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Vergleich der analgetischen Wirkung von Fentanyl und Butorphanol unter Anästhesie mit Tricainmethansulfonat beim Krallenfrosch (Xenopus laevis)
Vergleich der analgetischen Wirkung von Fentanyl und Butorphanol unter Anästhesie mit Tricainmethansulfonat beim Krallenfrosch (Xenopus laevis)
Die Schmerzkompetenz von Amphibien wird bis heute kontrovers diskutiert. Ein Stellvertreter dieser Klasse, der Afrikanische Krallenfrosch (Xenopus laevis) hat in der Versuchstierkunde seit langem einen festen Platz eingenommen. Weltweit gelten in der tierexperimentellen Forschung die Prinzipien der 3R. Ziel ist es, Tierversuche möglichst zu vermeiden (Replacement), die Zahl der Tiere zu reduzieren (Reduction) und ihr Leiden in Versuchen auf das unerlässliche Maß zu beschränken (Refinement). In Bezug auf letzteren Punkt war ein Ziel dieser Studie, die Überprüfung, ob Tricainmethansulfonat (MS222) als „ideales Anästhetikum“ alle Komponenten einer Allgemeinanästhesie mit chirurgischer Toleranz – Bewusstlosigkeit (Hypnose), Muskelrelaxation, Unterdrückung vegetativer Reflexe und damit eine adäquate Analgesie induzieren kann. Dazu wurde im ersten Teil des Projekts zunächst untersucht, ob es unter einer MS222-Anästhesie neben der Bewusstlosigkeit und Muskelrelaxation auch zur Ausschaltung bzw. Verringerung der Schmerzweiterleitung (Nozizeption) und damit zu einer effektiven Schmerzreduktion (Analgesie) kommt. Entsprechend wurden drei verschiedene Schmerzreize an narkotisierten Krallenfröschen untersucht, um den am besten reproduzier- und standardisierbaren Schmerzreiz zu finden. Da es für narkotisierte Amphibien kein etabliertes Verfahren gibt, um intraoperative Nozizeption zu messen, wurde auf Methoden, die beim Säuger etabliert sind, zurückgegriffen. Folglich wurde ein Anstieg der Herz-Kreislauf-Parameter Blutdruck und Herzfrequenz in der Studie als Hinweis auf Nozizeption gewertet. Zur Messung dieser Vitalparameter beim Frosch wurde in diesem Projekt ein Mikro-Tip-Katheter verwendet, der direkt im Herzventrikel platziert wurde. Alle drei Schmerzreize erzeugten hämodynamische Veränderungen unter MS222-Nakose. Obwohl kein signifikanter Unterschied zu den anderen Reizen bestand, wurde der sogenannte Essigsäuretest als Schmerzreiz der Wahl festgelegt, da dieser mit den größten Unterschieden zwischen dem Ruhewert und dem reizinduzierten Maximalwert verbunden war. Die in der Literatur zu findenden Angaben zur ergänzenden Schmerztherapie bei Amphibien variieren zum Teil stark. Aus diesem Grund wurde im zweiten Teil des Projekts die Wirkung der beiden Opioide Fentanyl und Butorphanol in jeweils drei unterschiedlichen Konzentrationen untersucht. Die Dosierungen der Analgetika wurde auf der Basis der vorhandenen Literatur ausgewählt. Sie betrugen 0,05 mg/kg, 0,25 mg/kg und 0,5 mg/kg für Fentanyl bzw. 0,05 mg/kg, 1,0 mg/kg und 5,0 mg/kg für Butorphanol. Die Reaktionen des hämodynamischen Systems auf den Essigsäuretest wurden vor und nach Gabe der Analgetika kontinuierlich aufgezeichnet. Wider Erwarten zeigte Fentanyl in allen drei Dosierungen keine Reduktion der Nozizeption unter MS222-Narkose. Mit Butorphanol konnte nur in der hohen Dosierung eine kurzzeitige und signifikante Limitierung des maximalen Blutdruck- und Herzfrequenzanstiegs nach einem Schmerzstimulus gemessen und damit als reduzierte Nozizeption gewertet werden. Nach Verabreichung der Essigsäure stiegen beide Parameter 10 Minuten nach Applikation von Butorphanol deutlich geringer an als im Vergleichsversuch ohne Analgetikum. Doch bereits 20 Minuten nach der Butorphanol-Gabe war dieser Effekt nicht mehr messbar. Die hohe Butorphanol-Dosis kann aufgrund starker Nebenwirkungen auf Blutdruck und Herzfrequenz nicht empfohlen werden. Mit dem Einsatz der beiden Opioide gelang es somit nicht, die intraoperative Analgesie nebenwirkungsarm zu verbessern. Zusammenfassend konnte im ersten Teil der Studie gezeigt werden, dass Tricainmethansulfonat eine gute Hypnose und Muskelrelaxation bewirkt, aber keine ausreichende Schmerzausschaltung induziert. Eine zusätzliche Analgesie ist bei schmerzhaften Operationen entsprechend indiziert. Da internationale Empfehlungen in der Versuchstierkunde aktuell jedoch die alleinige Anwendung von MS222 zur Operation von Krallenfröschen vorsehen, besteht Handlungsbedarf, einerseits diese Empfehlung zu überdenken und andererseits bessere Methoden zur Schmerzausschaltung beim Krallenfrosch zu untersuchen. Die aktuellen Dosierungsempfehlungen zu Fentanyl und Butorphanol in der Literatur konnten in