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Molekulargenetische Analyse bei Patienten mit kongenitalen myasthenen Syndromen. Untersuchung von seltenen Krankheitsgenen und von Kandidatengenen des Hexosaminstoffwechselweges
Molekulargenetische Analyse bei Patienten mit kongenitalen myasthenen Syndromen. Untersuchung von seltenen Krankheitsgenen und von Kandidatengenen des Hexosaminstoffwechselweges
Die kongenitalen myasthenen Syndrome (CMS) stellen eine Gruppe seltener hereditärer Erkrankungen dar, die auf einer Störung im Nerv-Muskel-Signalübertragungsweg beruhen. Hinsichtlich Pathogenese, Molekulargenetik und klinischer Symptomatik zeichnen sich diese Syndrome durch eine starke Heterogenität aus, die eine Einteilung in CMS-Unterformen erforderlich macht. Die bislang bekannt gewordenen krankheitsursächlichen CMS-Gene kodieren in vielen Fällen für Synapsen-assoziierte Proteine. Um so überaschender war die kürzliche Entdeckung, dass Mutationen im Gen GFPT1, kodierend für das Schlüsselenzym des Hexosamin-Stoffwechselwegs, und zwar der Glutamin-Fruktose-6-Phosphat-Amidotransferase 1 (GFAT1), krankheitsauslösend für ein CMS mit Gliedergürtelbetonung sind. Dies ließ vermuten, dass ein neuer Pathomechanismus – nämlich Glykosylierungsstörungen – dieser CMS-Untergruppe zugrunde liegen könnte. Damit rückten weitere Gene für Enzyme des Hexosamin-Stoffwechselweges als Kandidatengene für CMS in den Fokus. Hauptschwerpunkt dieser Promotionsarbeit war deshalb, eine Kohorte von CMS-Patienten auf krankheitsrelevante Mutationen in den Hexosamin-Biosynthese-Genen GNPNAT1, PGM3, UAP1 und OGT zu untersuchen. Die Kohorte bestand aus insgesamt 44 CMS-Patienten, größtenteils solchen mit dem besonderen Phänotyp der Gliedergürtelbeteiligung (38 Patienten), zum kleineren Teil solchen mit bisher ungeklärter genetischer Ursache (6 Patienten). Jedoch konnte in keinem dieser Fälle eine mutmaßlich pathogene Sequenzveränderung in den genannten vier Kandidatengenen detektiert werden. Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit lag darin, die vorgestellte Gliedergürtel-Kohorte auf bereits bekannte, jedoch nur äußerst selten nachgewiesene, CMS-verursachende Mutationen zu analysieren. Hierzu zählen vor allem Mutationen in MUSK, einem essentiellen Gen für eine an der neuromuskulären Synapsenbildung beteiligten Kinase. Weltweit sind hier überhaupt nur 5 Fälle/Familien in der Literatur beschrieben. Erstmals konnten im Rahmen dieser Arbeit bei einem Patienten die Sequenzvariante MUSK p.Asp38Glu und eine größere Deletion im MUSK-Gen nachgewiesen werden. Funktionelle Studien auf Ebene der MUSK-mRNA-Transkripte im Patientenmuskel, bioinformatische Daten und die Segregationsanalyse in der Familie lassen den Schluss zu, dass diese beiden Mutationen sehr wahrscheinlich als pathogen einzustufen sind. Klinisch fiel ein ausgezeichnetes Ansprechen auf Salbutamol auf, welches bei MUSK-CMS-Patienten bisher noch nicht beschrieben war. Die Analyse weiterer bekannter CMS-Gene in Patienten beider Kohorten führte zum Nachweis bereits beschriebener Frameshift-Mutationen in CHRNE, die bekanntermaßen zu einer verminderten Expression des Acetylcholinrezeptors an der Oberfläche von Muskelzellen führen. Neben den häufigen Mutationen c.1327delG in homozygoter Form und c.1353dupG in homozygoter und compound heterozygoter Form - beides Founder-Mutationen in der Population der Roma bzw. der nordafrikanischen Bevölkerung - wurde die Mutation c.70insG in compound heterozygoter Form gefunden. Interessanterweise lag bei zwei der hier beschriebenen vier CHRNE-Patienten ein Phänotyp mit prominenter Gliedergürtelschwäche vor, was für CHRNE-CMS-Patienten mit typischerweise im Vordergrund stehender okulärer Beteiligung ungewöhnlich ist. Zusammengefasst zeigen die im Rahmen dieser Arbeit identifizierten Patienten mit CHRNE-Mutationen klinisch eine unerwartet große Heterogenität. Ein Patient mit distal betonter Muskelschwäche aus der Kohorte mit ungewöhnlichen Phänotypen wies die Sequenzvariante c.866C>A/p.Ser289Tyr in CHRND in heterozygoter Form auf. Diese bisher nicht funktionell untersuchte Variante stellt eine autosomal dominant vererbte Slow-Channel-Mutation dar und führt möglicherweise wie die an gleicher