Semantische Kongruenz bei belebten Referenten


Seminararbeit, 2020

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kongruenz
2.1 Grammatische Kongruenz
2.2 Semantische Kongruenz

3. Referenten

4. Semantische Kongruenz bei anim-Referenten
4.1 Genus
4.1.1 Hybride Nomina
4.1.2 Lexikalisches und referentielles Genus
4.1.3 Semantische und morphologische Zuweisungsregeln
4.2 Numerus
4.2.1 Kollektiva
4.2.2 Koordinierte Nominalphrasen
4.3 Weitere Faktoren

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

7. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

Kongruenz hinsichtlich des Genus und des Numerus ist ein Phänomen, das einerseits nicht in allen Sprachen auftritt und anderseits in einigen Sprachen ausschweifenden Systemen unterliegt. Die Untersuchung der Genussysteme einiger Sprachen und insbesondere die Untersuchung der Belebtheit als Flexionskategorie ist sehr vielfältig und selbst innerhalb einer Sprachfamilie unterschiedlich vertreten.

Ausgehend von der Frage, inwieweit semantische Kongruenz nicht nur bei menschliche (hum) Referenten, sondern bei allen belebten (anim) Referenten möglich ist, gilt es zum einen zu erforschen, in welchen Fällen semantische Kongruenz allgemein vorkommen kann und zum anderen, inwiefern die Belebtheit der Referenten diese beeinflusst und welche weiteren Faktoren relevant sind. Hierbei soll einerseits die semantische Kongruenz hinsichtlich des Genus und anderseits die semantische Kongruenz hinsichtlich des Numerus untersucht werden.

Bevor diese Fragen genauer betrachtet werden können, bedarf es der Unterscheidung zwischen semantischer und grammatischer Kongruenz sowie der Ermittlung der Genussysteme und Numeruswerte der untersuchten Sprachen. Im Anschluss kann das Auftreten semantischer Kongruenz bei verschiedenen Referenten analysiert werden. Im Rahmen der Untersuchung soll der Begriff der Belebtheit erforscht und anhand mehrerer Sprachen und derer Genussysteme betrachtet werden. Dabei soll vor allem im Vordergrund stehen, inwieweit die Belebtheit der Referenten einen Einfluss auf die Möglichkeit der Kongruenz hat. Um einen möglichst weitgreifenden Überblick über das Auftreten semantischer Kongruenz zu bieten, wurden Daten aus möglichst nicht miteinander verwandten Sprachen ausgewertet. Neben dem Deutschen und Englisch soll insbesondere das Swahili mit seinem ausgeprägten Klassensystem betrachtet werden.

Zu erwarten ist, dass die Belebtheit der Referenten zwar einerseits die Möglichkeit der semantischen Kongruenz bestimmt, anderseits aber das Phänomen der semantischen Kongruenz stark von der Sprache abhängig ist und von weiteren Faktoren beeinflusst wird. Inwieweit jedoch dieser Einfluss der Belebtheit und die Relevanz der weiteren Faktoren die semantische Kongruenz betrifft, gilt es zu ermitteln.

2. Kongruenz

Unter Kongruenz versteht man „some syntactic systematic covariance between a semantic or formal property of one element and a formal property of another” (Steele 1978: 610, zitiert nach Corbett 2006: 4). Während das erste Element meist ein Nomen (sog. Kopfnomen) ist, kann es sich bei dem letzteren um ein Attribut, ein Prädikat, ein Relativpronomen oder ein Personalpronomen handeln. Abhängig vom letzteren Element fallen die Wahrscheinlichkeiten für Kongruenz unterschiedlich aus. Die zu erwartenden Häufigkeiten je nach kongruierendem Element lassen sich wie folgt darstellen.

(1) Kongruenzhierarchie

attributive – predicate – relative pronoun – personal pronoun.

(Corbett 1979: 204)

2.1 Grammatische Kongruenz

Ist in der Sprachwissenschaft von Kongruenz die Rede, wird damit meist grammatische Kongruenz gemeint. Darunter versteht man die „Übereinstimmung von Konstituenten […] hinsichtl. verbaler bzw. nominaler Flexionskategorien“ (Glück & Rödel 2016: 353). Diese Flexionskategorien sind jedoch sprachspezifisch. Einerseits wird in vielen indogermanischen Sprachen die Einteilung der Nomina in verschiedene Formklassen, sog. Nominalklassen (nk), anhand des Genus der Nomina entschieden. Andererseits werden die Nomina in einigen slavischen, afrikanischen und kaukasischen Sprachen anhand der Belebtheit der bezeichneten Personen bzw. Objekte in verschiedene nk eingeteilt (vgl. Glück & Rödel 2016: 353, 466).

In der Kongruenzhierarchie (1) nimmt die Wahrscheinlichkeit für grammatische Kongruenz von links nach rechts ab (vgl. Corbett 1979: 204), d.h. grammatische Kongruenz ist bei Attributen wie in das kleine Mädchen am wahrscheinlichsten und bei Personalpronomina wie bei der Referenz auf ein Mädchen mit es am seltensten. Es handelt sich hierbei um grammatische Kongruenz, da das Kopfnomen ( Mädchen ) und die abhängigen Entitäten ( das, kleine, es ) in ihren grammatischen Eigenschaften (Genus: n, Numerus: sg) übereinstimmen.