der aktuellen Studie nicht bestätigt werden. Mit dem entwickelten Modell, unter Verwendung von mit MS222 anästhesierten Krallenfröschen, 5%iger Essigsäure als Schmerzreiz und einem genauen Messinstrument für hämodynamische Veränderungen (Tip-Katheter), können in Zukunft weitere Analgetika auf ihre Wirkung beim Krallenfrosch untersucht werden., Until today the ability to percept pain has been controversially discussed in amphibians. Over the years a representative of this class, the African clawed frog (Xenopus laevis), has established his position in laboratory animal science. Worldwide the principles of the 3R apply in animal experimental research, the aim is to avoid the use of animals (Replacement), to minimize the number of animals (Reduction) and to limit their suffering to the essential minimum (Refinement). Focusing on refinement, the aim of this study was to assess if tricaine methanesulfonate (MS222) as an “ideal anaesthetic” guarantees all three components of general anaesthesia including surgical tolerance – hypnosis, muscle relaxation, depression of vegetative responses and an adequate analgesia. In the first part of the study it was therefore determined if MS222 anaesthesia, besides muscle relaxation and hypnosis, induces reduction or rather elimination of the conduction of a noxious stimulus (nociception) and results in a therapeutic reduction of pain (analgesia). First, three different pain stimuli were evaluated to identify the most sensitive and reproducible stimulus for nociception under MS222 anaesthesia. Due to the lack of a well-established method to measure intraoperative nociception in anaesthetized amphibia, the same method as in mammals was used. The increase of the cardiovascular parameters blood pressure and heart rate was considered as a clear indication for nociception. For the continuous monitoring of the vital parameters, a micro-tip-catheter was placed directly in the frog’s heart ventricle. All three pain stimuli caused haemodynamic changes under MS222 anaesthesia. Even though there was no significant difference between the increases of BP and HR after the three different pain stimuli, the Acetic acid test (AAT) was defined as the most reproducible nociceptive stimulus. Currently, very little is known in literature about additional analgesia in amphibians and dosage guidelines vary tremendously. Therefore, in the second part of the study the analgesic potency of the two opioids fentanyl and butorphanol was evaluated with the aim to find a proper dose. Based on current literature, three different dosages (low/medium/high) were chosen. Data of the haemodynamic reactions after a noxious stimulus were continuously recorded before and after administration of the analgesics. Contrary to our expectation, fentanyl in all three doses did not show any reduction of nociception under MS222 anaesthesia. The only significant effects observed were a limitation of blood pressure and heart rate increases after a noxious input. This transient effect was only evident with the high butorphanol dose. In comparison to PS 1 (pain stimulus without analgesia) 10 minutes after application of butorphanol both parameters increased less after administration of acetic acid. However, 20 minutes following administration no difference was measured between treatment groups. Moreover, the high dose of butorphanol was associated with a strong cardiovascular depressant effect. Therefore, this dose cannot be recommended as it would not allow a safe anaesthetic and analgesic management. Consequently, the use of the two opioids could not improve intraoperative analgesia without considerable adverse effects. In summary, we conclude that African clawed frogs have intact and active nociceptive pathways under MS222 anaesthesia. In our study, the current anaesthetic drug of choice in amphibians induced unconsciousness and muscle relaxation but insufficient analgesia. Appropriate additional analgesia is required during painful interventions and procedures. As international recommendations of laboratory animal science currently still suggest the single use of MS222 as anaesthetic agent, the results of this study state, that there is a great need for action not only to adjust these recommendations but also to evaluate further analgesic agents in African clawed frogs. Current dosage recommendations of fentanyl and butorphanol could not be confirmed in our study. However, during this research project, we have developed a methodological basis, that will help to further evaluate other analgesics in future studies.
