Die distale Radiusfraktur stellt die häufigste knöcherne Verletzung im Kindesalter dar. Etwa 38 % der kindlichen Frakturen betreffen den Unterarm und 67 % hiervon sind im distalen Drittel lokalisiert [1]. Grundsätzlich können diese Frakturen im Bereich der distalen Radiusmetaphyse zuverlässig konservativ behandelt werden. In einigen Fällen stößt jedoch die Spontankorrekturfähigkeit an ihre Grenzen, insbesondere dann, wenn es unbemerkt zu sekundären Dislokationen unter einer konservativen Therapie kommt. In solchen Fällen stellt sich dann die Frage nach der Notwendigkeit einer operativen Korrektur. Wann diese indiziert ist und welche operativen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wird in diesem Beitrag näher erläutert.

In Anbetracht der sehr guten Spontankorrekturfähigkeit im Bereich der distalen Radiusmetaphyse können bei Kinder bis zum 10. Lebensjahr Achsabweichungen in der Sagittal- und Koronarebene bis 40° der Spontankorrektur überlassen werden ([2]; Abb. 1). Jenseits des 10. Lebensjahres nimmt die Korrekturfähigkeit dann deutlich ab. Bei Kindern ab dem 12. Lebensjahr sollte eine achsgerechte Stellung angestrebt werden [3]. Die große Mehrheit dieser Frakturen kann daher unter Kenntnis der Korrekturgrenzen erfolgreich konservativ behandelt werden.

Abb. 1
figure 1

Spontankorrektur einer sekundär dislozierten distalen Unterarmfraktur eines 5‑jährigen Kindes. a, d Unfallbild. b, e Kontrolle bei Castabnahme nach 3 Wochen und c, f nach 12 Monaten

Indikationen zur operativen Korrektur

Die Ursachen einer fehlverheilten distalen Unterarm- bzw. Radiusfraktur sind vielfältig. In erster Linie handelt es sich um sekundär dislozierte, konservativ behandelte Frakturen. In Einzelfällen betrifft dies jedoch auch primär operativ reponierte Frakturen, deren Osteosynthese keine ausreichende Stabilität gewährleistete und somit zu einer sekundären Dislokation führte. Eine weitere Gruppe stellen Fehlstellung als Folge einer posttraumatischen Wachstumsstörung dar. Hier sind insbesondere fugentangierende Verletzungen zu beachten, die eine hemmende Wachstumsstörung provozieren können. Glücklicherweise treten hemmende Wachstumsstörungen nur bei 5% aller Wachstumsfugenverletzungen an der distalen Radiusepiphysenfuge auf, sodass dieses Patientenkollektiv verhältnismäßig klein ist [4].

Die Indikationsstellung zur operativen Korrektur erfolgt anhand der folgenden Kriterien. Das wichtigste Kriterium stellt die Funktionseinschränkung dar. Eine Achsabweichung im Bereich des distalen Unterarms führt je nach Ausprägung zu einer mehr oder minder starken Einschränkung der Umwendfähigkeit des Unterarmes [5]. Vor allem betroffen ist hiervon die Pronation [6]. Eine in Fehlstellung verheilte Fraktur, die zu einer klinisch relevanten Bewegungs- und Funktionseinschränkung führt, sollte dann operativ korrigiert werden, wenn keine ausreichende Spontankorrektur mehr zu erwarten ist. Liegt eine Funktionseinschränkung bei zu erwartender Spontankorrektur vor, so ist grundsätzlich die Spontankorrektur abzuwarten. In Einzelfällen kann jedoch auch in diesen Fällen eine Korrektur erwogen werden, um eine schnellere Funktionsfähigkeit des betroffenen Armes zu erlangen [7]. Als weiteres Kriterium ist die kosmetische Beeinträchtigung zu berücksichtigen (Abb. 5). Je nach Ausprägung kann dies mitunter zu einem erheblichen Leidensdruck der jungen Patienten führen. Nicht selten ist dies auch der Grund, überhaupt einen Arzt zu konsultieren.

