Logo Logo
Hilfe
Kontakt
Switch language to English
Entwicklung von targetbasierten Sensoren und phänotypischen Messverfahren zur Identifizierung von genetischen und chemischen Neuromodulatoren mit Relevanz für Schizophrenie
Entwicklung von targetbasierten Sensoren und phänotypischen Messverfahren zur Identifizierung von genetischen und chemischen Neuromodulatoren mit Relevanz für Schizophrenie
Die erfolgreiche Behandlung komplexer humaner Erkrankungen wie beispielsweise der Schizophrenie ist eine enorme Aufgabe für die Medizin. Eine zukunftsweisende Strategie ist die Entwicklung neuer Arzneistoffe, die im Rahmen der personalisierten Medizin auf individuelle Anforderungen eines Patienten angepasst werden können. Während der frühen Phasen der Medikamentenentwicklung ist für die Identifikation neuer Wirkstoffe der Einsatz geeigneter zellbasierter Assay-Systeme essentiell. Daher stellen targetbasierte Assays, die Aktivitäten von krankheitsrelevanten Zielmolekülen (oder auch Targets genannt) abbilden können, einen vielversprechenden Ansatz dar, um neue Medikamente zu entwickeln. Mit der Entwicklung der genetisch kodierten Split-TEV-Assays, die u.a. Aktivitäten von Rezeptoren in lebenden Zellen messen können, haben wir eine Methode etabliert, die die Identifikation neuer Substanzen als Modulatoren von Targets, z. B. von Rezeptoren, ermöglicht. Split-TEV-Assays wurden für unterschiedliche krankheitsrelevante Rezeptoren, die auch Schizophrenie-Risikogene sind (z. B. DRD2 und ERBB4), entwickelt und auf ihre Sensitivität mit bekannten Inhibitoren getestet. Weitere Split-TEV-Assays haben wir zudem für die Validierung unterschiedlicher Protein-Protein-Interaktionen etabliert und in einem genomweiten RNAi-Screen angewandt, um neue Modulatoren des Hippo-Signalweges, der den Differenzierungsstatus und die Polarität von Zellen reguliert, zu identifizieren. Da die Entwicklung neuer Arzneistoffe äußerst kostspielig und zeitaufwändig ist und darüber hinaus enorme Ressourcen bindet, wird zunehmend auch das Wiederverwerten von zugelassenen Medikamenten für andere Indikationen, das sog. Drug Repurposing, angewendet, um neue Medikamente und Therapien entwickeln zu können. In einem Show-Case-Szenario haben wir für den Rezeptor ERBB4, das als Schizophrenie-Risikogen identifiziert wurde und bei dieser Krankheit sowohl mit einer Positiv- und Negativsymptomatik als auch mit kognitiven Defiziten in Verbindung gebracht wird, einen Substanzscreen durchgeführt. Das Ziel dieses Split-TEV basierten Drug-Repurposing-Screens war es, aus einem Pool von zugelassenen Medikamenten ERBB4-Modulatoren zu identifizieren. Mit Spironolakton wurde ein ERBB4-Inhibitor entdeckt, der im Mausmodell eine Verbesserung der kognitiven Defizite und der Positivsymptomatik bewirkte. Die Target-Selektivität einer Wirksubstanz ist ein zentraler Parameter der Medikamentenentwicklung. Für die Bestimmung der Selektivität einer Substanz ist es nötig, auch Effekte auf verwandte Targets zu prüfen. Daher haben wir für G-Protein gekoppelte Rezeptoren (GPCRs), die als Targets eine Schlüsselposition in der modernen Pharmakotherapie einnehmen und über die etwa 30% aller verschreibungspflichtigen Medikamente wirken, einen multiparametrischen Split-TEV-Assay entwickelt, der Aktivitäten von 19 verschiedenen GPCRs simultan messen kann (GPCRprofiler). Der Assay verwendet als Auslesesystem molekulare Barcode-Reporter (das sind kurze RNA-Moleküle), die anhand der Next-Generation-Sequencing-Methode quantifiziert werden und somit eine Analyse verschiedener Targets unter unterschiedlichen Stimulationsbedingungen (z. B. Substanz, Konzentration, Zeitpunkt) ermöglichen. Die beiden zugelassenen Neuroleptika Paliperidon und Aripiprazol wurden im GPCRprofiler getestet und neben der Reproduktion aller bereits bekannten Aktivitäten wurden erstmalig neue nachgewiesen. Dieser multiparametrische Assay wird derzeit um die Klasse der Rezeptortyrosinkinasen, die wie die GPCRs eine wichtige Bedeutung als molekulare Targets in der Medizin einnehmen, erweitert. Genetisch komplexe Krankheiten, wie die Schizophrenie, werden auch als Signalwegserkrankungen eingestuft, da genetische Veränderungen zu gestörten Signalübertragungsprozessen führen können und somit Zellen in einen krankhaften Zustand