2.2 Semantische Kongruenz

Entsprechend der obigen Definition von Kongruenz kann nicht nur die grammatische Form, sondern auch die semantische Bedeutung eines Elements die grammatische Form eines anderen Elements bestimmen. In solchen Fällen, in denen Kongruenz aus semantischen Kriterien statt grammatischen Kriterien resultiert, spricht man von semantischer Kongruenz (vgl. Corbett 2006: 155). In der genannten Kongruenzhierarchie (1) nimmt die Wahrscheinlichkeit für semantische Kongruenz von links nach rechts zu (vgl. Corbett 1979: 204), d.h. bei Attributen ist semantische Kongruenz nur selten möglich (* die kleine Mädchen ) und tritt am häufigsten bei Personalpronomina auf. Das Nomen Mädchen [n] referiert auf eine weibliche Person, weshalb die Referenz auf besagte Person mittels sie [f] statt es [n] ebenso möglich ist. Bei der Referenz mittels sie handelt es sich um semantische Kongruenz, da die Form von sie in der semantischen Bedeutung statt der grammatischen Eigenschaften von Mädchen begründet ist. Die verschiedenen Möglichkeiten der Kongruenz bei Nomina wie Mädchen werden in §4.1.1 genauer betrachtet. Semantische Kongruenz kann jedoch nicht nur auftreten, wenn das Genus nicht mit der semantischen Bedeutung eines Ausdrucks übereinstimmt, sondern auch wenn Unterschiede im Numerus vorliegen, worauf in §4.2 eingegangen wird.

3. Referenten

Als Referent wird dasjenige außersprachliche Objekt bezeichnet, auf das sich ein sprachlicher Ausdruck bezieht (vgl. Glück & Rödel 2016: 556). Diese Bezugsobjekte können non-anim oder anim sein, wobei man die Letzteren zusätzlich noch in hum und non-hum unterteilt. Diese Einordnungen spiegeln sich in der Grammatik einiger Sprache wider, da Nomina je nach nk grammatisch unterschiedlich behandelt werden und Abstufungen in der Belebtheit insbesondere bei der Möglichkeit der semantischen Kongruenz in einigen Sprachen eine entscheidende Rolle spielen.

Laut Dahl (2000: 99) soll die Belebtheitshierarchie, die in der Forschung als Konsensus gilt, über mindestens folgende drei Stufen verfügen: hum > anim > non-anim. Welche Referenten als anim bzw. non-anim gelten und ob eine feinere Unterscheidung zwischen hum und non-hum getroffen wird, ist sprachspezifisch. In mehreren Bantusprachen gibt es bspw. eine nk, die nicht nur hum-Nomina, sondern alle anim-Nomina mit­ein­schließt (vgl. Corbett 2013), was Dahls Behauptung, es müsse immer mindestens die­se drei Stufen geben, widerspricht, da die letzten beiden Stufen (anim > non-anim) für die besagten Sprachen ausreichen.

In anderen Sprachen hingegen werden nur hum-Referenten als anim gewertet, während sich Tiere in der Belebtheitshierarchie auf der gleichen Stufe wie non-anim-Referenten befinden und grammatisch wie diese behandelt werden. Im Taba, einer austroasiatischen Sprache, äußert sich diese Unterteilung anhand der pl-Markierung, insofern non-anim- sowie non-hum-Nomina über keine pl-Endung verfügen (2a-b), während die pl-Endung für hum-Nomina obligatorisch ist (2c).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Feinere Unterscheidungen innerhalb der nk für hum-Referenten sind in einigen Sprachen zwar vertreten, aber für diese Seminararbeit nicht relevant. Jedoch gibt es in manchen Sprachen innerhalb der nk der anim-Referenten Abstufungen, insofern Höhere Tiere wie hum-Referenten und Niedere Tiere wie non-anim-Referenten behandelt werden. Zu den Höheren Tiere zählen domestizierte Tiere und/oder größere Wildtiere, während zu den Niederen Tieren alle übrigen Tierarten gehören. In der im Nordosten Nigerias gesprochenen Sprache Miya bspw. werden Nomina, die Menschen oder Höhere Tiere bezeichnen, in einer nk zusammengefasst und von der nk der übrigen Nomina, die unter anderem Niedere Tiere einschließt, grammatisch differenziert (vgl. Corbett 2000: 72f.).

Eine präzisere Belebt­heitshierarchie, die eine Unterscheidung wie im Miya miteinschließt, einerseits die hum-Refe­renten weiterunterteilt und andererseits zwischen Höheren und Niederen Tieren un­ter­scheidet, sieht wie folgt aus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Semantische Kongruenz bei belebten Referenten
Hochschule
Universität Stuttgart  (Institut für Linguistik/Germanistik)
Veranstaltung
Typologie II
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
19
Katalognummer
V1176541
ISBN (eBook)
9783346597571
ISBN (Buch)
9783346597588
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Referenz, Belebtheit, grammatisch Kongruenz, semantische Kongruenz, Loebel, hybride Nomina, Genus, Corbett, Swahili
Arbeit zitieren
Miriam Schiele (Autor:in), 2020, Semantische Kongruenz bei belebten Referenten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1176541

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