Logo Logo
Hilfe
Kontakt
Switch language to English
Blutungskomplikationen bei Adenotomien und Tonsillektomien im Kindes- und Jugendalter. Eine bayern- und saarlandweite Umfrage unter den niedergelassenen HNO-Ärzten zur Häufigkeit, Vorhersagbarkeit und Ursachen
Blutungskomplikationen bei Adenotomien und Tonsillektomien im Kindes- und Jugendalter. Eine bayern- und saarlandweite Umfrage unter den niedergelassenen HNO-Ärzten zur Häufigkeit, Vorhersagbarkeit und Ursachen
Im Jahr 2006 gaben die deutschen Fachgesellschaften eine Empfehlung zur präoperativen Gerinnungsdiagnostik bei Kindern vor Tonsillektomie und Adenotomie heraus, in welcher die Wichtigkeit einer gezielten Anamneseerhebung hervorgehoben und die Bestimmung von INR und PTT nur noch in Ausnahmefällen empfohlen wird, da die gezielte Anamnese als Screening-Methode dem laborchemischen Screening überlegen ist. Die vorliegende retrospektive Umfragestudie befasst sich insbesondere mit dieser Empfehlung und deren Umsetzung durch die niedergelassenen, bayerischen sowie saarländischen HNO-Ärzte. Neben der Erhebung epidemiologischer Daten wurden auch die jeweiligen Operationszahlen einschließlich etwaiger Nachblutungen erfragt und ob – wenn ja mit welcher Konsequenz – die Empfehlung umgesetzt wurde. Die erhobenen Daten konnten somit auch dazu genutzt werden, die Nachblutungsraten nach Mandeloperationen zu eruieren und etwaige Risikofaktoren herauszuarbeiten. Insbesondere wurden auch die Daten zwischen den Empfehlungsumsetzenden und Empfehlungsnichtumsetzenden statistischen Analysen unterzogen und auf etwaige signifikante Unterschiede hin untersucht. Zudem wurden die Daten aus Bayern mit denen des Saarlandes verglichen. Von 82,4% der kontaktierten HNO-Ärzte Bayerns (n=495/601) – respektive von 85,2% im Saarland (n=46/54) – konnten verwertbare Antworten erlangt werden. Das errechnete Durchschnittsalter liegt in Bayern bei etwas über 50 Jahren, im Saarland bei knapp 50 Jahren. Die Dichte an HNO-Ärzten beträgt etwa fünf pro 100.000 Einwohner – in Bayern ist diese etwas geringer als im Saarland. Die Anzahl operativ tätiger HNO-Ärzte pro 100.000 Einwohner hingegen ist im Saarland etwas geringer als in Bayern und liegt bei 2,3 bzw. 2,6. Die Praxisstruktur wird geprägt durch Einzelpraxen an erster Stelle, gefolgt von Gemeinschaftspraxen. Insgesamt machen diese zwei Praxisarten etwa 95% aus. Operativ tätig sind etwas mehr als 50% der HNO-Ärzte im Saarland und etwa zwei Drittel in Bayern. Meist sind diese als Belegarzt tätig. Die Adenotomien werden mit Abstand am Häufigsten durchgeführt, gefolgt von Tonsillektomien und Adenotonsillektomien. Es fällt auf, dass die HNO-Ärzte in Unterfranken im Mittel am meisten Mandeloperationen durchführen, was möglicherweise durch die dort ebenfalls auffallende geringste Dichte an HNO-Ärzten bedingt ist. Ein operativ tätiger HNO-Arzt in Bayern führt im Mittel etwa 116 Mandeloperationen pro Jahr durch, im Saarland etwa 143. Etwa 40% der operativ tätigen HNO-Ärzte in Bayern und dem Saarland gaben keine Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der Empfehlung zur präoperativen Gerinnungsdiagnostik an. Konsequent umgesetzt wird diese jedoch nur von 33% der operativ tätigen HNO-Ärzte in Bayern, etwas häufiger als im Saarland. Beim Vergleich der Nachblutungsraten nach Tonsillektomie sowie Adenotomie der die Empfehlung Umsetzenden und Nichtumsetzenden zeigt sich in der vorliegenden Untersuchung kein signifikanter Unterschied. Auch innerhalb der verschiedenen Altersgruppen oder der verschiedenen Gruppen der Anzahl pro Jahr durchgeführter Mandeloperationen ergeben sich bei Tonsillektomie keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Nachblutungsrate zwischen den die Empfehlung Umsetzenden und Nichtumsetzenden. Jedoch konnte in der vorliegenden Arbeit beim Vergleich der Nachblutungsraten nach Tonsillektomie