Position lokalisierte, jedoch schon funktionell charakterisierte Mutation p.Ser289Phe zu einer verlängerten Kanalöffnungszeit des Acetylcholinrezeptors. Im Unterschied zu anderen CHRND-Patienten war phänotypisch jedoch keine respiratorische Beteiligung erkennbar. Bei einem weiteren Patienten mit Gliedergürtelphänotyp konnten zwei Sequenzvarianten nachgewiesen werden, deren pathogenes Potential aufgrund der Ergebnisse der in silico- und Segregationsanalyse, wenn überhaupt, als sehr gering einzustufen ist. Zum einen fand sich in CHRNB1 die Sequenzveränderung p.Val113Met heterozygot. Daneben war der Patient Träger der Sequenzvariante c.1137-3del in OGT, die abschließend auf Grund der Ergebnisse der in silico- und Segregationsanalyse ebenfalls als nicht krankheitsverursachend einzuschätzen ist. Zusammenfassend konnte im untersuchten Patientenkollektiv zwar keine krankheitsursächliche Mutation der Kandidatengenene des Hexosamin-Biosynthesewegs, i.e. GNPNAT1, PGM3, UAP1 und OGT, nachgewiesen werden. Die grundsätzliche pathogene Relevanz von Genen, die eine Rolle bei Glykosylierungsvorgängen spielen, wurde jedoch zwischenzeitlich durch Identifikation von Mutationen in den Genen DPAGT1, ALG2 und ALG14 bei CMS gezeigt. Eine vergleichende Gegenüberstellung der Phänotypen der im Rahmen der Arbeit genetisch aufgeklärten CMS-Patienten bestätigte die große klinische Heterogenität innerhalb der Krankheitsgruppe und zum Teil auch unter Patienten mit identischen Genotypen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit ermöglichen eine Erweiterung des Phänotyps sowohl für häufig als auch für seltener ursächliche CMS-Gene und machen deutlich, welche klinische Relevanz die Analyse von seltenen CMS-Genen wie MUSK haben kann. Im Hinblick auf Salbutamol als eine Therapieoption bei MUSK-CMS wird ein neuartiger medikamentöser Behandlungsansatz aufgezeigt. Neben einem besseren Verständnis für die genetischen Hintergünde der Erkrankung leisten die Ergebnisse somit auch einen Beitrag für eine bessere Versorgung bzgl. Diagnostik und Therapie von Patienten mit dieser seltenen neuromuskulären Erkrankung.
Kongenitale Myasthenie; Kongenitale myasthene Syndrome; CMS;
Gallenmüller, Constanze
2014
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Gallenmüller, Constanze (2014): Molekulargenetische Analyse bei Patienten mit kongenitalen myasthenen Syndromen: Untersuchung von seltenen Krankheitsgenen und von Kandidatengenen des Hexosaminstoffwechselweges. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Die kongenitalen myasthenen Syndrome (CMS) stellen eine Gruppe seltener hereditärer Erkrankungen dar, die auf einer Störung im Nerv-Muskel-Signalübertragungsweg beruhen. Hinsichtlich Pathogenese, Molekulargenetik und klinischer Symptomatik zeichnen sich diese Syndrome durch eine starke Heterogenität aus, die eine Einteilung in CMS-Unterformen erforderlich macht. Die bislang bekannt gewordenen krankheitsursächlichen CMS-Gene kodieren in vielen Fällen für Synapsen-assoziierte Proteine. Um so überaschender war die kürzliche Entdeckung, dass Mutationen im Gen GFPT1, kodierend für das Schlüsselenzym des Hexosamin-Stoffwechselwegs, und zwar der Glutamin-Fruktose-6-Phosphat-Amidotransferase 1 (GFAT1), krankheitsauslösend für ein CMS mit Gliedergürtelbetonung sind. Dies ließ vermuten, dass ein neuer Pathomechanismus – nämlich Glykosylierungsstörungen – dieser CMS-Untergruppe zugrunde liegen könnte. Damit rückten weitere Gene für Enzyme des Hexosamin-Stoffwechselweges als Kandidatengene für CMS in den Fokus. Hauptschwerpunkt dieser Promotionsarbeit war deshalb, eine Kohorte von CMS-Patienten auf krankheitsrelevante Mutationen in den Hexosamin-Biosynthese-Genen GNPNAT1, PGM3, UAP1 und OGT zu untersuchen. Die Kohorte bestand aus insgesamt 44 CMS-Patienten, größtenteils solchen mit dem besonderen Phänotyp der Gliedergürtelbeteiligung (38 Patienten), zum kleineren Teil solchen mit bisher ungeklärter genetischer Ursache (6 Patienten). Jedoch konnte in keinem dieser Fälle eine mutmaßlich pathogene Sequenzveränderung in den genannten vier Kandidatengenen detektiert werden. Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit lag darin, die vorgestellte Gliedergürtel-Kohorte auf bereits bekannte, jedoch nur äußerst selten nachgewiesene, CMS-verursachende Mutationen zu analysieren. Hierzu zählen vor allem Mutationen in MUSK, einem essentiellen Gen für eine an der neuromuskulären Synapsenbildung beteiligten Kinase. Weltweit sind hier überhaupt nur 5 Fälle/Familien in der Literatur beschrieben. Erstmals konnten im Rahmen dieser Arbeit bei einem Patienten die Sequenzvariante MUSK p.Asp38Glu und eine größere Deletion im MUSK-Gen nachgewiesen werden. Funktionelle Studien auf Ebene der MUSK-mRNA-Transkripte im Patientenmuskel, bioinformatische Daten und die Segregationsanalyse in der Familie lassen den Schluss zu, dass diese beiden Mutationen sehr wahrscheinlich als pathogen einzustufen sind. Klinisch fiel ein ausgezeichnetes Ansprechen auf Salbutamol auf, welches bei MUSK-CMS-Patienten bisher noch nicht beschrieben war. Die Analyse weiterer bekannter CMS-Gene in Patienten beider Kohorten führte zum Nachweis bereits beschriebener Frameshift-Mutationen in CHRNE, die bekanntermaßen zu einer verminderten Expression des Acetylcholinrezeptors an der Oberfläche von Muskelzellen führen. Neben den häufigen Mutationen c.1327delG in homozygoter Form und c.1353dupG in homozygoter und compound heterozygoter Form - beides Founder-Mutationen in der Population der Roma bzw. der nordafrikanischen Bevölkerung - wurde die Mutation c.70insG in compound heterozygoter Form gefunden. Interessanterweise lag bei zwei der hier beschriebenen vier CHRNE-Patienten ein Phänotyp mit prominenter Gliedergürtelschwäche vor, was für CHRNE-CMS-Patienten mit typischerweise im Vordergrund stehender okulärer Beteiligung ungewöhnlich ist. Zusammengefasst zeigen die im Rahmen dieser Arbeit identifizierten Patienten mit CHRNE-Mutationen klinisch eine unerwartet große Heterogenität. Ein Patient mit distal betonter Muskelschwäche aus der Kohorte mit ungewöhnlichen Phänotypen wies die Sequenzvariante c.866C>A/p.Ser289Tyr in CHRND in heterozygoter Form auf. Diese bisher nicht funktionell untersuchte Variante stellt eine autosomal dominant vererbte Slow-Channel-Mutation dar und führt möglicherweise wie die an gleicher Position lokalisierte, jedoch schon funktionell charakterisierte Mutation p.Ser289Phe zu einer verlängerten Kanalöffnungszeit des Acetylcholinrezeptors. Im Unterschied zu anderen CHRND-Patienten war phänotypisch jedoch keine respiratorische Beteiligung erkennbar. Bei einem weiteren Patienten mit Gliedergürtelphänotyp konnten zwei Sequenzvarianten nachgewiesen werden, deren pathogenes Potential aufgrund der Ergebnisse der in silico- und Segregationsanalyse, wenn überhaupt, als sehr gering einzustufen ist. Zum einen fand sich in CHRNB1 die Sequenzveränderung p.Val113Met heterozygot. Daneben war der Patient Träger der Sequenzvariante c.1137-3del in OGT, die abschließend auf Grund der Ergebnisse der in silico- und Segregationsanalyse ebenfalls als nicht krankheitsverursachend einzuschätzen ist. Zusammenfassend konnte im untersuchten Patientenkollektiv zwar keine krankheitsursächliche Mutation der Kandidatengenene des Hexosamin-Biosynthesewegs, i.e. GNPNAT1, PGM3, UAP1 und OGT, nachgewiesen werden. Die grundsätzliche pathogene Relevanz von Genen, die eine Rolle bei Glykosylierungsvorgängen spielen, wurde jedoch zwischenzeitlich durch Identifikation von Mutationen in den Genen DPAGT1, ALG2 und ALG14 bei CMS gezeigt. Eine vergleichende Gegenüberstellung der Phänotypen der im Rahmen der Arbeit genetisch aufgeklärten CMS-Patienten bestätigte die große klinische Heterogenität innerhalb der Krankheitsgruppe und zum Teil auch unter Patienten mit identischen Genotypen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit ermöglichen eine Erweiterung des Phänotyps sowohl für häufig als auch für seltener ursächliche CMS-Gene und machen deutlich, welche klinische Relevanz die Analyse von seltenen CMS-Genen wie MUSK haben kann. Im Hinblick auf Salbutamol als eine Therapieoption bei MUSK-CMS wird ein neuartiger medikamentöser Behandlungsansatz aufgezeigt. Neben einem besseren Verständnis für die genetischen Hintergünde der Erkrankung leisten die Ergebnisse somit auch einen Beitrag für eine bessere Versorgung bzgl. Diagnostik und Therapie von Patienten mit dieser seltenen neuromuskulären Erkrankung.