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Retrospektive Erfassung mikrobiologischer und klinischer Daten sowie der Behandlungsergebnisse von Dakryocystitis und Canaliculitis bei pädiatrischen und erwachsenen Patienten der Universitäts-Augenklinik München in den Jahren 1990-1998
Retrospektive Erfassung mikrobiologischer und klinischer Daten sowie der Behandlungsergebnisse von Dakryocystitis und Canaliculitis bei pädiatrischen und erwachsenen Patienten der Universitäts-Augenklinik München in den Jahren 1990-1998
Infektionen der Tränenwege können sowohl bei Kindern als auch beim Erwachsenen zum Problemfall in der niedergelassenen Praxis werden. Stenosen und Tränenstau, welche sich vor allem an den physiologischen Engstellen der Tränenwege entwickeln, bieten ideale Bedingungen für ein Bakterienwachstum. Es kann selbst bei adäquater Therapie oft zu langwierigen und rezidivierenden Verläufen kommen. Probleme treten vor allem dann auf, wenn ohne entsprechenden Erregernachweis antibiotisch behandelt wird oder eine bereits chronisch gewordene Entzündung einer operativen Therapie vorenthalten wird. Die vorliegende retrospektive Studie basiert auf den Daten von 144 Patienten, die zwischen 1990 und 1998 in der Universitäts-Augenklinik München behandelt wurden. Von den 144 Patienten litten 64 Patienten an einer Dakryocystitis, 43 Patienten litten an einer Canaliculitis und 37 waren Kinder, welche eine eitrig infizierte Tränenwegsstenose hatten. Noch vor einer weiteren Diagnostik wurden mikrobiologische Probenentnahmen vorgenommen, das entnommene Probenmaterial sofort im mikrobiologischen Forschungslabor der Universitäts-Augenklinik München auf Kulturmedien übertragen sowie beurteilt. Bei sämtlichen Kulturen wurden zusätzlich Resistenzbestimmungen für verschiedene Antibiotika und Antimykotika durchgeführt. In 140 von 144 Fällen konnten mit der gewählten Methode zur Probenentnahme positive mikrobiologische Ergebnisse erzielt werden. Das Erregerspektrum umfasste 193 Keime, 149 (77,3%) grampositive, 40 (20,8%) gramnegative und außerdem 3 (1,9%) Pilze. Der Anaerobieranteil betrug 16% (31Keime), wobei sich die meisten Anaerobier bei Canaliculitiden fanden. Auffällig waren auch hier die oft vorkommenden Aktinomyzeten-Infektionen. Bei den Kindern fielen die häufigen Infektionen mit penicillinresistenten vergrünenden Streptokokken auf und die insgesamt am häufigsten nachgewiesenen Keime waren koagulasenegative Staphylokokken, gefolgt von Staphylococcus aureus und vergrünenden Streptokokken. Mit Hilfe wiederholt durchgeführter Antibiogramme konnte eine medikamentöse Therapie auch beim Vorliegen von Erregern mit multiplen Resistenzen effizient und innerhalb kürzester Zeit eingeleitet werden und der Heilverlauf vor und nach operativen Eingriffen erregerspezifisch unterstützt werden. Nach Vorliegen der mikrobiologischen Ergebnisse in den Gruppen A, B, C erfolgte in 51%, 18% bzw. 35% eine Umstellung der antibiotischen Therapie. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig die Keimidentifizierung und Resistenzbestimmung bei der Behandlung von Tränenwegsinfektionen sind. Neben der Diagnose und der Erregeridentifikation wurde Alter, Geschlecht, die Dauer der Symptomatik, die vorangegangene Therapie und die anhand der mikrobiologischen Ergebnisse eingeleitete Behandlung dokumentiert und der Krankheitsverlauf evaluiert. Anderen Studien entsprechend überwog auch in dieser Untersuchung vor allem bei den Dakryocystitiden eindeutig das weibliche Geschlecht im postmenopausalen Alter. Bei den Kindern und Canaliculitiden konnte kein deutlich bevorzugtes Geschlecht festgestellt werden. Die Dauer der Symptomatik schwankte zwischen 5 Monaten (Median, Gruppe A), 6 Monaten (Median, Gruppe B) und sogar 24 Monaten (Median, GruppeC). Dies hing stark davon ab, ob es sich um einen akuten oder chronischen Prozess handelte. Die meisten (111 von 144 Patienten) der Patienten hatten bei der Vorstellung in der Klinik schon eine oder mehrere Vortherapien hinter sich. Dabei handelte es sich in den meisten Fällen um antibiotische Augentropfen und Spülungen und