Die Notaufnahmen (NA) in Deutschland werden von einer steigenden Anzahl an Patienten in Anspruch genommen, während die Fallzahlen im ärztlichen Bereitschaftsdienst tendenziell sinken [17]. Die einzelnen Bereiche der Notfallversorgung sind schlecht aufeinander abgestimmt und Zuständigkeiten nicht klar definiert, was zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung führt. Steuerungsmechanismen, einheitliche Definitionen und Standards fehlen [2]. Es bedarf einer Reform der Notfallversorgung (Abb. 1).

Abb. 1
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Status quo der Notfallversorgung. (Nach [36])

Das Konzept der integrierten Notfallzentren (INZ) beschreibt das Zusammenführen der ambulanten und stationären Notfallversorgung, vor die der sogenannte „Tresen“ geschaltet wird. An dem Tresen soll die Behandlungsdringlichkeit ermittelt und entschieden werden, in welcher Versorgungsstufe ein Patient behandelt wird [28]. Im Folgenden werden aufbauend auf einer Literaturrecherche (Teil 1) zum Thema INZ die Ergebnisse einer Umfrage unter pflegerischen und ärztlichen Notaufnahmeleitungen zu INZ (Teil 2) präsentiert.

Teil 1: Hintergründe zu integrierten Notfallzentren

In den Datenbanken OPACplus, SpringerLink und Google Scholar wurde von 08/2019 bis 10/2019 systematisch nach Literatur im Zeitraum von 2015 bis 2019 zum Thema INZ recherchiert. Die Literatursuchmaschine OPACplus ist ein Discovery Service, welcher eine parallele Recherche innerhalb des gedruckten und digitalen Bestands einer örtlichen Bibliothek sowie in zahlreichen Fachdatenbanken (u. a. Medline, CINAHL, Cochrane Library) und freien wissenschaftlichen Internetquellen ermöglicht. Bei der Recherche wurden die Suchbegriffe „Integrierte Notfallzentren“, „Notfallversorgungsstrukturen“, „Entwicklung der Notaufnahmen“ und „Notaufnahme“ verwendet. Zudem wurden Stellungnahmen zum Thema INZ auf den Seiten verschiedener Fachgesellschaften (BLÄK, DGINA, DIVI, DGIIN, DGN, DKG, KBV, MB, GKV-Spitzenverband, vdek) mit einbezogen. Die gesammelte Literatur wird im Folgenden, gegliedert nach möglichen Gründen, Zielen, Voraussetzungen, Gefahren und Kritik zur Etablierung von INZ, im Überblick dargestellt.

Warum braucht es ein INZ?

Als mögliche Gründe für die Etablierung von INZ konnten eine Unkenntnis der Patienten über die Strukturen der Notfallversorgung sowie eine Bequemlichkeit und Erwartungshaltung der Patienten identifiziert werden [26]. So wird von den NA aus Patientensicht eine zügige Versorgung aller Beschwerden unabhängig vom Schweregrad rund um die Uhr erwartet.

Aktuell sind an der Notfallversorgung sowohl der ärztliche Bereitschaftsdienst als auch der Rettungsdienst und die NA der Krankenhäuser beteiligt. Hierbei zeigen sich Überschneidungen bzgl. des Vorhaltens der zur Behandlung notwendigen Ressourcen. Patienten können im Fall einer benötigten Notfallversorgung diese Doppelstrukturen oft nicht voneinander trennen [26].

Weitere Daten belegen, dass Patienten nicht in der Lage sind, deren Situation richtig einzuschätzen, um zu entscheiden, welcher Versorgungsbereich für sie zuständig ist [5, 29]. Überfüllungen der NA sind die Folge. Dieses sogenannte „overcrowding“ überlastet die NA und kann zu einer erhöhten Mortalität und Morbidität von Patienten führen [27, 35].

Mögliche Ziele durch die Etablierung von INZ reichen von Professionalität über Effektivität und Effizienz bis zur Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit. Die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) sieht die Etablierung von INZ „[…] als einen weiteren Schritt in die Richtung einer hochprofessionellen medizinischen Versorgung in Deutschland“ [25]. Gerade in weniger dicht besiedelten Gegenden könnten sie die Versorgungssicherheit erhöhen [15]. Eine Effizienz- und Qualitätssteigerung wird erwartet, da der Patientenfluss durch INZ gesteuert werden kann [26, 28], um zukünftig die Patienten in den für ihre Situation passenden Versorgungsbereich zu leiten [22].

