Übersicht über Maßregelvollzugseinrichtungen für Jugendliche in Deutschland - Auswertung der Basisdokumentationen 2004-2005 Jugendforensischer Einrichtungen und konzeptuelle Überlegungen

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-35713
http://hdl.handle.net/10900/45301
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2008
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Sonstige
Gutachter: Günter, Michael (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2008-07-30
DDC-Klassifikation: 610 - Medizin, Gesundheit
Schlagworte: Maßregelvollzug , Jugendpsychiatrie , Gerichtliche Wissenschaften , Jugendlicher Täter , Heranwachsender , Jugendstrafrecht
Freie Schlagwörter: Jugendmaßregelvollzug , Jugendforensik
Adolescent psychiatry , Forensic care , German youth law , Juvenile mentally ill offenders
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Die vorliegende Arbeit stellt eine Übersicht über die Maßregelvollzugseinrichtungen in Deutschland für Jugendliche, z.T. auch Heranwachsenden dar und gibt einen Einblick in die Struktur der Einrichtungen sowie über die darin untergebrachten Jugendlichen und Heranwachsenden. Ein vollständiger Überblick über die Situation Jugendlicher und Heranwachsender im Maßregelvollzug kann nicht gegeben werden. Hierzu trägt auch die unklare Rechtslage, ob nun nach Jugendstrafrecht Verurteilte vergleichbar Straftätern ohne psychische Störung in eigens dafür vorgesehenen Einrichtungen unterzubringen sind, bei. Lediglich 77 der knapp 300 untergebrachten Jugendlichen und Heranwachsenden werden bundesweit in den hier genannten Einrichtungen versorgt und nur über diese liegen Daten vor. Als Untersuchungsinstrument diente eine Basisdokumentation, die personenbezogene Daten wie Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Wohnsituation vor Aufnahme erfasste als auch Dauer der Unterbringung, Alter bei Entlassung, Anlassstraftaten, Diagnosen sowie den Stand der Lockerungen zum Stichtag sowie schulische und berufliche Daten. Es kann gezeigt werden, dass ein Großteil der Patienten wieder entlassen werden konnte, der Löwenanteil fiel auf die gemäß § 126a StPO Untergebrachten, von den 77 Patienten wurden 7 (11 %) aus dem Rechtsstatus des § 63 StGB entlassen bzw. in den Erwachsenenvollzug verlegt. Offen bleibt hierbei die Frage, was mit denjenigen Jugendlichen und Heranwachsenden passiert, die in den Maßregelvollzug für Erwachsene verlegt werden. Zu diesem Thema bedarf es weiterführender Forschungsanstrengungen. Eine Zunahme der Untergebrachten gemäß §§ 63, 64 StGB konnte 2005, bezogen auf das Vorjahr, nicht festgestellt werden. Die meisten Unterbringungen erfolgten aufgrund der Rechtsgrundlage 126a StPO und § 63 StGB, der Anteil an Unterbringungen gemäß § 64 StGB spielte nur eine geringe Rolle (126a StPO 22%, § 64 StGB 9%). Problematisch bei den Angaben ist die geringe Fallzahl, die z.T. zu erheblichen Schwankungen der Daten führt. Ein hoher Anteil der Anlassstraftaten stellten Sexualdelikte dar (28%). Bei den Diagnosen dominierten Störungen der Gruppe der Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F9) sowie der Kategorie Persönlichkeits- und Verhaltensstörung (F6). Die Mehrheit der beteiligten Einrichtungen ist an eine Kinder- und Jugendpsychiatrie angeschlossen. Nachteile der Behandlungsdiskontinuität werden hier aufgewogen durch hohe Fachkompetenz, wenngleich kritisch festzustellen ist, dass gegenwärtig immer noch mehr Patienten in den Erwachsenenbereich verlegt, als tatsächlich aus dem Maßregelvollzug entlassen werden. Als Mindestanforderungen an die Einrichtungen muss gelten: Ø eine Trennung Jugendlicher von Erwachsenen. Ø eine Personalbemessung entsprechend der Psychiatriepersonalverordnung für Kinder- und Jugendpsychiatrie (abhängig von der Größe der Einrichtung oder Abteilung ist zusätzliches Personal für Sicherungsaufgaben –aber kein Sicherungspersonal- erforderlich). Zusätzlich zu den Anforderungen Psych-PV besteht Bedarf an zusätzlichen Ergotherapiestellen und zur Berufsausbildung befähigter Mitarbeiter. Ø Schaffung eines altersgemäßen therapeutischen und pädagogischen Milieus. Ø Schulbesuch und Ausbildung muss möglich sein. Ø klares Behandlungskonzept (insbesondere auch bezüglich der Nachsorge) Ø Das Setting soll das Einüben und Stabilisieren von Fähigkeiten zur Selbstversorgung ermöglichen. Ø Die Struktur muss so gemeindenah sein, dass Erfahrungen mit Lebenswelten „draußen“ und der sich verändernden Jugendkultur möglich sind. Ø Gestaffelte Freiheitsbedingungen sollen es ermöglichen, Erfahrungen mit Lehre, Schule, Freizeit, dating etc. über einen längeren Zeitraum zu machen. Ø Einbezug von relevanten Bezugspersonen wie der Familie als originärem Teil des Settings. Ø Besonderer Öffentlichkeitsschutz, der sich aus den Anforderungen des JGG ergibt. Ø Die Architektur der Einrichtung muss die Anforderungen, die sich aus den obengenanten Forderungen ergeben, sinnhaft unterstützen. Ø Nachsorge: Ausreichend psychotherapeutisches Personal (Ärzte und Psychologen) mit forensischen Fachkenntnissen und jugendpsychiatrischen Fachkenntnissen. Im Rahmen der Arbeit wurden vier verschiedene Modelle der Versorgung erörtert. Die Versorgung forensisch untergebrachter Jugendlicher und Heranwachsender sollte entsprechend des Bedarfs im Rahmen einer Einrichtung erfolgen, die Jugendliche getrennt von Erwachsenen unterbringt, dabei die hier aufgelisteten Bedingungen erfüllt und den therapeutische Mindestanforderungen gerecht wird. Als fünftes Modell ist es vorstellbar, in Anlehnung an die Durchführungsbestimmungen des Jugendstrafvollzuges (§ 92 JGG), den Maßregelvollzug bei Jugendlichen und Heranwachsenden in eigens dafür vorgesehenen, eigenständigen und unabhängigen Einrichtungen zu vollziehen.

