Literarische Einflüsse Baudelaires auf den portugiesischen Modernismo. Ein Vergleich von Charles Baudelaires "Le Voyage" und Mário de Sá-Carneiros "A Grande Sombra"


Essay, 2022

14 Seiten


Leseprobe


Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich auf der formellen Ebene mit der Frage nach den Ähnlichkeiten in den Motiven, stylistische und formelle Merkmale in Charle Baudelaires Werks Les Fleurs du mal (Die Blumen des Bösen)1, als Repräsentant der französischen literarischen Einflüße auf das portugiesische Modernismo, vertreten durch Mario de Sa-Carneiro mit der Novelle Ceu em fogo (Himmel in Flammen)2.

Als ersten Schritt, um der Antwort der Frage näher zu kommen, wird in diesem Essay jeweils ein Werk von Baudelaire und Sa-Carneiro analysiert und auf formelle und inhaltliche Ebene vergliechen.

Nicht zufällig kommen das Gedicht Le Voyage von Baudelaire und die Erzählung A grande Sombra von Sa-Carneiro vor dem scharfen Auge in den Brennpunkt. Der Name der Novelle, Ceu em fogu, in deren Rahmen A grande sombra im Jahr 1915, als von Sa-Carneiro editorisch selbst betreutes Werk veröffentlich wurde, ist es sicherlich anmaßend zu vermuten, das es wahrscheinlich als Referenz zu dem wörtlich gleichbedeutenden Metapher “cieux embrasés”(Himmel in Flammen) aus der vierten Strophe des Le voyage, verwendet war.

Ebenso machen sich ihre biographischen Reminizensen in der Lebensslinie zu ähneln, denn die beiden blieben in ganz jungen Alter ohne einen Elternteil und mussten schon in der Kindheit sich mit einer neuen Normalität umgehen. Diese Ähnlichkeiten werden im Laufe des Essays tiefer analysiert, aber nicht nur als pure Relevanz in Funktion des Einflusses, sondern auch als These, dass Sa-Carneiro in Baudelairs Persönlichkeit bzw. Werk ein Vorbild bzw. Inspiration gesehen hatte.

Zur Erfüllung der Aufgabe dieser Arbeit werden die Methode der hermeneutischen Analyse, der vergleichenden Analyse, der thematischen Analyse sowie der biografischen Kritik eingesetzt.

Übereinstimmende biographische Remineszensen

Aus ihren biographischen Angaben ist es festzustellen, dass sowohl Sá Carneiro, als auch Baudelair seit jungem Alter ohne einen Elternteil blieben, aufgrund dessen eine große Lücke entstand, die sich mit einer Lieblosigkeit auffühlten, die ihr ganzes Leben lang frustrierende Spüren hinterlies.

Mário de Sá-Carneiro verlor seine Mutter als Kind im Alter von zwei Jahren und konnte in seiner Kindheit nicht einmal die Gesellschaft seines Vaters genießen, eines Militäringenieurs, der weltweit Missionen durchführte.

Im Jahr 1845 hatte Baudelaire das Erbe seines Vaters aufgebraucht, der starb, als Baudelaire sechs Jahre alt war. Seine herrschsüchtige Mutter und sein strenger Stiefvater unternahmen Schritte, um die Ausgaben des Sohns einzudämmen, beschlagnahmten die Gelder effektiv und teilten ihm ein kleines Taschengeld aus.

Sowohl Baudelairs als auch Sá-Carneiros Werke prägen sich hauptsächlich mit den Motive des Todes, Leben nach dem Tod und Selbstmordversuche. Es war auch etwas, auf das sich die beiden unglücklichen Dichter fast unaufhaltsam hinbewegten. Beide teilten den Verlust eines Elternteils in jungen Jahren, und das Fehlen eines emotionalen Ballasts führte dazu, dass sie als ewige Außenseiter sahen, die ewig auf das Leben warteten. Leider hat es das nie getan, und selbst die Sá Carneiros Abreise von Lissabon nach Paris, die damalige Kulturhauptstadt der Welt, trug wenig dazu bei, sein Gefühl der erdrückenden Langeweile zu lindern. Einige Monate später, mit wachsenden finanziellen Problemen und Depressionen, schrieb Sá-Carneiro am 31. März 1916 einen dramatischen Brief an Pessoa:

Paris – 31 Março 1916

Meu Querido Amigo.

A menos de um milagre na próxima segunda-feira, (ou mesmo na véspera), o seu Mário de Sá-Carneiro tomará uma forte dose de estricnina e desaparecerá deste mundo.3

Mit seinem Leben äußerst unzufrieden, verzögerte er den Selbstmord dennoch um fast einen Monat. Doch wie er verkündet hatte, tötete er sich im Alter von 25 Jahren am 26. April 1916 im Hôtel de Nice im Pariser Stadtteil Montmartre durch das Schlucken einer großen Dosis Strychnin.