Durch die Einführung eines INZ wird eine qualitativ bessere und effizientere Versorgung erwartet und sich entsprechend eine bessere Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit erhofft [26]. Außerdem werden die Wartezeiten durch den gemeinsamen Tresen verkürzt [18]. Ziel ist es, eine Notfallversorgung stationär wie auch vertragsärztlich zu jeder Zeit zu gewährleisten [12] sowie den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst und die NA enger miteinander zu verzahnen [24].

Wie kann eine Etablierung gelingen?

Die durchgeführte Literaturrecherche zeigt Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein INZ etabliert werden kann. Eine Zusammenarbeit der Vertragsärzte mit den Ärzten des Krankenhauses ist dabei unabdingbar [25]. Aber nicht nur die Ärzte der beiden Bereiche, sondern auch die integrierte Leitstelle (ILS) und der Rettungsdienst müssen mit den INZ kooperieren [3].

Eine digitale Vernetzung aller Beteiligten muss hergestellt werden, um Schnittstellenprobleme zu vermeiden [26]. Eine einheitliche Dokumentation dient zudem als Basis für eine gemeinsame Qualitätssicherung [27].

Die DGINA veröffentlichte in einer Pressemitteilung, dass sie die Etablierung der INZ unterstützt. Bei der Etablierung müssen entsprechende Voraussetzungen wie eine validierte Ersteinschätzung erfüllt sein [25]. Egal, ob Patienten ambulant oder stationär versorgt werden, zu Beginn muss eine Triage erfolgen [4]. Diese Ersteinschätzung sollte durch ein validiertes Triagesystem durchgeführt werden [5]. Ein geeignetes Triagesystem könnte das Manchester Triage System (MTS) oder auch der Emergency Severity Index (ESI) darstellen [5, 20, 27]. Ziel der Triage am gemeinsamen Tresen ist es, potenzielle Hochrisikopatienten zu identifizieren [20]. Wer diese Ersteinschätzung durchführen soll beziehungsweise darf, wird unterschiedlich bewertet. Neben erfahrenen Fachärzten [32] können dies auch speziell geschulte Pflegekräfte übernehmen [18].

Die Frage nach der Leitung der INZ ist stark umstritten. Diese kann entweder durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV), den notfallmedizinisch geschulten Arzt des Krankenhauses oder in gemeinsamer Leitung gewährleistet werden. Nach dem Grundsatz ambulant vor stationär könnte die Leitung auch allein der KV übertragen werden [16], wofür sich der GKV-Spitzenverband ausspricht [30]. Die Leitung und Verantwortung durch die KV wird jedoch auch als kritisch erachtet [5]. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärt sich bereit, die niedergelassenen Ärzte als Vertragspartner miteinzubeziehen, wenn sie die notwendigen Qualifikationen vorweisen [9]. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Marburger Bund (MB) plädieren für einen gemeinsamen Tresen des KV- und Krankenhausarztes [23]. Diverse Fachgesellschaften plädieren hingegen für die Leitung durch einen Arzt des Krankenhauses [11, 14, 25].

Laut Weber [34] sollen die INZ-Standorte durch die Länder festgelegt werden, um eine Balance zwischen Zentralisierung und flächendeckender Versorgung herzustellen.

Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) weist darauf hin, dass das INZ als pflegesensitiver Bereich angesehen und das Personal angemessen eingesetzt werden soll [19].

Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass die Weichen hin zu einer integrativen und sektorenübergreifenden Versorgung mit der Etablierung von INZ gestellt werden, dennoch fehlen einheitliche Vorgaben [26], welche gesetzlich verankert werden könnten. Der Sachverständigenrat (SVR) empfiehlt zudem, die durch INZ neu entstehenden Strukturen für die Patienten transparent zu gestalten [28].

Was spricht gegen die Einführung von INZ?

Mögliche Gefahren, die die Etablierung von INZ mit sich ziehen könnte, sind, dass ein dritter Versorgungssektor eröffnet wird und daraus neue Schnittstellenprobleme entstehen [21]. Außerdem könnte der gemeinsame Tresen zum „Nadelöhr“ werden [6] und Selbsteinweiser unterstützen [20]. Patienten nur auf der Grundlage einer Dringlichkeitseinstufung an einen anderen Versorgungsort zu verweisen, gefährdet die Patientensicherheit [5, 27]. Eine Gefahr könnte außerdem sein, dass Patienten eine schnellere und umfassendere Versorgung erwarten [28]. Zudem soll der Aufbau von INZ nicht den Abbau von NA unterstützen [33].

