Die Anzweiflung der Regierung durch Fake News

Die politische Vorgehensweise der AfD


Hausarbeit, 2021

13 Seiten, Note: 2,0

Angelina Marx (Autor:in)


Leseprobe


1. Einleitung

„Wenn die Message stimmt, ist uns eigentlich egal, woher das Ganze kommt oder wie es erstellt wurde. Dann ist es auch nicht so tragisch, dass es Fake ist.“ – Christian Lüth, Pressesprecher der AfD 1

Dieses Zitat des Pressesprechers der AfD illustriert die Einstellung der Partei zur Wahrheit überaus genau. Da die AfD für die Verbreitung von Fake News im Allgemeinen bekannt ist, beschäftige ich mich im Folgenden mit der Fragestellung: Wie schwächt die AfD das Vertrauen in die Regierung, am Beispiel eines Fake News-Beitrages über die Belegung der Corona-Intensivstationen. Ich beginne mit einer sachlichen Erläuterung und Beschreibung des Fake News-Beitrages der AfD-Fraktion NRW und schätze ihn anschließend als Fake News ein. Anschließend wird anhand von Faktencheckern die Validität des Beitrages eingeschätzt und Realität in den Kontext gesetzt. Im abschließenden Kapitel meines Hauptteils werde ich die Sprache der Fake News explizit analysieren und die Motive und Ziele der AfD, in Zusammenhang mit den psychologischen Wegbereitern für das Verbreiten und Glauben von Fake News herausarbeiten. Zuletzt werde ich die gesammelten Informationen in einem Fazit zusammenfassen.

2. AfD-Beitrag: Beschreibung und Einschätzung als Fake News

Durch den digitalen Medienwandel der letzten Jahrzehnte hat die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) Aufschwung erlangt.2 Laut einer Studie der Stiftung Neue Verantwortung ist die AfD in sieben von zehn Fällen „unter den Top-10 der reichweitenstärksten Verbreiter“3 von Fake News. Die Falschaussagen positionieren sich im Großteil gegen Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund.4 Aus diesem Grund wird im Folgenden ein Online-Beitrag der AfD, mit Daten des Migrantenanteils auf Corona-Intensivstationen, auf seine Validität analysiert und interpretiert.

Auf Facebook, Twitter sowie Telegram wird von der AfD ein Beitrag veröffentlicht, auf dem ein weißer5 Mann von einer Ärztin intubiert wird. Die Überschrift lautet: „´Patienten mit Kommunikationsbarriere´ 90% der Corona-Intensivpatienten mit Migrationshintergrund?“. Im Textfeld werden Mitschnitte eines Gesprächs der Bild-Zeitung mit dem Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Prof. Lothar Wieler, aufgeführt und mit Kommentaren versehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Facebook-Post der AfD-Fraktion NRW vom 05. März 2021, um 07:01 Uhr Link: https://www.facebook.com/afdfraktionNRW/photos/2862469487298762

Der Blickpunkt des Lesers fällt zunächst auf das Bild des weißen alten Mannes, der im Krankenbett mit Intubationsschlauch, Infusion und Blutdruckbandage liegt. Der zweite Blick wandert zur großen Überschrift „Patienten mit Kommunikationsbarriere“, wonach die enorm großgeschriebene „90%“ in Augenschein tritt und im Anschluss „der Corona-Intensivpatienten mit Migrationshintergrund?“ gelesen wird. Aus meiner persönlichen Erfahrung, ist mir das Fragezeichen am Ende des voran genannten Satzes, erst bei zweiter Betrachtung aufgefallen. Somit wird die Frage, die irreführenderweise als Aussagesatz formuliert wurde, höchstwahrscheinlich von den LeserInnen als Tatsache verstanden. Um die Behauptung zu unterstützen werden im Textfeld neben dem Bild, Daten repräsentiert, die laut Bild-Zeitung von RKI-Chef Prof. Wieler geäußert wurden. Hierbei würde ein „sehr große[r] Teil“ der schwer verlaufenden Corona-Erkrankungen, Menschen mit Migrationshintergrund befassen. Es wird angemerkt, Jens Spahn hätte eine Verbindung zwischen „der Verbreitung des Virus und der Zugehörigkeit einer Religion“ im November 2020 stark dementiert. Worauf RKI-Chef Prof. Wieler wörtlich zitiert wird, dass eine Parallelgesellschaft zwischen den deutschen Bürgern und Muslimen existiere und diese Gruppe mit 4,8% in der Einwohnerzahl von Deutschland vertreten ist. Im weiteren Verlauf des Textes wird dann aufgeführt, dass 90% der Patienten auf den Corona-Intensivstationen Menschen mit Migrationshintergrund seien. Die Regierung, diese Daten allerdings nicht publik machen wollte, aus „Angst vor einer Rassismus-Debatte“. Ein hier nicht weiter benannter Arzt, spricht intern über „Patienten mit Kommunikationsbarriere“, was als Titelüberschrift im Bild verwendet wird. Des Weiteren wird ein Zitat von Gabriele Walger-Demolsky angeführt, in dem sie über Hochzeiten und Beerdigungen „mit mehreren hundert Gästen ohne Hygienemaßnahmen“ spricht, wodurch die gesundheitlichen Folgen absehbar wären. Zudem übt Walger-Demolsky starke Kritik an der Integrationspolitik der Regierung und ihrem Versuch die Daten der Corona-Intensiv-Patienten zu verheimlichen, aus „Angst vor einer ‚Rassismus-Debatte´“.