Baudelaire ist genauso zum Opfer seiner Suizidgedanken gefallen, glücklicherweise aber ohne Erfolg. Obwohl sowohl seine Mutter als auch sein Stiefvater gegen seinem Lebensstil waren, stürzte sich Baudelaire in eine seiner Ansichten nach geeignete Umgebung, um Poesie zu produzieren. Er las unersättlich und fing an, im Quartier Latin häufig Prostituierte zu treffen, von denen er wahrscheinlich die Syphilis bekam, die ihn töten würde. Sein Appetit auf Erfahrung machte seiner Familie verständlicherweise Sorgen. In der Hoffnung, ihn zu retten, schickten sie ihn auf eine Reise nach Indien, sprang er aber auf Mauritius von Bord und kehrte 1842 nach Paris zurück, entschlossener denn je, Dichter zu werden. Er trat sein Erbe an und stürzte sich mit Genuß in das Leben des Ästheten und Dandys, der großzügig lebte und eine Wohnung im Hotel Pimodan auf der Ile Saint-Louis mietete, wo er gelegentlich Haschisch aß. Sowohl Sá Carneiro als auch Baudelair schrieben Jurastudien ein, mussten aber wegen Geldmangel und große Indifferenz sie aufgeben, damit sie sich weiter auf den Weg machten bzw. sich in der perfekten Umgebung4 geliengen, wie Baudelair sprach, um poetisch produktiv zu werden. Im Juli 1915 ging Sá- Carneiro nach Paris, um an der Sorbonne Jura weiterzustudieren. Obwohl sein Vater weiterhin für sein Studium bezahlte, hörte Sá-Carneiro bald nach seiner Ankunft in Paris auf, den Unterricht zu besuchen. Er lebte einen böhmischen Lebensstil und streifte durch die Theater und Bars.

Noch eine weitere Gemeinsamkeit wäre, dass die beiden in der Gruppe der Schriftsteller der Großstadtexilanten 5 gehören. Diese Schriftsteller erfuhren in den modernen Großstädten wie Paris eine Art soziales Exil, in dem sie traditions- und heimatsentfremdet weder ein Teil der Bürgerklasse noch in der demokratisch-egalitären zu Hause fühlten. Deshalb suchten sie sich “ ihr Asyl in der Menge”, die als “Schleier” fungieren. Sá Carneiro zum Beispiel nützte seine Anonimität in Paris, um sich mit einem Identität zu identifizieren, da er mit seinem bisherigen Leben bzw, Identität nicht zufrieden war.

[...]


1 BAUDELAIRE, Charles, Les Fleurs du mal, édition critique, ed. Jacques Crépet/ Georges Blin, neu bearbeitet von Georges Blin und Claude Pichois, Paris, Corti, 1968

2 SÁ-CARNEIRO, Mario de, Ceu em fogo, Edicão 560, Lisboa, Assirio & Alvim, 1999

3 SÁ-CARNEIRO, Mario de, Cartas de Sá-Carneiro a Fernando Pessoa, Edição Manuela Parreira da Silva, Lisboa, Assírio & Alvim, 2001.

4 Baudelaire, Charles. Œuvres complètes. Paris: Éditions du Seuil, 1968.

5 Vgl. BENJAMIN, Walter (2006). The Writer of Modern Life – Essays on Charles Baudelaire. Ed. von Michael W. Jennings, übers. von Howard Eiland, Edmund Jephcott, Rodney Livingston, and Harry Zonh. Cambridge: The Belknap Press of Harvard University Press, S. 40.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Literarische Einflüsse Baudelaires auf den portugiesischen Modernismo. Ein Vergleich von Charles Baudelaires "Le Voyage" und Mário de Sá-Carneiros "A Grande Sombra"
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Romanistik)
Veranstaltung
Modernismo
Autor
Jahr
2022
Seiten
14
Katalognummer
V1181133
ISBN (eBook)
9783346608574
ISBN (Buch)
9783346608581
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mario de Sá-Carneiro, Charles Baudelaire, modernism, modernismo, mysterium, le flores du mal
Arbeit zitieren
Elena Strezoska (Autor:in), 2022, Literarische Einflüsse Baudelaires auf den portugiesischen Modernismo. Ein Vergleich von Charles Baudelaires "Le Voyage" und Mário de Sá-Carneiros "A Grande Sombra", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1181133

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Baudelaires "Le Voyage" und Mário de Sá-Carneiros "A Grande Sombra"



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