Sondierungen. Die in der Klinik angewendeten Therapien waren unterschiedlich erfolgreich. Konnten die angeborenen Stenosen gut durch Spülungen, Sondierungen und lokale Antibiotika behoben werden, so mussten bei den Dakryocystitiden meist systemische Antibiotika angewendet und operativ vorgegangen werden, um Beschwerdefreiheit zu erreichen. Das gleiche gilt für die Canaliculitiden, die nur durch eine operative Ausräumung der Tränenwege ausreichend therapiert werden konnten. Aus den Ergebnissen lassen sich folgende Therapieempfehlungen ableiten: Im akuten Stadium der Tränenwegsinfektionen steht die Antibiose im Vordergrund und sollte bei schweren Krankheitsbildern systemisch, zum Beispiel mit einem Oralcephalosporin (Cefalexin), erfolgen. Dies wird durch eine lokale Behandlung unterstützt. Besonders zu empfehlen sind Substanzen mit einem breiten Wirkungsspektrum, etwa ein Gyrasehemmer oder eine Kombination aus Polymyxin B, Neomycin und Bacitracin. Nach Abklingen der Infektion und einer wegweisenden Diagnostik ist meist eine operative Sanierung der Tränenwege durch eine Dakryocystorhinostomie notwendig, um erneuten Rezidiven vorzubeugen. Eine Art Sonderfall stellt die chronische Canaliculitis dar, die in der Praxis nicht selten fehlgedeutet wird. Hier sollten die Tränenkanälchen operativ eröffnet werden, da sich meist nur dadrch ein dauerhafter Therapieerfolg erzielen lässt. Begleitend sollte eine lokale Antibiose und Antibiotika-Spülungen der Tränenwege erfolgen. Viele Erkenntnisse früherer Studien konnten anhand dieser Arbeit bestätigt werden, wenngleich bisher noch keine vergleichbare Publikation mit derart ausführlichen und erfolgreichen Erregernachweisen mit Resistenzenbestimmungen existiert. Durch diese sorgfältige mikrobiologische Analyse konnte bei der Mehrzahl der Patienten eine gezielte und erregerspezifische Therapie eingeleitet oder umgestellt werden, so dass die Effizienz der Behandlung bedeutend verbessert werden konnte. Es wurden auch kaum beachtete Tendenzen aufgezeigt, die zukünftig bei der Therapie von Infektionen der Tränenwege berücksichtigt werden sollten.
Dakryocystitis, Canaliculitis
Rodt, Susanne
2002
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Rodt, Susanne (2002): Retrospektive Erfassung mikrobiologischer und klinischer Daten sowie der Behandlungsergebnisse von Dakryocystitis und Canaliculitis bei pädiatrischen und erwachsenen Patienten der Universitäts-Augenklinik München in den Jahren 1990-1998. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Infektionen der Tränenwege können sowohl bei Kindern als auch beim Erwachsenen zum Problemfall in der niedergelassenen Praxis werden. Stenosen und Tränenstau, welche sich vor allem an den physiologischen Engstellen der Tränenwege entwickeln, bieten ideale Bedingungen für ein Bakterienwachstum. Es kann selbst bei adäquater Therapie oft zu langwierigen und rezidivierenden Verläufen kommen. Probleme treten vor allem dann auf, wenn ohne entsprechenden Erregernachweis antibiotisch behandelt wird oder eine bereits chronisch gewordene Entzündung einer operativen Therapie vorenthalten wird. Die vorliegende retrospektive Studie basiert auf den Daten von 144 Patienten, die zwischen 1990 und 1998 in der Universitäts-Augenklinik München behandelt wurden. Von den 144 Patienten litten 64 Patienten an einer Dakryocystitis, 43 Patienten litten an einer Canaliculitis und 37 waren Kinder, welche eine eitrig infizierte Tränenwegsstenose hatten. Noch vor einer weiteren Diagnostik wurden mikrobiologische Probenentnahmen vorgenommen, das entnommene Probenmaterial sofort im mikrobiologischen Forschungslabor der Universitäts-Augenklinik München auf Kulturmedien übertragen sowie beurteilt. Bei sämtlichen Kulturen wurden zusätzlich Resistenzbestimmungen für verschiedene Antibiotika und Antimykotika durchgeführt. In 140 von 144 Fällen konnten mit der gewählten Methode zur Probenentnahme positive mikrobiologische Ergebnisse erzielt werden. Das Erregerspektrum umfasste 193 Keime, 149 (77,3%) grampositive, 40 (20,8%) gramnegative und außerdem 3 (1,9%) Pilze. Der Anaerobieranteil betrug 