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Die Rolle(n) ritueller Praktiken in der zyprischen Bronzezeit. Untersuchungen zu ritualdynamischen Prozessen innerhalb von prä- und protohistorischen Fundkontexten
Die Rolle(n) ritueller Praktiken in der zyprischen Bronzezeit. Untersuchungen zu ritualdynamischen Prozessen innerhalb von prä- und protohistorischen Fundkontexten
In diesem Dissertationsprojekt wird ein methodischer Ansatz gewählt, um die auf Zypern bisher auf dezidiert spätbronzezeitlichen Kultplätze beschränkte Ritualforschung auf weitere Kulturaspekte auszuweiten. Es zeigt sich, dass Rituale nicht nur in der elaborierten Kultpraxis kulturell tief verankert sind, sondern deren gesamtheitlich kommunikativer Aspekt die Entwicklungen während der Bronzezeit maßgeblich beeinflusst haben. Entgegen der üblichen These bedingt durch den scheinbar isolierenden Inselcharakter Zyperns, wurden diese Entwicklungen nicht nur indigen angestoßen bzw. durch punktuelle Zuwanderung ausgelöst, sondern vollzogen sich viel mehr durch kontinuierliche Austauschmechanismen und Hybridisierungsprozesse. Mit diesem Vorgehen wird es für die zyprische Bronzezeit ersichtlich, dass sich rituelle Interaktion zwar innerhalb, aber auch mit Gruppen von außerhalb der Insel fassen lässt. Und das über die komplette Bronzezeit hinweg. Es können Plattformen des Austauschs identifiziert werden, innerhalb derer die Aneignung fremder Sitten passiert, sich aber auch lokale, identitätsstiftende Merkmale herausbilden. Die kommunikativen Eigenschaften von Handlungen und die Affordanz der Dinge helfen dabei, die Mechanismen der Ritualdynamik in einer beschreibenden Analyse von elaborierten Handlungskomplexen einzubetten, so dass vergleichende Eigenschaftsmatrizen (Tab. 1-14) erstellt werden können, die verschiedene rituelle Qualitäten abbilden, ohne diese zwingend als überhöhte Handlungen einer Kultpraktik einordnen zu müssen. Im Fall der Früh- und Mittelbronzezeit sind diese Plattformen insbesondere Hof- und Grabanlagen, die dabei nur im Verbund mit den entsprechenden Siedlungen zu betrachten sind und interaktiv in den Siedlungsalltag integriert waren. Die Interaktion mit Figurinen und elaborierten Gefäßkeramik zeigen dabei, dass nicht die Totenversorgung, sondern kommunale Feste, das Nahrungsmittelerzeugnis und weit zu fassende Familien,- bzw. Gruppenidentitäten, oder sogar Ahnenkult im Fokus standen, was sich anhand der sekundären Behandlung mit den Toten zeigt. So lässt sich auch ein scheinbarer Bruch in den Kultpraktiken erklären, der seit langem für die Spätbronzezeit postuliert wird. Denn anstelle einer plötzlich neu auftretenden Kultpraxis, spielen offenbar weiterhin genau diese Festakte im öffentlich wirksamen Raumen eine zentrale Rolle. Die Sekundärbehandlung von Toten rückt dabei noch weiter ins Zentrum der ständigen Interaktion der nun auch intramural stattfindenden Bestattungen. In Kombination mit den nun aufkommenden Monumentalbauten, großen Zentren und Anlagen, die mit den Bestattungen damit räumlich noch näher in Verbindung stehen, wird dieses Interaktionskonzept intensiviert: es finden sich Metallhorte mit Feastinggeschirr, elaborierte Libationspraktiken und Zentren der Interaktion, die im Einzelfall auch als Heiligtümer identifiziert werden können. Alle Arten der Niederlegung weisen dabei Eigenschaftskriterien von Unbeständigkeit oder Permanenz auf, sowohl im Kontext der Beigabenpraktik oder Deponierung. Es zeigt sich eine Entwicklung zur Dauerhaftigkeit hin, die von einer Führungselite kultiviert wird, die im engen Austausch mit der Tribut-, Tausch- und Handelsgemeinschaft des Mittelmeerraumes steht., In this dissertation project, a methodological approach is chosen in order to extend the ritual research on Cyprus, which has so far been limited to decidedly Late Bronze Age cult sites, to other cultural aspects. It is shown that rituals are not only culturally deeply anchored in the elaborated cult practice, but that their overall communicative aspect had a decisive influence on developments during the Bronze Age. Contrary to the usual idea, due to the seemingly isolated island character of Cyprus, these developments were not only initiated indigenously or triggered by selective immigration, but rather took place through continuous exchange mechanisms and hybridisation processes. With this approach, it becomes evident for the Cypriot Bronze Age that ritual interaction can be grasped within, but also with groups from outside the island. And