Um den Beitrag der AfD als Fake News einzuschätzen, wird sich nachfolgend auf die Überprüfungsfragen von Romy Jaster bezogen.6

Die Plausibilität des AfD-Beitrages lässt sich mit der Frage einschätzen, welche Gegebenheiten der Realität entsprechen müssten, so dass die Behauptung im Beitrag wahr ist. Das hieße es dürften fast keine weißen deutschen Bürger auf den Corona-Intensivstationen liegen. Dieser Gedanke erscheint ohne weitere Recherche erst einmal unglaubwürdig. Die Hauptquelle des Online-Beitrages besteht aus Zitaten des RKI-Chef Prof. Wieler, der zunächst als vertrauenswürdiger Informant angesehen werden kann. Jedoch wurde das Interview von der Bild-Zeitung veröffentlicht, diese steht im Hinblick auf ihre Authentizität, in der Öffentlichkeit mit einem eher schlechten Ruf dar. Faktenchecker des WDRs und Correctivs haben sich, neben anderen Beiträgen, auch mit dem von der AfD geilten Artikel des RKI-Chefs befasst und eindeutige Recherchen dazu betrieben. Hierbei stellt sich eine ungenaue und aus dem Zusammenhang gerissene Arbeit der Bild-Zeitung heraus, die im folgenden Kapitel detailreich erläutert wird.

Durch die Widerlegung des Bild-Interviews ist der Beitrag der AfD als irreführende Meldung einzustufen, die „ein unwahres Bild der Wirklichkeit“ zeichnet.7 Die AfD als Verbreiter dieser Nachricht ist die Richtigkeit der Meldung gleichgültig, da sie ihre AnhängerInnen und LerserInnen täuschen möchten.8 Die Sprache, Motive und Ziele der Partei werden in Kapitel 2.2 determiniert.

2.1 Faktencheck: Überprüfung des AfD-Beitrages

Unter dem veröffentlichten Fake News-Beitrag ist die Homepage der AfD-Fraktion NRW mit einem weiteren Artikel zu den Daten der Corona-Intensivstationen verlinkt. In diesem werden die Aussagen der Bild-Zeitung ausführlicher wiederholt und die angebliche Datenerfassung erläutert. Hierbei sei eine telefonische Umfrage des Chefs der Lungenklinik Moers unter Chefärzten geführt worden, um die Belegung der deutschen Intensivstationen festzustellen.9 Es wird ein nicht näher benannter Facharzt aus der Moerser Klinik zitiert, der 90% der schwer erkrankten Corona-Patienten mit Migrationshintergrund einstuft und diese als „Patienten mit Kommunikationsbarriere“ bezeichnet.10 Denn die sprachliche Barriere bei diesen Menschen kann angeblich nicht umgangen werden, um ihnen die Corona-Hygienemaßnahmen zu verdeutlichen.11 Das Zitat des RKI-Chefs Prof. Wieler wird ebenso wie im Fake News-Beitrag auch im Online-Artikel der AfD NRW aufgeführt. Salient ist, dass angebracht wird, dieses Thema sei ein „Tabu“ und diese „Parallelgesellschaft“ bzw. diese Religionsgruppe mit Sozialarbeit in den Moscheen erreicht werden müsste.12 Allerdings würden Außenstehende in diese Religionseinrichtungen nicht eingelassen werden.13 Die Aussage impliziert, dass es sich größtenteils um Menschen muslimischer Abstammung handelt, diese werden somit als risikoreiches „Hauptproblem“ dargestellt. Durch die Recherchen des Correctivs wird ersichtlich wie die Äußerungen des RKI-Chefs und des Moerser Arztes zusammengetragen wurden. In einer Schaltkonferenz mit mehreren Ärzten am 14. März 2021, hätten Prof. Wieler und der hier als Thomas Voshaar identifizierte, Chef-Arzt des Moerser Bethanien-Krankenhauses, die häufig zitierten Ansichten geäußert.14 Eine Sprecherin des RKI-Chefs teilte auf Anfrage des Correctivs mit, dass die Äußerungen von Prof. Wieler nicht korrekt wiedergegeben und Sätze aus dem Zusammenhang gerissen wurden.15 Die erhobenen Daten bezogen sich auf Schilderungen von Ärzten aus drei expliziten Intensivstationen, die sich in drei deutschen Großstädten befinden.16 Dadurch wird augenfällig, dass die Angaben nicht die derzeitige Situation in Deutschland widerspiegeln.17 Ein signifikantes Hauptargument gegen den Fake News-Beitrag, ergibt sich aus Untersuchungen des NDR, WDR und der Süddeutschen-Zeitung. Diese haben alle deutschen Gesundheitsministerien angefragt, um Erkenntnisse über den sozialen Status, die Wohnsituation und der Häufigkeit eines Migrationshintergrundes bei Corona-Infizierten zu erheben.18 Es wird offenkundig, dass 14 von 16 Bundesländern keine dieser Daten erfassen und dementsprechend die These des hohen Migrantenanteils auf Corona-Intensivstationen nicht wissenschaftlich und statistisch belegbar ist.19 Faktoren, die jedoch eine Corona-Infektion begünstigen sind „Arbeitslosigkeit, Migrationshintergrund und enge Wohnverhältnisse“,20 wie in Berlin erhoben wurde. Allerdings ist der Arbeitssektor im systemrelevanten Bereich, der mit viel Kontakt zu anderen Menschen verbunden ist, größtenteils von Menschen mit niedrigen sozialen Status und Migrationshintergrund vertreten.21 Dies wiederum fördert die Ansteckungsgefahr in der Pandemie. Das im Fake News-Beitrag aufgeführte Argument, der „wiederholten Berichte von Großhochzeiten und Beerdigungen mit mehreren hundert Gästen ohne Hygienemaßnahmen“22 wird im WDR-Artikel in einen neuen Kontext gesetzt. Im Beitrag wird der Sozialwissenschaftler der Geschäftsstelle Rassismusmonitor, Cihan Sinanoglu, zitiert, der eine Kulturalisierung eines Corona-Hotspots problematisch sieht.23 Hierbei wird die Schuld einer Kultur- bzw. Religionsgruppe zugewiesen, es wird wiederum eine Abgrenzung etabliert, die Fremdenhass verstärkt. Cihan Sinanoglu indiziert auf „Raves in Berliner Parks oder die Aprés-Ski-Partys in Ischgel“,24 es entstanden ebenso Corona-Hotspots, ohne nach dem kulturellen Hintergrund zu fragen. Insofern ist die Behauptung, die Corona-Intensivpatienten seien mit 90% (muslimischen) Migranten vertreten, aufgrund von mangelnden, wissenschaftlichen Grundlagen, widerlegt. Allerdings wird durch Studien bestätigt, dass rechtsgesinnte Personen eine Resistenz bei korrigierten Informationen entwickelt haben, da diese nicht ihrem gängigen Weltbild entspricht.25