Als mögliche Kritikpunkte zeigt die Literaturrecherche, dass INZ nicht als Lösung für das vorherrschende Problem angesehen werden können, da Krankenhäusern und deren Infrastruktur eine Bereitschafts- und Notfallversorgung gewährleisten können [24]. Zudem wird der Stellenwert von NA zur Rekrutierung von stationären Patienten und als Ausbildungsstätte von Assistenzärzten betont. Durch die Einführung von INZ könnten Patientenfälle verloren gehen [24]. Kritisch wird auch gesehen, dass die KV ggf. über die stationäre Aufnahme von Patienten entscheiden soll [10, 14, 29] und dass es bei zeitkritischen Patienten innerhalb des INZ zu Behandlungsverzögerungen kommen könnte [10, 13].

Teil 2: Umfrage unter pflegerischen und ärztlichen Notaufnahmeleitungen

Auf Grundlage des beschriebenen Forschungsstands zu INZ wurde eine bayernweite Online-Umfrage erstellt, um die folgenden Forschungsfragen zu beantworten:

  • Können integrierte Notfallzentren als Lösung der Patientensteuerung genutzt werden?

  • Welche personellen und strukturellen Rahmenbedingungen beziehungsweise Voraussetzungen müssen für die Etablierung von integrierten Notfallzentren vorliegen?

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Der Ablauf der durchgeführten empirischen Primärdatenerhebung wird in Abb. 2 dargestellt. Grundlage der Datenerhebung war der hier aufgeführte Forschungsstand zum Thema INZ. Durch die Literaturrecherche wurden Vorannahmen (siehe Tab. 2) erstellt und Thesen formuliert. Diesen Thesen konnte im Rahmen einer Online-Umfrage zugestimmt oder ablehnt werden. Bei Vorannahmen, bei denen verschiedene Thesen miteinander verglichen wurden (siehe beispielsweise Tab. 2, These 10), wurde vorher definiert, dass es einen augenscheinlichen Unterschied (mindestens 10 %) benötigt, damit der literaturgestützten Vorannahme zugestimmt werden kann. Der Fragebogen kann als Zusatzmaterial online eingesehen werden. Die Umfrage wurde nach einem positiven Ethikvotum über das professionelle Umfrageportal Survalyzer durchgeführt. Die Ergebnisse der Online-Umfrage wurden mit der statistischen Verfahrens- und Analysesoftware IBM® SPSS® Statistics 26, Armonk, NY, USA ausgewertet. Die Umfrage richtete sich an alle bayrischen Notaufnahmeleitungen und fand im Zeitraum vom 07.11.2019 bis 05.12.2019 statt.

Abb. 2
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Ablaufschema zur empirischen Primärdatenerhebung

Ergebnisse

Teilnehmer an der Befragung

An der quantitativen Umfrage haben sich insgesamt 107 ärztliche und pflegerische Notaufnahmeleitungen beteiligt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 32 % von 331 potenziellen Teilnehmern, die eine Umfrageeinladung erhalten haben. Die Rücklaufquote in Bezug auf die Berufsgruppen beträgt 35 % bei den ärztlichen Leitungen (von insgesamt 164) und 30 % bei den pflegerischen Leitungen (von insgesamt 167). Tab. 1 gibt nähere Informationen zu den Teilnehmenden bzw. deren NA.

Tab. 1 Auswertung zu den beteiligten Notaufnahmen (N = 107)

Deskriptive Datenauswertung

Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse präsentiert. Weitreichende Auswertungen können auf Rückfrage zur Verfügung gestellt werden.

Mögliche Gründe

Der Aussage, dass „overcrowding“ zu erhöhter Mortalität und Morbidität von Patienten führen kann, stimmten 88 % der Teilnehmer zu. 87 % bestätigten, dass Patienten eine NA aufsuchen, weil sie die Strukturen der Notfallversorgung nicht kennen.