this over the entire Bronze Age. Platforms of exchange can be identified, within which the appropriation of foreign customs takes place, but also local, identity-forming characteristics emerge. The communicative properties of actions and the affordance of things help to embed the mechanisms of ritual dynamics in a descriptive analysis of elaborated action complexes, so that comparable property matrices (Tab. 01-14) can be created that depict various ritual qualities without necessarily having to classify them as excessive actions of a cult practice. In the case of the Early and Middle Bronze Age, these platforms are in particular courtyards and burial complexes, which can only be considered in conjunction with the corresponding settlements and were interactively integrated into the everyday life of the settlement. The interaction with figurines and elaborate vessel ceramics show that the focus was not on the care of the dead, but on communal festivities, food production and broadly defined family or group identities, possibly even ancestor worship, which is shown by the secondary treatment of the dead. This also explains an apparent break in cult practices that has long been postulated for the Late Bronze Age. For instead of a suddenly emerging new cult practice, it is apparently precisely these ceremonial acts in the publicly effective space that continue to play a central role. The secondary treatment of the dead thereby moves even further into the centre of the constant interaction of the now also intramural burials. In combination with the now emerging monumental buildings, large centres and complexes, which are thus spatially even more closely connected with the burials, this concept of interaction is intensified: metal hoards with feasting dishes, elaborate libation practices and centres of interaction are found, which in individual cases can also be identified as sanctuaries. All types of deposition show characteristic criteria of impermanence or permanence, both in the context of funerary practices or deposition. This reveals a development towards permanence cultivated by a ruling elite in close exchange with the tribute, exchange and trade community of the Mediterranean.
Archäologie, Bronzezeit, Handlungstheorie, Ritualtheorie, Zypern
Heil, Fabian
2019
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Heil, Fabian (2019): Die Rolle(n) ritueller Praktiken in der zyprischen Bronzezeit: Untersuchungen zu ritualdynamischen Prozessen innerhalb von prä- und protohistorischen Fundkontexten. Dissertation, LMU München: Fakultät für Kulturwissenschaften
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Abstract

In diesem Dissertationsprojekt wird ein methodischer Ansatz gewählt, um die auf Zypern bisher auf dezidiert spätbronzezeitlichen Kultplätze beschränkte Ritualforschung auf weitere Kulturaspekte auszuweiten. Es zeigt sich, dass Rituale nicht nur in der elaborierten Kultpraxis kulturell tief verankert sind, sondern deren gesamtheitlich kommunikativer Aspekt die Entwicklungen während der Bronzezeit maßgeblich beeinflusst haben. Entgegen der üblichen These bedingt durch den scheinbar isolierenden Inselcharakter Zyperns, wurden diese Entwicklungen nicht nur indigen angestoßen bzw. durch punktuelle Zuwanderung ausgelöst, sondern vollzogen sich viel mehr durch kontinuierliche Austauschmechanismen und Hybridisierungsprozesse. Mit diesem Vorgehen wird es für die zyprische Bronzezeit ersichtlich, dass sich rituelle Interaktion zwar innerhalb, aber auch mit Gruppen von außerhalb der Insel fassen lässt. Und das über die komplette Bronzezeit hinweg. Es können Plattformen des Austauschs identifiziert werden, innerhalb derer die Aneignung fremder Sitten passiert, sich aber auch lokale, identitätsstiftende Merkmale herausbilden. Die kommunikativen Eigenschaften von Handlungen und die Affordanz der Dinge helfen dabei, die Mechanismen der Ritualdynamik in einer beschreibenden Analyse von elaborierten Handlungskomplexen einzubetten, so dass vergleichende Eigenschaftsmatrizen (Tab. 1-14) erstellt werden können, die verschiedene rituelle Qualitäten abbilden, ohne diese zwingend als überhöhte Handlungen einer Kultpraktik einordnen zu müssen. Im Fall der Früh- und Mittelbronzezeit sind diese Plattformen insbesondere Hof- und Grabanlagen, die dabei nur im Verbund mit den entsprechenden Siedlungen zu betrachten sind und interaktiv in den Siedlungsalltag integriert waren. Die Interaktion mit Figurinen und elaborierten Gefäßkeramik zeigen