Abstract:

This survey is a synopsis of the structure of psychiatric forensic facilities for adolescents in Germany. The patients inside these facilities have been studied. A general overview is not possible, partly due to the unclear situation in German juvenile law. Juvenile offenders have to be placed in separated institutions such as juvenile prisons, where they are segregated from adults. In case of psychiatric illness combined with major offences the situation is unclear. Only 77 of about 300 of these adolescent forensic psychiatric patients have been placed in special adolescent forensic psychiatric departments. Therefore only these 77 patients have been surveyed. The questionnaire used as an instrument in this study comprises age, sex, nationality, housing situation before admission, duration of stay, age at discharge, offences which led to admission, diagnosis, degree of relaxation of controls on reference date and educational data. One result showed that 1/3 of the patients could be discharged within the period. Most of them under the terms of § 126 a StPO. 7 under the terms of § 63 StGB had been either discharged or transmitted to forensic psychiatric hospitals for adults. The question remains what happens to the transmitted patients afterwards. There is a need for further investigation. In 2005 figures (§ 63, 64 StGB) did not increase in relation to the previous year. Most of the placements were due to 126a StPO and § 63 StGB. § 64 StGB played an inferior role (126a StPO 22%, § 64 StGB 9%). One big problem of the survey is the low number of cases which led partly to substantial fluctuation of the data. Sex offences made up one big part of the offences which led to admission (28%). Diagnosis has been dominated by behavioural and emotional disorders with onset usually occurring in childhood and adolescence (F9) and disorders of adult personality and behaviour (F6). Most of the units are related to child- and adolescent psychiatry. Disadvantages of discontinuity in treatment are balanced out by high levels of competence in treating this particular age group. The number of transmissions, which is still higher than the number of discharges, has to be watched carefully. Minimal standards have to include the following: Ø Separation of adults and adolescents Ø Staff ratio according to the German legal requirement (Psychiatriepersonalverordnung, Psych-PV) for child and adolescent psychiatry. In addition, occupational therapists and instructors for occupation will be necessary. Ø The setting should be appropriate for the age group, both pedagogically and therapeutically. Ø Requirement for schooling and training. Ø Treatment concepts should be transparent (particularly on aftercare) Ø The setting should enable training and stabilising of self-sufficiency skills. Ø Structures should closely reflect the community outside. Experiences with changing youth culture should be possible. Ø Graded conditions of personal freedom should allow dating, schooling and recreation experiences over a longer period of time. Ø Integration of family members and other significant persons. Ø Architecture should support the special requirements of these facilities. Ø After-care: a sufficient number of psychotherapists with forensic training and special knowledge in adolescent psychiatry. The survey discusses four different models of forensic psychiatric care for adolescents. Provisions has to be made according to the needs of this specific group of adolescents. An independent and autonomous institution is conceivable as a fifth model.

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