versetzen können. Um diese Veränderungen ganzheitlich messbar zu machen, setzen wir neben dem targetorientierten Screening auch phänotypische Screening-Strategien ein, um Substanzen als Modulatoren neuronaler Aktivität zu identifizieren und deren Effekte hinsichtlich Schizophrenie-relevanter Targetproteine zu charakterisieren (siehe insbesondere den Abschnitt „Ausblick“). Phänotypische Assays basieren auf einem experimentellen Ansatz, der einen definierten Phänotyp abbilden kann, wie beispielsweise dem Messen neuronaler Aktivität in Neuronenkulturen. Wir haben ein multiparametrisches Profilierungstool entwickelt, das cisPROFILER genannt wird, mit dem anhand von genetischen Sensoren die Aktivitäten verschiedener relevanter Signalkaskaden in unterschiedlichsten Zelltypen, inklusive Neurone, zeitgleich und parallel gemessen werden können. Die Gesamtaktivität definierter Signalkaskaden kann wiederum den physiologischen Zustand der Zelle widerspiegeln. Diese Methode verwendet ebenfalls die oben beschriebenen molekularen Barcodes, die ein paralleles Auslesen verschiedenster Signalaktivitäten unter unterschiedlichsten Stimulationsbedingungen ermöglichen. Da dieses Profilierungstool mehrere Sensoren beinhaltet, kann ein aus diesem Profilierungstool optimierter Sensor für Screeningzwecke verwendet werden. Beispielsweise wurde ein optimierter Sensor entwickelt, der neuronale Aktivität abbildet, so dass dieser Sensor in einem phänotypischen Screen eingesetzt werden kann, um Modulatoren neuronaler Aktivität zu identifizieren. Anhand von Mausmodellen ausgewählter Schizophrenie-Risikogene soll in Zukunft die Effektivität der Substanzen in vivo validiert werden, wobei relevante Verhaltenstests, wie z. B. der Präpuls-Inhibitionstest (misst gestörte Filterfunktion für Reize), der Open-Field-Test (Hyperaktivität) oder Y-Maze-Test (Kognition), zum Einsatz kommen. Auf molekularer Ebene sollen die Effekte biochemisch charakterisiert und die Selektivität von Substanzen mit den multiparametrischen, zellbasierten Split-TEV-Assays adressiert werden.
Schizophrenie, krankheitsrelevante Targets, Zelluläre Signalwege, Medikamentenentwicklung, Drug Repurposing, Zell-basierte Assays, Multiparametrische Assays
Wehr, Michael
2018
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Wehr, Michael (2018): Entwicklung von targetbasierten Sensoren und phänotypischen Messverfahren zur Identifizierung von genetischen und chemischen Neuromodulatoren mit Relevanz für Schizophrenie. Habilitationsschrift, LMU München: Medizinische Fakultät
[thumbnail of Wehr_Michael.pdf]
Vorschau
PDF
Wehr_Michael.pdf

2MB

Abstract

Die erfolgreiche Behandlung komplexer humaner Erkrankungen wie beispielsweise der Schizophrenie ist eine enorme Aufgabe für die Medizin. Eine zukunftsweisende Strategie ist die Entwicklung neuer Arzneistoffe, die im Rahmen der personalisierten Medizin auf individuelle Anforderungen eines Patienten angepasst werden können. Während der frühen Phasen der Medikamentenentwicklung ist für die Identifikation neuer Wirkstoffe der Einsatz geeigneter zellbasierter Assay-Systeme essentiell. Daher stellen targetbasierte Assays, die Aktivitäten von krankheitsrelevanten Zielmolekülen (oder auch Targets genannt) abbilden können, einen vielversprechenden Ansatz dar, um neue Medikamente zu entwickeln. Mit der Entwicklung der genetisch kodierten Split-TEV-Assays, die u.a. Aktivitäten von Rezeptoren in lebenden Zellen messen können, haben wir eine Methode etabliert, die die Identifikation neuer Substanzen als Modulatoren von Targets, z. B. von Rezeptoren, ermöglicht. Split-TEV-Assays wurden für unterschiedliche krankheitsrelevante Rezeptoren, die auch Schizophrenie-Risikogene sind (z. B. DRD2 und ERBB4), entwickelt und auf ihre Sensitivität mit bekannten Inhibitoren getestet. Weitere Split-TEV-Assays haben wir zudem für die Validierung unterschiedlicher Protein-Protein-Interaktionen etabliert und in einem genomweiten RNAi-Screen angewandt, um neue Modulatoren des Hippo-Signalweges, der den Differenzierungsstatus und die Polarität von Zellen reguliert, zu identifizieren. Da die Entwicklung neuer Arzneistoffe äußerst kostspielig und zeitaufwändig ist und darüber hinaus enorme Ressourcen bindet, wird zunehmend auch das Wiederverwerten von zugelassenen