dabei, dass nicht die Totenversorgung, sondern kommunale Feste, das Nahrungsmittelerzeugnis und weit zu fassende Familien,- bzw. Gruppenidentitäten, oder sogar Ahnenkult im Fokus standen, was sich anhand der sekundären Behandlung mit den Toten zeigt. So lässt sich auch ein scheinbarer Bruch in den Kultpraktiken erklären, der seit langem für die Spätbronzezeit postuliert wird. Denn anstelle einer plötzlich neu auftretenden Kultpraxis, spielen offenbar weiterhin genau diese Festakte im öffentlich wirksamen Raumen eine zentrale Rolle. Die Sekundärbehandlung von Toten rückt dabei noch weiter ins Zentrum der ständigen Interaktion der nun auch intramural stattfindenden Bestattungen. In Kombination mit den nun aufkommenden Monumentalbauten, großen Zentren und Anlagen, die mit den Bestattungen damit räumlich noch näher in Verbindung stehen, wird dieses Interaktionskonzept intensiviert: es finden sich Metallhorte mit Feastinggeschirr, elaborierte Libationspraktiken und Zentren der Interaktion, die im Einzelfall auch als Heiligtümer identifiziert werden können. Alle Arten der Niederlegung weisen dabei Eigenschaftskriterien von Unbeständigkeit oder Permanenz auf, sowohl im Kontext der Beigabenpraktik oder Deponierung. Es zeigt sich eine Entwicklung zur Dauerhaftigkeit hin, die von einer Führungselite kultiviert wird, die im engen Austausch mit der Tribut-, Tausch- und Handelsgemeinschaft des Mittelmeerraumes steht.

Abstract

In this dissertation project, a methodological approach is chosen in order to extend the ritual research on Cyprus, which has so far been limited to decidedly Late Bronze Age cult sites, to other cultural aspects. It is shown that rituals are not only culturally deeply anchored in the elaborated cult practice, but that their overall communicative aspect had a decisive influence on developments during the Bronze Age. Contrary to the usual idea, due to the seemingly isolated island character of Cyprus, these developments were not only initiated indigenously or triggered by selective immigration, but rather took place through continuous exchange mechanisms and hybridisation processes. With this approach, it becomes evident for the Cypriot Bronze Age that ritual interaction can be grasped within, but also with groups from outside the island. And this over the entire Bronze Age. Platforms of exchange can be identified, within which the appropriation of foreign customs takes place, but also local, identity-forming characteristics emerge. The communicative properties of actions and the affordance of things help to embed the mechanisms of ritual dynamics in a descriptive analysis of elaborated action complexes, so that comparable property matrices (Tab. 01-14) can be created that depict various ritual qualities without necessarily having to classify them as excessive actions of a cult practice. In the case of the Early and Middle Bronze Age, these platforms are in particular courtyards and burial complexes, which can only be considered in conjunction with the corresponding settlements and were interactively integrated into the everyday life of the settlement. The interaction with figurines and elaborate vessel ceramics show that the focus was not on the care of the dead, but on communal festivities, food production and broadly defined family or group identities, possibly even ancestor worship, which is shown by the secondary treatment of the dead. This also explains an apparent break in cult practices that has long been postulated for the Late Bronze Age. For instead of a suddenly emerging new cult practice, it is apparently precisely these ceremonial acts in the publicly effective space that continue to play a central role. The secondary treatment of the dead thereby moves even further into the centre of the constant interaction of the now also intramural burials. In combination with the now emerging monumental buildings, large centres and complexes, which are thus spatially even more closely connected with the burials, this concept of interaction is intensified: metal hoards with feasting dishes, elaborate libation practices and centres of interaction are found, which in individual cases can also be identified as sanctuaries. All types of deposition show characteristic criteria of impermanence or permanence, both in the context of funerary practices or deposition. This reveals a development towards permanence cultivated by a ruling elite in close exchange with the tribute, exchange and trade community of the Mediterranean.