Analgesie, Krallenfrosch, Xenopus laevis, Fentanyl, Butorphanol, MS222
Strobel, Marie Sophie
2021
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Strobel, Marie Sophie (2021): Vergleich der analgetischen Wirkung von Fentanyl und Butorphanol unter Anästhesie mit Tricainmethansulfonat beim Krallenfrosch (Xenopus laevis). Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät
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Abstract

Die Schmerzkompetenz von Amphibien wird bis heute kontrovers diskutiert. Ein Stellvertreter dieser Klasse, der Afrikanische Krallenfrosch (Xenopus laevis) hat in der Versuchstierkunde seit langem einen festen Platz eingenommen. Weltweit gelten in der tierexperimentellen Forschung die Prinzipien der 3R. Ziel ist es, Tierversuche möglichst zu vermeiden (Replacement), die Zahl der Tiere zu reduzieren (Reduction) und ihr Leiden in Versuchen auf das unerlässliche Maß zu beschränken (Refinement). In Bezug auf letzteren Punkt war ein Ziel dieser Studie, die Überprüfung, ob Tricainmethansulfonat (MS222) als „ideales Anästhetikum“ alle Komponenten einer Allgemeinanästhesie mit chirurgischer Toleranz – Bewusstlosigkeit (Hypnose), Muskelrelaxation, Unterdrückung vegetativer Reflexe und damit eine adäquate Analgesie induzieren kann. Dazu wurde im ersten Teil des Projekts zunächst untersucht, ob es unter einer MS222-Anästhesie neben der Bewusstlosigkeit und Muskelrelaxation auch zur Ausschaltung bzw. Verringerung der Schmerzweiterleitung (Nozizeption) und damit zu einer effektiven Schmerzreduktion (Analgesie) kommt. Entsprechend wurden drei verschiedene Schmerzreize an narkotisierten Krallenfröschen untersucht, um den am besten reproduzier- und standardisierbaren Schmerzreiz zu finden. Da es für narkotisierte Amphibien kein etabliertes Verfahren gibt, um intraoperative Nozizeption zu messen, wurde auf Methoden, die beim Säuger etabliert sind, zurückgegriffen. Folglich wurde ein Anstieg der Herz-Kreislauf-Parameter Blutdruck und Herzfrequenz in der Studie als Hinweis auf Nozizeption gewertet. Zur Messung dieser Vitalparameter beim Frosch wurde in diesem Projekt ein Mikro-Tip-Katheter verwendet, der direkt im Herzventrikel platziert wurde. Alle drei Schmerzreize erzeugten hämodynamische Veränderungen unter MS222-Nakose. Obwohl kein signifikanter Unterschied zu den anderen Reizen bestand, wurde der sogenannte Essigsäuretest als Schmerzreiz der Wahl festgelegt, da dieser mit den größten Unterschieden zwischen dem Ruhewert und dem reizinduzierten Maximalwert verbunden war. Die in der Literatur zu findenden Angaben zur ergänzenden Schmerztherapie bei Amphibien variieren zum Teil stark. Aus diesem Grund wurde im zweiten Teil des Projekts die Wirkung der beiden Opioide Fentanyl und Butorphanol in jeweils drei unterschiedlichen Konzentrationen untersucht. Die Dosierungen der Analgetika wurde auf der Basis der vorhandenen Literatur ausgewählt. Sie betrugen 0,05 mg/kg, 0,25 mg/kg und 0,5 mg/kg für Fentanyl bzw. 0,05 mg/kg, 1,0 mg/kg und 5,0 mg/kg für Butorphanol. Die Reaktionen des hämodynamischen Systems auf den Essigsäuretest wurden vor und nach Gabe der Analgetika kontinuierlich aufgezeichnet. Wider Erwarten zeigte Fentanyl in allen drei Dosierungen keine Reduktion der Nozizeption unter MS222-Narkose. Mit Butorphanol konnte nur in der hohen Dosierung eine kurzzeitige und signifikante Limitierung des maximalen Blutdruck- und Herzfrequenzanstiegs nach einem Schmerzstimulus gemessen und damit als reduzierte Nozizeption gewertet werden. Nach Verabreichung der Essigsäure stiegen beide Parameter 10 Minuten nach Applikation von Butorphanol deutlich geringer an als im Vergleichsversuch ohne Analgetikum. Doch bereits 20 Minuten nach der Butorphanol-Gabe war dieser Effekt nicht mehr messbar. Die hohe Butorphanol-Dosis kann aufgrund starker Nebenwirkungen auf Blutdruck und Herzfrequenz nicht empfohlen werden. Mit dem Einsatz der beiden Opioide gelang es somit nicht, die intraoperative Analgesie nebenwirkungsarm zu verbessern. Zusammenfassend konnte im ersten Teil der Studie gezeigt werden, dass Tricainmethansulfonat eine gute Hypnose und Muskelrelaxation bewirkt, aber keine ausreichende Schmerzausschaltung induziert. Eine zusätzliche Analgesie ist bei schmerzhaften Operationen entsprechend indiziert. Da internationale Empfehlungen in der Versuchstierkunde aktuell jedoch die alleinige Anwendung von MS222 zur Operation von Krallenfröschen vorsehen, besteht Handlungsbedarf, einerseits diese Empfehlung zu überdenken und andererseits bessere Methoden zur Schmerzausschaltung beim Krallenfrosch zu untersuchen. Die aktuellen Dosierungsempfehlungen zu Fentanyl und Butorphanol in der Literatur konnten in der aktuellen Studie nicht bestätigt werden. Mit dem entwickelten Modell, unter Verwendung von mit MS222 anästhesierten Krallenfröschen, 5%iger Essigsäure als Schmerzreiz und einem genauen Messinstrument für hämodynamische Veränderungen (Tip-Katheter), können in Zukunft weitere Analgetika auf ihre Wirkung beim Krallenfrosch untersucht werden.