Ziele

Mehr als zwei Drittel der Teilnehmer bestätigen die Aussagen, dass INZ zu einer hochprofessionellen medizinischen Versorgung (71 %), zu einer effizienteren Versorgung (72 %) und zu einer qualitativ besseren Versorgung führen und zur Versorgungssicherheit des Patienten beitragen (72 %).

Voraussetzungen

Alle Teilnehmer erachten die Zusammenarbeit aller Beteiligten (KV-Bereitschaftsdienst, Rettungsdienst, NA) als essenziell (100 %). Mit einer 99 %igen Zustimmung werden eine validierte Ersteinschätzung, angemessene Personalbemessungsmodelle und eine transparente Gestaltung der Notfallstrukturen inklusive INZ für Patienten als notwendig erachtet.

Gefahren

51 % der Teilnehmer vermuten durch die Etablierung von INZ die Einführung eines dritten Versorgungssektors. Auch die Gefahr, dass INZ zu neuen Schnittstellenproblemen führen, wird von 59 % der Teilnehmer gesehen.

77 % der Teilnehmer stimmten einer möglichen Gefährdung der Patientensicherheit nicht zu. Die Mehrheit (89 %; n = 63 „stimme zu“, n = 32 „stimme voll zu“) stimmte der Aussage zu, dass Patienten vermehrt das INZ aufsuchen könnten, da sie dort eine schnelle und umfassende Versorgung erwarten.

Kritik

Die recherchierten kritischen Aspekte zu INZ wurden weitestgehend nicht bestätigt. So bestätigen 78 % der Teilnehmer nicht die Aussage, dass INZ keine Lösung der Patientensteuerung darstellen (n = 18 „stimme gar nicht zu“, n = 65 „stimme nicht zu“). Und auch der Großteil der Teilnehmer (75 %) sieht INZ nicht nur als Lösung für große Kliniken (n = 17 „stimme gar nicht zu“, n = 63 „stimme nicht zu“), sondern als relevant für alle Versorgungsstufen.

Überprüfung der literaturgestützten Vorannahmen

Die aus dem Forschungsstand abgeleiteten Gründe, Ziele, Voraussetzungen, Gefahren und Kritik zur Etablierung von INZ wurden größtenteils durch die befragten Notaufnahmeleitungen bestätigt. Lediglich zwei Vorannahmen konnten nicht bestätigt werden (Tab. 2).

Tab. 2 Überprüfung der literaturgestützten Vorannahmen unter den Befragten

Die Ergebnisse der Online-Umfrage zeigen, dass die Mehrheit der Befragten die Etablierung von INZ für sinnvoll erachtet, jedoch müssen notwendige Voraussetzungen hierfür erfüllt sein. 22 % der Befragten sehen INZ nicht als Lösung der Patientensteuerung.

Die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Etablierung von INZ betreffen vor allem personelle und strukturelle Elemente. Darüber hinaus werden u. a. die Zusammenarbeit, Verfügbarkeit und Finanzierung angegeben (Tab. 3).

Tab. 3 Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Etablierung von INZ

Weitere Ergebnisse

Des Weiteren konnte herausgefunden werden, dass die Ersteinschätzung aus Sicht von 93 % der ärztlichen Leitungen und 92 % der pflegerischen Leitungen durch einen erfahrenen Notfallpflegenden durchgeführt werden kann.

Das Vorhandensein einer KV-Praxis hat keinen Einfluss auf die Auswahl der Leitung des INZ. Die Mehrheit (66 %) sieht einen Notfallmediziner als geeignete Leitung eines INZ an. 95 % der Notaufnahmeleitungen, bei denen bereits ein INZ im Haus etabliert worden ist, schätzten die Etablierung von INZ als sinnvoll ein. Im Vergleich dazu erachten 79 % der Befragten ohne INZ die Etablierung ebenso für sinnvoll.

Korrelationen

Die Berechnung von Korrelationen nach Spearman ergab zwischen einzelnen Aussagen einen signifikanten Zusammenhang, wobei folgende Aussagen eine Auswahl der stärksten Korrelationen zeigen:

  • (+) Werden INZ als Weg hin zu einer hochprofessionellen notfallmedizinischen Versorgung angesehen, wird damit auch eine qualitativ bessere Versorgung und Verbesserung der Versorgungssicherheit assoziiert (rs = 0,775; p < 0,01).

