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Die Kinderschutzambulanz am Institut für Rechtsmedizin der LMU München. eine Zusammenschau der medizinischen Befunde sexuell und körperlich misshandelter Kinder und Jugendlicher
Die Kinderschutzambulanz am Institut für Rechtsmedizin der LMU München. eine Zusammenschau der medizinischen Befunde sexuell und körperlich misshandelter Kinder und Jugendlicher
Im Jahr 2010 wurde am Institut für Rechtsmedizin der LMU München das Pilotprojekt „Kinderschutzambulanz“ in das Leben gerufen. Untersucht werden Kinder und Jugendliche mit dem Verdacht auf oder zum Ausschluss körperlicher und/oder sexueller Gewalt. Das Angebot ist niedrigschwellig und richtet sich an alle mit dem Kinderschutz betrauten Organisationen. Aus der Notwendigkeit heraus, sich aktiv für den Kinderschutz einzusetzen, wird das Projekt seit Mai 2011 vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert und finanziell unterstützt. Die Bedeutung rechtsmedizinischer Ambulanzen im Bereich des Kinderschutzes leitet sich aus der Expertise der Rechtsmediziner auf dem Gebiet des Umgangs mit Gewaltopfern ab. Anamnese, Körperliche Untersuchung und Spurensicherung bilden das Grundgerüst der Diagnostik.Methodisch wurde ein Untersuchungsbogen entwickelt, welcher ein Körperschema enthält, auf dem das Einzeichnen von Verletzungen möglich ist. Nach eingehender Literaturrecherche wurden Items ausgewählt, welche im Hinblick auf körperliche und sexuelle Gewalttaten von Bedeutung sind. Zusammenfassend wurden in dem Zeitraum zwischen 2010 und 2013 225 Kinder und Jugendliche in der KSA untersucht. In 72% der Fälle handelte es sich um Mädchen, in knapp 28% der Fälle um Jungen. Am häufigsten fand die Vorstellung aufgrund des Verdachts auf eine sexuelle Gewalttat statt (mehr Mädchen als Jungen). Über 50% der Kinder und Jugendlichen befanden sich in der Altersgruppe der 1- bis unter 6-jährigen. Hauptauftraggeber der Untersuchungen waren Eltern (eher Auftraggeber bei V.a. sexuellen Missbrauch) und Jugendämter (eher Auftraggeber bei V.a. körperliche Misshandlung). Die Tatverdächtigen stammten zu einem erheblichen Anteil aus dem familiären Nahraum der Kinder (in einem Drittel der Fälle wurde der leibliche Vater als TV angegeben) und die Taten fanden oftmals im häuslichen Umfeld der Kinder statt (knapp ein Drittel der Fälle). Dies entspricht den Daten aus der Literatur. Oftmals fand die Vorstellung in der KSA mit einer erheblichen zeitlichen Diskrepanz zum angegebenen Vorfallszeitpunkt statt, welches die Bewertung von Befunden und die Spurensicherung deutlich erschwerte (in knapp der Hälfte der Fälle konnte der Vorfallszeitpunkt nicht eruiert werden). Bei einer sexuellen Gewalttat als Vorstellungsgrund wurde in einem Fünftel der Fälle eine Penetration angegeben (vor allem vaginal mit Penis oder Finger).. Beschriebene Auffälligkeiten im Anogenitalbereich stellten sich zum überwiegenden Teil als unspezifische Rötungen durch z.B. Windeldermatitiden oder Synechien heraus. Über die Hälfte der Kinder und Jugendliche wurde aufgrund auffälligem (z.B. aggressivem) oder sexualisiertem Verhalten vorgestellt. Eine Befragung von Kindern wird aufgrund der suggestiven Beeinflussbarkeit in der KSA nicht durchgeführt. Ein körperlich gesundes Kind kann allerdings zu großer Beruhigung seitens der Eltern führen und Hilfsangebote können rechtzeitig vermittelt werden (Stichwort Prävention). Bei allen vorgestellten Kinder und Jugendlichen wurde eine umfassende körperliche Untersuchung durchgeführt. In der Zusammenschau dieser Befunde zeigte sich, dass fast alle Kinder und Jugendliche Hautverfärbungen an sturz- und stoßexponierten Stellen aufwiesen. In einem Drittel der Fälle fand die Vorstellung aufgrund einer körperlichen Gewalttat statt. In knapp 50% der Fälle wurde stumpfe Gewalt in Form von Schlägen als Vorstellungsgrund benannt. Als Schlagwerkzeug überwog die flache Hand. Scharfe Gewalt fand sich nicht als Vorstellungsgrund. Strangulation wurde einmal angegeben. Bei angegebener thermischer Gewalt wurden vor allem Verbrennungen durch Zigaretten angegeben.