Medikamenten für andere Indikationen, das sog. Drug Repurposing, angewendet, um neue Medikamente und Therapien entwickeln zu können. In einem Show-Case-Szenario haben wir für den Rezeptor ERBB4, das als Schizophrenie-Risikogen identifiziert wurde und bei dieser Krankheit sowohl mit einer Positiv- und Negativsymptomatik als auch mit kognitiven Defiziten in Verbindung gebracht wird, einen Substanzscreen durchgeführt. Das Ziel dieses Split-TEV basierten Drug-Repurposing-Screens war es, aus einem Pool von zugelassenen Medikamenten ERBB4-Modulatoren zu identifizieren. Mit Spironolakton wurde ein ERBB4-Inhibitor entdeckt, der im Mausmodell eine Verbesserung der kognitiven Defizite und der Positivsymptomatik bewirkte. Die Target-Selektivität einer Wirksubstanz ist ein zentraler Parameter der Medikamentenentwicklung. Für die Bestimmung der Selektivität einer Substanz ist es nötig, auch Effekte auf verwandte Targets zu prüfen. Daher haben wir für G-Protein gekoppelte Rezeptoren (GPCRs), die als Targets eine Schlüsselposition in der modernen Pharmakotherapie einnehmen und über die etwa 30% aller verschreibungspflichtigen Medikamente wirken, einen multiparametrischen Split-TEV-Assay entwickelt, der Aktivitäten von 19 verschiedenen GPCRs simultan messen kann (GPCRprofiler). Der Assay verwendet als Auslesesystem molekulare Barcode-Reporter (das sind kurze RNA-Moleküle), die anhand der Next-Generation-Sequencing-Methode quantifiziert werden und somit eine Analyse verschiedener Targets unter unterschiedlichen Stimulationsbedingungen (z. B. Substanz, Konzentration, Zeitpunkt) ermöglichen. Die beiden zugelassenen Neuroleptika Paliperidon und Aripiprazol wurden im GPCRprofiler getestet und neben der Reproduktion aller bereits bekannten Aktivitäten wurden erstmalig neue nachgewiesen. Dieser multiparametrische Assay wird derzeit um die Klasse der Rezeptortyrosinkinasen, die wie die GPCRs eine wichtige Bedeutung als molekulare Targets in der Medizin einnehmen, erweitert. Genetisch komplexe Krankheiten, wie die Schizophrenie, werden auch als Signalwegserkrankungen eingestuft, da genetische Veränderungen zu gestörten Signalübertragungsprozessen führen können und somit Zellen in einen krankhaften Zustand versetzen können. Um diese Veränderungen ganzheitlich messbar zu machen, setzen wir neben dem targetorientierten Screening auch phänotypische Screening-Strategien ein, um Substanzen als Modulatoren neuronaler Aktivität zu identifizieren und deren Effekte hinsichtlich Schizophrenie-relevanter Targetproteine zu charakterisieren (siehe insbesondere den Abschnitt „Ausblick“). Phänotypische Assays basieren auf einem experimentellen Ansatz, der einen definierten Phänotyp abbilden kann, wie beispielsweise dem Messen neuronaler Aktivität in Neuronenkulturen. Wir haben ein multiparametrisches Profilierungstool entwickelt, das cisPROFILER genannt wird, mit dem anhand von genetischen Sensoren die Aktivitäten verschiedener relevanter Signalkaskaden in unterschiedlichsten Zelltypen, inklusive Neurone, zeitgleich und parallel gemessen werden können. Die Gesamtaktivität definierter Signalkaskaden kann wiederum den physiologischen Zustand der Zelle widerspiegeln. Diese Methode verwendet ebenfalls die oben beschriebenen molekularen Barcodes, die ein paralleles Auslesen verschiedenster Signalaktivitäten unter unterschiedlichsten Stimulationsbedingungen ermöglichen. Da dieses Profilierungstool mehrere Sensoren beinhaltet, kann ein aus diesem Profilierungstool optimierter Sensor für Screeningzwecke verwendet werden. Beispielsweise wurde ein optimierter Sensor entwickelt, der neuronale Aktivität abbildet, so dass dieser Sensor in einem phänotypischen Screen eingesetzt werden kann, um Modulatoren neuronaler Aktivität zu identifizieren. Anhand von Mausmodellen ausgewählter Schizophrenie-Risikogene soll in Zukunft die Effektivität der Substanzen in vivo validiert werden, wobei relevante Verhaltenstests, wie z. B. der Präpuls-Inhibitionstest (misst gestörte Filterfunktion für Reize), der Open-Field-Test (Hyperaktivität) oder Y-Maze-Test (Kognition), zum Einsatz kommen. Auf molekularer Ebene sollen die Effekte biochemisch charakterisiert und die Selektivität von Substanzen mit den multiparametrischen, zellbasierten Split-TEV-Assays adressiert werden.