  • (+) Teilnehmer, die denken, dass INZ zu einer bedarfsgerechten Versorgung führen, denken auch, dass INZ zu einem effizienteren Einsatz von Ressourcen führen (rs = 0,738; p < 0,01).

  • (+) Wird von Teilnehmern vermutet, dass die Auswahl des Versorgungsorts auf Grundlage einer vorgelagerten Dringlichkeitseinstufung die Patientensicherheit gefährdet, so wird auch befürchtet, dass INZ zu einer Zeitverzögerung bei kritischen Patienten führen können (rs = 0,537; p < 0,01).

  • (−) Dahingegen zeigt sich ein Zusammenhang, dass Teilnehmer, die durch die Etablierung von INZ eine qualitativ bessere Versorgung und erhöhte Versorgungssicherheit vermuten, die Aussage, dass INZ bei kritischen Patienten zu einer Zeitverzögerung führen, nicht bestätigen (rs = −0,476; p < 0,01).

Diskussion

Können integrierte Notfallzentren als Lösung der Patientensteuerung genutzt werden?

Zu dieser Frage fehlt ein klarer Konsens unter den Befragten. Auch der aktuelle Forschungsstand zeigt hierzu keine einheitliche Aussage. So ist es Ziel, dass der gemeinsame Tresen in den INZ eine bedarfsgerechte Versorgung fördert [26], da durch INZ eine Weiterleitung in ambulante oder stationäre Notfallversorgungsstrukturen möglich wird [28]. Die DKG und der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) halten die Etablierung von INZ nicht für die geeignte Lösung des vorherrschenden Problems. Laut GKV-SV soll eine zentrale Anlaufstelle mit einem gemeinsamen Tresen ohne INZ etabliert werden [30]. Des Weiteren wird aber auch vor allem durch das Bundeministerium für Gesundheit und den SVR deutlich, dass nicht allein das INZ eine Lösung für die vorherrschende Situation ist. So stellen die Einrichtung von ILS und die Organisation des Rettungsdiensts als eigenständigen Leistungsbereich wichtige Meilensteine für die Zielerreichung einer sektorenübergreifende Notfallversorgung dar [7, 28].

Wie die Ergebnisse der Online-Umfrage gezeigt haben, erachtet die Mehrheit der Teilnehmer die Etablierung von INZ als sinnvoll und stimmen der Aussage, dass INZ keine Lösung der Patientensteuerung darstellen, mehrheitlich nicht zu. Dennoch wird auch deutlich, dass verschiedenste Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Patientensteuerung möglich wird.

INZ können folglich aktuell nicht als Lösung der Patientensteuerung genutzt werden, sondern als erster Lösungsansatz. Wenn die beschriebenen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen erfüllt sind, können diese auch als Lösung der Patientensteuerung angesehen werden.

Welche personellen und strukturellen Rahmenbedingungen beziehungsweise Voraussetzungen müssen für die Etablierung von integrierten Notfallzentren vorliegen?

Diese Frage kann durch die Ergebnisse der Literaturrecherche und Online-Umfrage detailliert beantwortet werden. Der Großteil der recherchierten Voraussetzungen wurde auch von den Befragten bestätigt. Unterschiede zeigen sich bei einer Empfehlung zur Leitung eines INZ. So soll laut SVR der Tresen durch KV-Arzt und Arzt des Krankenhauses geführt werden [28]. Die verschiedenen Fachgesellschaften sind sich hierbei nicht einig. Das Ergebnis der Umfrage zeigt, dass die Leitung durch einen Arzt des Krankenhauses übernommen werden soll.

Außerdem sollen INZ, laut SVR, durch eine gemeinsame Trägerschaft und Betrieb durch die KV und das Krankenhaus geführt werden. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Mehrheit für die Organisation über das Krankenhaus plädiert.

Die Etablierung der INZ soll anhand der Notfallstufen stattfinden. Wobei im Rahmen der Umfrage deutlich wurde, dass sich einige Notaufnahmeleitungen für eine flächendeckende Etablierung aussprechen. Es ist zu vermuten, dass eine gemeinsame Trägerschaft zwar Diskussionsbedarf mit sich bringt, jedoch zu einer besseren Verzahnung von Krankenhaus und KV-Bereich führen kann.

