschläge für weitere Forschungsarbeiten genannt.

DOI
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