bzw. Adenotomie mit der Anzahl der pro Jahr durchgeführten Tonsillektomien bzw. Adenotomien ein hochsignifikanter Unterschied zugunsten der mehr Operierenden nachgewiesen werden. Auch konnten signifikante Unterschiede beim Vergleich der Nachblutungsraten sowohl mit gewissen Altersbereichen als auch mit der operativen Erfahrenheit nachgewiesen werden. Etwa zwei Drittel der die Empfehlung umsetzenden HNO-Ärzte führen die Blutungsanamnese selbst durch – das restliche Drittel lässt diese nur oder zusätzlich von Ärzten anderer Fachrichtung durchführen. Die körperliche Untersuchung wird in weniger als 10% der operativ tätigen HNO-Ärzte vom HNO-Arzt selbst durchgeführt. Bei Auffälligkeiten in der Blutungsanamnese bzw. der körperlichen Untersuchung führen in Bayern 24% der operativ tätigen, die Empfehlung umsetzenden HNO-Ärzte nur die bisher übliche Gerinnungsdiagnostik durch. Die restlichen HNO-Ärzte führen eine erweiterte Gerinnungsdiagnostik durch und/oder überweisen das Kind zwecks Abklärung zu einem Arzt anderer Fachrichtung. Die sechs operativ tätigen, die Empfehlung umsetzenden HNO-Ärzte im Saarland gaben an, bei Auffälligkeiten stets eine erweiterte Gerinnungsdiagnostik und/oder Überweisung durchzuführen. Etwa 90% der Nichtumsetzenden in Bayern gaben an, bei jedem Kind die bisher übliche Gerinnungsdiagnostik mittels Bestimmung der PTT und des INR durchzuführen. Nur knapp 5% der Empfehlungsumsetzenden in Bayern respektive 17% (1 HNO-Arzt) im Saarland gaben an, dass deren Erfahrung zufolge Kinder mit relevanten Gerinnungsstörungen übersehen würden. Etwa 8% der die Empfehlung nicht Umsetzenden in Bayern gaben an, dass deren Erfahrung zufolge Kinder mit relevanten Gerinnungsstörungen übersehen würden. Die Rate an Nachblutungen konnte in der vorliegenden Arbeit in Bayern auf 1,8% nach Tonsillektomie, 0,30% nach Adenotomie und 0,034% nach Tonsillotomie berechnet werden.
Tonsillektomie,Adenotomie,Nachblutung,Gerinnungsdiagnostik,Umfragestudie
Zesewitz, Pascal Simon
2012
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Zesewitz, Pascal Simon (2012): Blutungskomplikationen bei Adenotomien und Tonsillektomien im Kindes- und Jugendalter: Eine bayern- und saarlandweite Umfrage unter den niedergelassenen HNO-Ärzten zur Häufigkeit, Vorhersagbarkeit und Ursachen. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
[thumbnail of Zesewitz_Pascal_Simon.pdf]
Vorschau
PDF
Zesewitz_Pascal_Simon.pdf

3MB

Abstract

Im Jahr 2006 gaben die deutschen Fachgesellschaften eine Empfehlung zur präoperativen Gerinnungsdiagnostik bei Kindern vor Tonsillektomie und Adenotomie heraus, in welcher die Wichtigkeit einer gezielten Anamneseerhebung hervorgehoben und die Bestimmung von INR und PTT nur noch in Ausnahmefällen empfohlen wird, da die gezielte Anamnese als Screening-Methode dem laborchemischen Screening überlegen ist. Die vorliegende retrospektive Umfragestudie befasst sich insbesondere mit dieser Empfehlung und deren Umsetzung durch die niedergelassenen, bayerischen sowie saarländischen HNO-Ärzte. Neben der Erhebung epidemiologischer Daten wurden auch die jeweiligen Operationszahlen einschließlich etwaiger Nachblutungen erfragt und ob – wenn ja mit welcher Konsequenz – die Empfehlung umgesetzt wurde. Die erhobenen Daten konnten somit auch dazu genutzt werden, die Nachblutungsraten nach Mandeloperationen zu eruieren und etwaige Risikofaktoren herauszuarbeiten. Insbesondere wurden auch die Daten zwischen den Empfehlungsumsetzenden und Empfehlungsnichtumsetzenden statistischen Analysen unterzogen und auf etwaige signifikante Unterschiede hin untersucht. Zudem wurden die Daten aus Bayern mit denen des Saarlandes verglichen. Von 82,4% der kontaktierten HNO-Ärzte Bayerns (n=495/601) – respektive von 85,2% im Saarland (n=46/54) – konnten verwertbare Antworten erlangt werden. Das errechnete Durchschnittsalter liegt in Bayern