Durch Berechnung von Korrelationen nach Spearman, die alle Thesen auf ordinärem Skalenniveau miteinander in Beziehung gesetzt hat, konnte herausgefunden werden, dass Teilnehmer, die positiven Aussagen zustimmten, auch eher anderen positiven Aussagen zustimmten. Der Begriff „positiv“ wird in dem Zusammenhang als befürwortende Einstellung für die Etablierung von INZ gesehen. Außerdem konnte gezeigt werden, dass Teilnehmer, die positiven Aussagen zustimmten, eher negativen Aussagen nicht zugestimmt haben. Anzumerken ist, dass die oben aufgeführten beispielhaften Korrelationen in zwei Fällen einen moderaten Zusammenhang (rs > 0,7) und in zwei Fällen einen mäßigen Zusammenhang (rs > 0,4) erkennen lassen [1]. Diese Ergebnisse waren zu erwarten und sind ein Indiz für die Validität der Antworten.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse der Umfrage spiegeln die Haltung von Klinikern wider und zeigen, dass sich Notaufnahmeleitungen einig sind, dass es INZ braucht. Jedoch sind für die Neugestaltung weitreichende Klärungen zu den Voraussetzungen notwendig.

Neben veröffentlichten Stellungnahmen verschiedener Experten und Fachgesellschaften sowie politischen Empfehlungen legt diese Umfrage den Schwerpunkt auf die Haltung und Einschätzung von Klinikern, von Notfallmedizinern und Notfallpflegenden. Diese Berufsgruppen sind, wie eingangs beschrieben, maßgeblich an der Notfallversorgung in Deutschland beteiligt und deren Erfahrungen und Einschätzungen sind bei einer Reform der Notfallversorgung essenziell und müssen Berücksichtigung finden.

Seit Anfang 2020 liegt ein Referentenentwurf vor, welcher gewisse Voraussetzungen festlegt. Der vorliegende Referentenentwurf sagt beispielsweise aus, dass INZ gemeinsam von KV und Krankenhaus betrieben werden sollen, während die Leitung der KV obliegt. Zudem wurde festgelegt, dass INZ an bestimmten Krankenhausstandorten etabliert werden sollen und entsprechend als erste Anlaufstelle sichtbar gemacht werden sollen. Zudem soll eine „qualifizierte und standardisierte Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfs“ durchgeführt und bei Bedarf eine stationäre Versorgung veranlasst werden [8].

Diese Festlegungen widersprechen teilweise den Einschätzungen der hier befragten Kliniker, was bei weiteren Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden sollte.

Seit der Vorstellung des Referentenentwurfs stehen weitere Entwicklungen, wahrscheinlich bedingt durch die Herausforderungen der Coronapandemie, aus. Die Ergebnisse dieser Veröffentlichung sollen dazu genutzt werden, das Thema wieder aufzugreifen (Abb. 3).

Abb. 3
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Ansätze zu einer künftigen vernetzten Notfallversorgung. Farbliche Pfeile symbolisieren Patienten in verschiedenen Dringlichkeitsstufen: Rot Stufe 1, orange Stufe 2, gelb Stufe 3, grün Stufe 4, blau Stufe 5. (Nach [36])

Limitationen

Der Rücklauf der Online-Umfrage von über 30 % stellt eine gute Rücklaufquote [31] dar und ermöglicht dadurch, signifikante Analysen durchzuführen. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass die Befragten gezielt angesprochen worden sind und dem Thema zum Zeitpunkt der Befragung eine hohe Relevanz zugesprochen wird.

Zum Zeitpunkt der Literaturrecherche und der Datenerhebung waren die im Referentenentwurf genannten gesetzlichen Voraussetzungen noch nicht definiert.

Fazit für die Praxis

  • Um eine qualitativ hochwertige sektorenübergreifende Notfallversorgung gewährleisten zu können, sollten alle Versorgungsbereiche (Rettungsdienst, INZ, KV-Bereitschaftsdienst, NA) zusammenarbeiten.

  • Eine einheitliche validierte Triage (z. B. MTS/ESI), durchgeführt von erfahrenen Notfallpflegenden, sollte in allen INZ eingeführt werden.

  • Die notwendigen Qualifikationen des vorzuhaltenden Fachpersonals sollten definiert werden, damit eine qualifizierte Notfallversorgung jederzeit gewährleistet werden kann.

  • Die Bürger sollten flächendeckend über die Strukturen der Notfallversorgung in Deutschland informiert werden, damit eine Transparenz dieser hergestellt wird.