16% (31Keime), wobei sich die meisten Anaerobier bei Canaliculitiden fanden. Auffällig waren auch hier die oft vorkommenden Aktinomyzeten-Infektionen. Bei den Kindern fielen die häufigen Infektionen mit penicillinresistenten vergrünenden Streptokokken auf und die insgesamt am häufigsten nachgewiesenen Keime waren koagulasenegative Staphylokokken, gefolgt von Staphylococcus aureus und vergrünenden Streptokokken. Mit Hilfe wiederholt durchgeführter Antibiogramme konnte eine medikamentöse Therapie auch beim Vorliegen von Erregern mit multiplen Resistenzen effizient und innerhalb kürzester Zeit eingeleitet werden und der Heilverlauf vor und nach operativen Eingriffen erregerspezifisch unterstützt werden. Nach Vorliegen der mikrobiologischen Ergebnisse in den Gruppen A, B, C erfolgte in 51%, 18% bzw. 35% eine Umstellung der antibiotischen Therapie. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig die Keimidentifizierung und Resistenzbestimmung bei der Behandlung von Tränenwegsinfektionen sind. Neben der Diagnose und der Erregeridentifikation wurde Alter, Geschlecht, die Dauer der Symptomatik, die vorangegangene Therapie und die anhand der mikrobiologischen Ergebnisse eingeleitete Behandlung dokumentiert und der Krankheitsverlauf evaluiert. Anderen Studien entsprechend überwog auch in dieser Untersuchung vor allem bei den Dakryocystitiden eindeutig das weibliche Geschlecht im postmenopausalen Alter. Bei den Kindern und Canaliculitiden konnte kein deutlich bevorzugtes Geschlecht festgestellt werden. Die Dauer der Symptomatik schwankte zwischen 5 Monaten (Median, Gruppe A), 6 Monaten (Median, Gruppe B) und sogar 24 Monaten (Median, GruppeC). Dies hing stark davon ab, ob es sich um einen akuten oder chronischen Prozess handelte. Die meisten (111 von 144 Patienten) der Patienten hatten bei der Vorstellung in der Klinik schon eine oder mehrere Vortherapien hinter sich. Dabei handelte es sich in den meisten Fällen um antibiotische Augentropfen und Spülungen und Sondierungen. Die in der Klinik angewendeten Therapien waren unterschiedlich erfolgreich. Konnten die angeborenen Stenosen gut durch Spülungen, Sondierungen und lokale Antibiotika behoben werden, so mussten bei den Dakryocystitiden meist systemische Antibiotika angewendet und operativ vorgegangen werden, um Beschwerdefreiheit zu erreichen. Das gleiche gilt für die Canaliculitiden, die nur durch eine operative Ausräumung der Tränenwege ausreichend therapiert werden konnten. Aus den Ergebnissen lassen sich folgende Therapieempfehlungen ableiten: Im akuten Stadium der Tränenwegsinfektionen steht die Antibiose im Vordergrund und sollte bei schweren Krankheitsbildern systemisch, zum Beispiel mit einem Oralcephalosporin (Cefalexin), erfolgen. Dies wird durch eine lokale Behandlung unterstützt. Besonders zu empfehlen sind Substanzen mit einem breiten Wirkungsspektrum, etwa ein Gyrasehemmer oder eine Kombination aus Polymyxin B, Neomycin und Bacitracin. Nach Abklingen der Infektion und einer wegweisenden Diagnostik ist meist eine operative Sanierung der Tränenwege durch eine Dakryocystorhinostomie notwendig, um erneuten Rezidiven vorzubeugen. Eine Art Sonderfall stellt die chronische Canaliculitis dar, die in der Praxis nicht selten fehlgedeutet wird. Hier sollten die Tränenkanälchen operativ eröffnet werden, da sich meist nur dadrch ein dauerhafter Therapieerfolg erzielen lässt. Begleitend sollte eine lokale Antibiose und Antibiotika-Spülungen der Tränenwege erfolgen. Viele Erkenntnisse früherer Studien konnten anhand dieser Arbeit bestätigt werden, wenngleich bisher noch keine vergleichbare Publikation mit derart ausführlichen und erfolgreichen Erregernachweisen mit Resistenzenbestimmungen existiert. Durch diese sorgfältige mikrobiologische Analyse konnte bei der Mehrzahl der Patienten eine gezielte und erregerspezifische Therapie eingeleitet oder umgestellt werden, so dass die Effizienz der Behandlung bedeutend verbessert werden konnte. Es wurden auch kaum beachtete Tendenzen aufgezeigt, die zukünftig bei der Therapie von Infektionen der Tränenwege berücksichtigt werden sollten.