Abstract

Until today the ability to percept pain has been controversially discussed in amphibians. Over the years a representative of this class, the African clawed frog (Xenopus laevis), has established his position in laboratory animal science. Worldwide the principles of the 3R apply in animal experimental research, the aim is to avoid the use of animals (Replacement), to minimize the number of animals (Reduction) and to limit their suffering to the essential minimum (Refinement). Focusing on refinement, the aim of this study was to assess if tricaine methanesulfonate (MS222) as an “ideal anaesthetic” guarantees all three components of general anaesthesia including surgical tolerance – hypnosis, muscle relaxation, depression of vegetative responses and an adequate analgesia. In the first part of the study it was therefore determined if MS222 anaesthesia, besides muscle relaxation and hypnosis, induces reduction or rather elimination of the conduction of a noxious stimulus (nociception) and results in a therapeutic reduction of pain (analgesia). First, three different pain stimuli were evaluated to identify the most sensitive and reproducible stimulus for nociception under MS222 anaesthesia. Due to the lack of a well-established method to measure intraoperative nociception in anaesthetized amphibia, the same method as in mammals was used. The increase of the cardiovascular parameters blood pressure and heart rate was considered as a clear indication for nociception. For the continuous monitoring of the vital parameters, a micro-tip-catheter was placed directly in the frog’s heart ventricle. All three pain stimuli caused haemodynamic changes under MS222 anaesthesia. Even though there was no significant difference between the increases of BP and HR after the three different pain stimuli, the Acetic acid test (AAT) was defined as the most reproducible nociceptive stimulus. Currently, very little is known in literature about additional analgesia in amphibians and dosage guidelines vary tremendously. Therefore, in the second part of the study the analgesic potency of the two opioids fentanyl and butorphanol was evaluated with the aim to find a proper dose. Based on current literature, three different dosages (low/medium/high) were chosen. Data of the haemodynamic reactions after a noxious stimulus were continuously recorded before and after administration of the analgesics. Contrary to our expectation, fentanyl in all three doses did not show any reduction of nociception under MS222 anaesthesia. The only significant effects observed were a limitation of blood pressure and heart rate increases after a noxious input. This transient effect was only evident with the high butorphanol dose. In comparison to PS 1 (pain stimulus without analgesia) 10 minutes after application of butorphanol both parameters increased less after administration of acetic acid. However, 20 minutes following administration no difference was measured between treatment groups. Moreover, the high dose of butorphanol was associated with a strong cardiovascular depressant effect. Therefore, this dose cannot be recommended as it would not allow a safe anaesthetic and analgesic management. Consequently, the use of the two opioids could not improve intraoperative analgesia without considerable adverse effects. In summary, we conclude that African clawed frogs have intact and active nociceptive pathways under MS222 anaesthesia. In our study, the current anaesthetic drug of choice in amphibians induced unconsciousness and muscle relaxation but insufficient analgesia. Appropriate additional analgesia is required during painful interventions and procedures. As international recommendations of laboratory animal science currently still suggest the single use of MS222 as anaesthetic agent, the results of this study state, that there is a great need for action not only to adjust these recommendations but also to evaluate further analgesic agents in African clawed frogs. Current dosage recommendations of fentanyl and butorphanol could not be confirmed in our study. However, during this research project, we have developed a methodological basis, that will help to further evaluate other analgesics in future studies.