Operative Möglichkeiten

Bei einer reinen Achsfehlstellung sind die Korrekturosteotomie und palmare Plattenosteosynthese zu empfehlen. Zunächst wird die Osteotomiestelle mit dem Bildwandler festgelegt und mit K‑Drähten markiert. Die Osteotomie kann entweder mit dem Meißel oder der oszillierenden Säge erfolgen. Anschließend wird eine geeignete Platte entsprechend der gewünschten Korrektur vorgebogen und fixiert. Wichtig hierbei ist, die Epiphysenfuge am distalen Radius zu schonen und dennoch eine suffiziente Verankerung der Platte im distalen Fragment zu erreichen. Geeignet hierfür sind kleine L‑ oder T‑Platten (Fallbeispiel 1, Abb. 2). Die üblichen winkelstabilen distalen Radiusplatten kommen v. a. bei größeren Kindern zum Einsatz (Fallbeispiel 2, Abb. 3). Ist die Osteotomiestelle weiter proximal am Übergang zur Diaphyse gelegen, kommen altersabhängig auch 5‑ bis 7‑Loch-LCDC(„limited contact dynamic compression“)‑ oder Rekonstruktionsplatten zum Einsatz. Liegt eine Achsfehlstellung zusammen mit einem Längenverlust vor, sollte die Korrekturosteotomie zur Achskorrektur mit der Interposition eines kortikospongiösen Spanes aus dem Beckenkamm kombiniert werden. Auch hier erfolgt die Osteosynthese durch eine palmare Platte.

Abb. 2
figure 2

Fallbeispiel 1: 12-jähriges Kind, konservative Therapie. a Sekundäre Dislokation in der Kontrolle nach 4 Wochen. b Korrekturosteotomie und palmare Plattenosteosynthese. c Ergebnis nach 6 Monaten vor Metallentfernung

Abb. 3
figure 3

Fallbeispiel 2: 13-jähriges Kind, konservative Therapie mit sekundärer Dislokation (a, d). Korrekturosteotomie nach 5 Wochen (b, e). Ergebnis nach 9 Monaten vor Metallentfernung (d, f)

Differenziert zu betrachten sind die Fehlstellungen, die als Folge einer hemmenden Wachstumsstörung aufgetreten sind. Hier sollte neben der mehrdimensionalen Korrekturosteotomie eine Kallusdistraktion zum Ausgleich des Längenverlustes erfolgen. Der gewählte Fixateur sollte die Möglichkeit zulassen, die beiden distalen Pins parallel zur Wachstumsfuge zu setzen, um hier ausreichende Stabilität zu erzielen. Nach etwa 1 Woche Ruhezeit kann mit der Distraktion begonnen werden. Hierbei empfiehlt es sich, 1 mm am Tag zu distrahieren, aufgeteilt auf 4‑mal 1/4 mm. Gegebenenfalls kann eine geringe Überkorrektur erfolgen, sofern für das Restwachstum mit einem erneuten Längenverlust zu rechnen ist. Die Entfernung des Fixateurs erfolgt nach Konsolidierung. In der Praxis ist mindestens die 2‑fache Distraktionszeit hierfür zu veranschlagen (Fallbeispiel 3, Abb. 45 und 6).

Abb. 4
figure 4

Fallbeispiel 3. 7‑jähriges Kind mit einer Salter-II-Verletzung des distalen Radius und operativer Versorgung (a, b). Fehlstellung des distalen Radius im Alter von 12 Jahren als Folge einer hemmenden Wachstumsstörung (c, d)

Abb. 5
figure 5

Fallbeispiel 3. a Klinisches Bild der Fehlstellung am distalen Radius und b nach Korrekturosteotomie und Fixateuranlage zur Kallusdistraktion (Pennig Fixateur, Fa. Orthofix®, Lewisville, Texas, USA)

Abb. 6
figure 6

Fallbeispiel 3. a Fehlstellung des distalen Radius in Folge einer hemmenden Wachstumsstörung. b Mehrdimensionale Korrekturosteotomie und Fixateuranlage zur Kallusdistraktion. Verlaufskontrolle nach 14 Tagen (c), nach 21 Tagen (d) und nach 6 Monaten (e)

Fazit für die Praxis

  • Die Indikation zur Korrektur der in Fehlstellung verheilten distalen Unterarmfraktur im Kindesalter wird in erster Linie nach der Funktionseinschränkung unter Berücksichtigung der noch zu erwartenden Spontankorrektur gestellt.

  • Eine fehlverheilte distale Unterarmfraktur kann mitunter zu einer erheblichen kosmetischen Beeinträchtigung führen.

  • Das Therapieziel ist die dauerhafte Wiederherstellung der freien Funktion der betroffenen Extremität.

  • Die Korrektur erfolgt in der Regel durch eine Osteotomie und palmare Plattenosteosynthese. Gegebenenfalls muss zusätzlich die Interposition eines Beckenkammspans erwogen werden.

  • Liegt die Ursache der Fehlstellung in einer hemmenden Wachstumsstörung, so ist neben der Korrekturosteotomie der Längenausgleich durch eine Kallusdistraktion günstiger.