Rechtsmedizin, klinische Rechtsmedizin, Kindesmisshandlung, sexueller Missbrauch, körperliche Gewalt, Kinderschutzambulanz
Brandau, Lea-Marie
2018
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Brandau, Lea-Marie (2018): Die Kinderschutzambulanz am Institut für Rechtsmedizin der LMU München: eine Zusammenschau der medizinischen Befunde sexuell und körperlich misshandelter Kinder und Jugendlicher. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Im Jahr 2010 wurde am Institut für Rechtsmedizin der LMU München das Pilotprojekt „Kinderschutzambulanz“ in das Leben gerufen. Untersucht werden Kinder und Jugendliche mit dem Verdacht auf oder zum Ausschluss körperlicher und/oder sexueller Gewalt. Das Angebot ist niedrigschwellig und richtet sich an alle mit dem Kinderschutz betrauten Organisationen. Aus der Notwendigkeit heraus, sich aktiv für den Kinderschutz einzusetzen, wird das Projekt seit Mai 2011 vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert und finanziell unterstützt. Die Bedeutung rechtsmedizinischer Ambulanzen im Bereich des Kinderschutzes leitet sich aus der Expertise der Rechtsmediziner auf dem Gebiet des Umgangs mit Gewaltopfern ab. Anamnese, Körperliche Untersuchung und Spurensicherung bilden das Grundgerüst der Diagnostik.Methodisch wurde ein Untersuchungsbogen entwickelt, welcher ein Körperschema enthält, auf dem das Einzeichnen von Verletzungen möglich ist. Nach eingehender Literaturrecherche wurden Items ausgewählt, welche im Hinblick auf körperliche und sexuelle Gewalttaten von Bedeutung sind. Zusammenfassend wurden in dem Zeitraum zwischen 2010 und 2013 225 Kinder und Jugendliche in der KSA untersucht. In 72% der Fälle handelte es sich um Mädchen, in knapp 28% der Fälle um Jungen. Am häufigsten fand die Vorstellung aufgrund des Verdachts auf eine sexuelle Gewalttat statt (mehr Mädchen als Jungen). Über 50% der Kinder und Jugendlichen befanden sich in der Altersgruppe der 1- bis unter 6-jährigen. Hauptauftraggeber der Untersuchungen waren Eltern (eher Auftraggeber bei V.a. sexuellen Missbrauch) und Jugendämter (eher Auftraggeber bei V.a. körperliche Misshandlung). Die Tatverdächtigen stammten zu einem erheblichen Anteil aus dem familiären Nahraum der Kinder (in einem Drittel der Fälle wurde der leibliche Vater als TV angegeben) und die Taten fanden oftmals im häuslichen Umfeld der Kinder statt (knapp ein Drittel der Fälle). Dies entspricht den Daten aus der Literatur. Oftmals fand die Vorstellung in der KSA mit einer erheblichen zeitlichen Diskrepanz zum angegebenen Vorfallszeitpunkt statt, welches die Bewertung von Befunden und die Spurensicherung deutlich erschwerte (in knapp der Hälfte der Fälle konnte der Vorfallszeitpunkt nicht eruiert werden). Bei einer sexuellen Gewalttat als Vorstellungsgrund wurde in einem Fünftel der Fälle eine Penetration angegeben (vor allem vaginal mit Penis oder Finger).. Beschriebene Auffälligkeiten im Anogenitalbereich stellten sich zum überwiegenden Teil als unspezifische Rötungen durch z.B. Windeldermatitiden oder Synechien heraus. Über die Hälfte der Kinder und Jugendliche wurde aufgrund auffälligem (z.B. aggressivem) oder sexualisiertem Verhalten vorgestellt. Eine Befragung von Kindern wird aufgrund der suggestiven Beeinflussbarkeit in der KSA nicht durchgeführt. Ein körperlich gesundes Kind kann allerdings zu großer Beruhigung seitens der Eltern führen und Hilfsangebote können rechtzeitig vermittelt werden (Stichwort Prävention). Bei allen vorgestellten Kinder und Jugendlichen wurde eine umfassende körperliche Untersuchung durchgeführt. In der Zusammenschau dieser Befunde zeigte sich, dass fast alle Kinder und Jugendliche Hautverfärbungen an sturz- und stoßexponierten Stellen aufwiesen. In einem Drittel der Fälle fand die Vorstellung aufgrund einer körperlichen Gewalttat statt. In knapp 50% der Fälle wurde stumpfe Gewalt in Form von Schlägen als Vorstellungsgrund benannt. Als Schlagwerkzeug überwog die flache Hand. Scharfe Gewalt fand sich nicht als Vorstellungsgrund. Strangulation wurde einmal angegeben. Bei angegebener thermischer Gewalt wurden vor allem Verbrennungen durch Zigaretten angegeben.