bei etwas über 50 Jahren, im Saarland bei knapp 50 Jahren. Die Dichte an HNO-Ärzten beträgt etwa fünf pro 100.000 Einwohner – in Bayern ist diese etwas geringer als im Saarland. Die Anzahl operativ tätiger HNO-Ärzte pro 100.000 Einwohner hingegen ist im Saarland etwas geringer als in Bayern und liegt bei 2,3 bzw. 2,6. Die Praxisstruktur wird geprägt durch Einzelpraxen an erster Stelle, gefolgt von Gemeinschaftspraxen. Insgesamt machen diese zwei Praxisarten etwa 95% aus. Operativ tätig sind etwas mehr als 50% der HNO-Ärzte im Saarland und etwa zwei Drittel in Bayern. Meist sind diese als Belegarzt tätig. Die Adenotomien werden mit Abstand am Häufigsten durchgeführt, gefolgt von Tonsillektomien und Adenotonsillektomien. Es fällt auf, dass die HNO-Ärzte in Unterfranken im Mittel am meisten Mandeloperationen durchführen, was möglicherweise durch die dort ebenfalls auffallende geringste Dichte an HNO-Ärzten bedingt ist. Ein operativ tätiger HNO-Arzt in Bayern führt im Mittel etwa 116 Mandeloperationen pro Jahr durch, im Saarland etwa 143. Etwa 40% der operativ tätigen HNO-Ärzte in Bayern und dem Saarland gaben keine Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der Empfehlung zur präoperativen Gerinnungsdiagnostik an. Konsequent umgesetzt wird diese jedoch nur von 33% der operativ tätigen HNO-Ärzte in Bayern, etwas häufiger als im Saarland. Beim Vergleich der Nachblutungsraten nach Tonsillektomie sowie Adenotomie der die Empfehlung Umsetzenden und Nichtumsetzenden zeigt sich in der vorliegenden Untersuchung kein signifikanter Unterschied. Auch innerhalb der verschiedenen Altersgruppen oder der verschiedenen Gruppen der Anzahl pro Jahr durchgeführter Mandeloperationen ergeben sich bei Tonsillektomie keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Nachblutungsrate zwischen den die Empfehlung Umsetzenden und Nichtumsetzenden. Jedoch konnte in der vorliegenden Arbeit beim Vergleich der Nachblutungsraten nach Tonsillektomie bzw. Adenotomie mit der Anzahl der pro Jahr durchgeführten Tonsillektomien bzw. Adenotomien ein hochsignifikanter Unterschied zugunsten der mehr Operierenden nachgewiesen werden. Auch konnten signifikante Unterschiede beim Vergleich der Nachblutungsraten sowohl mit gewissen Altersbereichen als auch mit der operativen Erfahrenheit nachgewiesen werden. Etwa zwei Drittel der die Empfehlung umsetzenden HNO-Ärzte führen die Blutungsanamnese selbst durch – das restliche Drittel lässt diese nur oder zusätzlich von Ärzten anderer Fachrichtung durchführen. Die körperliche Untersuchung wird in weniger als 10% der operativ tätigen HNO-Ärzte vom HNO-Arzt selbst durchgeführt. Bei Auffälligkeiten in der Blutungsanamnese bzw. der körperlichen Untersuchung führen in Bayern 24% der operativ tätigen, die Empfehlung umsetzenden HNO-Ärzte nur die bisher übliche Gerinnungsdiagnostik durch. Die restlichen HNO-Ärzte führen eine erweiterte Gerinnungsdiagnostik durch und/oder überweisen das Kind zwecks Abklärung zu einem Arzt anderer Fachrichtung. Die sechs operativ tätigen, die Empfehlung umsetzenden HNO-Ärzte im Saarland gaben an, bei Auffälligkeiten stets eine erweiterte Gerinnungsdiagnostik und/oder Überweisung durchzuführen. Etwa 90% der Nichtumsetzenden in Bayern gaben an, bei jedem Kind die bisher übliche Gerinnungsdiagnostik mittels Bestimmung der PTT und des INR durchzuführen. Nur knapp 5% der Empfehlungsumsetzenden in Bayern respektive 17% (1 HNO-Arzt) im Saarland gaben an, dass deren Erfahrung zufolge Kinder mit relevanten Gerinnungsstörungen übersehen würden. Etwa 8% der die Empfehlung nicht Umsetzenden in Bayern gaben an, dass deren Erfahrung zufolge Kinder mit relevanten Gerinnungsstörungen übersehen würden. Die Rate an Nachblutungen konnte in der vorliegenden Arbeit in Bayern auf 1,8% nach Tonsillektomie, 0,30% nach Adenotomie und 0,034% nach Tonsillotomie berechnet werden.