[...]


1 Sängerurlaub, Alexander et al. (2018): Fakten statt Fakes. Verursacher, Verbreitungswege und Wirkungen von Fake News im Bundestagswahlkampf 2017. Studie. S. 3.

2 Vgl. ebd. S. 2.

3 Ebd. S. 3.

4 Ebd.

5 Weiß wird in der Arbeit kursiv geschrieben, um die weiße Hautfarbe mit politischen Privilegien zu kennzeichnen.

6 Vgl. Jaster, Romy/ Lanius, David (2019): „Die Wahrheit schafft sich ab. Wie Fake News Politik machen“, S. 96.

7 Ebd. S. 32.

8 Vgl. Jaster, Romy/ Lanius, David (2019): „Die Wahrheit schafft sich ab“, S. 32.

9 Vgl. Walger-Demolsky, Gabriele/ Vincentz, Martin (2021): RKI-Chef: „Es ist ein Tabu“ – Hoher Anteil von Intensivpatienten mit Migrationshintergrund.

10 Vgl. Ebd.

11 Vgl. Ebd.

12 Vgl. Fake News-Beitrag oder Walger-Demolsky, Gabriele/ Vincentz, Martin (2021): RKI-Chef: „Es ist ein Tabu“.

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. Eckert, Till (2021): “Herkunft von Covid-Patienten wird in Deutschland nicht erfasst – „Bild“ reißt laut RKI und Bethanien-Klinik Aussagen aus dem Kontext“.

15 Vgl. Eckert, Till (2021): “Herkunft von Covid-Patienten wird in Deutschland nicht erfasst“.

16 Vgl. ebd.

17 Vgl. ebd.

18 Flade, Florian et al. (2021): „Wer infiziert sich mit Corona? Die Ahnungslosigkeit der Politik“.

19 Vgl. ebd.

20 WDR-Artikel von Unbekannt (2021): „Coronavirus: Stecken sich Arme und Migranten schneller an?“.

21 Vgl. ebd.

22 Siehe Abbildung 1.

23 Vgl. WDR-Artikel von Unbekannt (2021): „Coronavirus: Stecken sich Arme und Migranten schneller an“.

24 Ebd.

25 Vgl. Arendt, Florian et al. (2019): „Fake News, Warnhinweise und perzipierter Wahrheitsgehalt“, S. 189.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Anzweiflung der Regierung durch Fake News
Untertitel
Die politische Vorgehensweise der AfD
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
13
Katalognummer
V1190896
ISBN (eBook)
9783346632593
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politik AfD Regierung Fake News
Arbeit zitieren
Angelina Marx (Autor:in), 2021, Die Anzweiflung der Regierung durch Fake News, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1190896

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