Die Kunst der Verknappung. Vermarktungsstrategien von limitierten Konsumgütern in digitalen Medien


Masterarbeit, 2019

83 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung in die Arbeit
1.1 Relevanz und Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Definition und Arten von Knappheit
2.2 Kommunikation von Knappheitsbotschaften
2.2.1 Mengenbezogene Knappheitsbotschaften
2.2.2 Zeitbezogene Knappheitsbotschaften
2.2.3 Limited Editions als Knappheitsbotschaft
2.3 Erklärungsansätze für die Wirkung von Knappheit
2.3.1 Reaktanz-Theorie
2.3.2 Commodity-Theorie
2.3.3 Need-for-Uniqueness-Theorie
2.3.4 Knappheit als heuristischer Reiz
2.4. Kriterien für die Inszenierung von Knappheit im Online-Bereich
2.4.1 Grad des Produktzugangs
2.4.2 Kommunikation und -distribution
2.4.3 Produktdarstellung

3. Methodisches Vorgehen
3.1 Begründung der Methodenwahl
3.2 Erschließung des Untersuchungsmaterials
3.3 Ableitung der Typisierungsdimensionen
3.4 Zusammenfassung der Typenkonstruktion

4. Typen und Modell der Knappheits-Inszenierung im Online-Bereich
4.1 Eindimensionale Knappheits-Inszenierung
4.2 Zweidimensionale Knappheits-Inszenierung
4.3 Mehrdimensionale Knappheits-Inszenierung
4.4 Modell für die Zuordnung und Analyse limitierter Online-Angebote

5. Diskussion und Ausblick

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anhang

Abstract

Im Zeitalter der zunehmenden Digitalisierung mit dem schier unbegrenzten Zuwachs an Nutzern in den sozialen Medien haben sich die Vertriebs- und Kommunikationskanäle in den vergangenen Jahren, wie auch das Informations-, Kommunikations- und Kaufverhalten des Kunden, deutlich geändert. Im Online-Bereich wurde dadurch ein regelrechter Kampf um den Kunden ausgelöst. Unternehmen können diesen Wettbewerb nur bestehen, sofern sie Mittel und Wege kennen, um auf die digitale Transformation zu reagieren, sich anzupassen und die Kunden dort zu erreichen, wo sie sich tatsächlich aufhalten. Einige Handels-Unternehmen greifen dabei auf die Methode der künstlichen Verknappung zurück, mit der sie ihre Produkte künstlich limitieren, um die Nachfrage nach diesen zu erhöhen. Die künstliche Verknappung stellt ein effektives Mittel dar, um einerseits die wahrgenommene Attraktivität des Produktes bei Konsumenten zu erhöhen und andererseits Verkäufe zu steigern. Die vorliegende Arbeit zeigt verschiedene Inszenierungs-Möglichkeiten limitierter Angebote auf.

In the age of increasing digitalization with nearly unlimited growth of users in social media, distribution and communication channels as well as information, communication and purchasing behavior of customers have changed significantly in recent years. The online retailing sector has become a battle ground where companies have to fight for customers. Due to the ongoing digital transformation process companies need to develop new strategies to stay competitive. Thus scarcity marketing has become more and more relevant for many retailers. On the one hand it can be used as an effective strategy in order to increase the perceived attractiveness of a product. However it also enables sales promotion on the other hand. The present study shows various ways of introducing limited offers.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Struktur der Arbeit (Eigene Darstellung)

Abbildung 2: Limited Availability (In Anlehnung an Plantsch, 2008, S. 6)

Abbildung 3: Scarcity’s Enhancement of Desirability Modell (In Anlehnung an Lynn, 1992, S. 79)

Abbildung 4: Multi-Channel-Distribution (In Anlehnung an Heinemann, 2018, S. 162)

Abbildung 5: Ablauf der Typenbildung (Mayring, 2016, S. 132)

Abbildung 6: Größentabelle (Esprit, 2018)

Abbildung 7: Saisonales Angebot (Bonprix, 2018)

Abbildung 8: Flugbuchung (Fluege, 2018)

Abbildung 9: Hotelzimmerbuchung (Expedia, 2018)

Abbildung 10: Bestehendes Produkt vs. Limited Edition (Müller, 2018a; Müller 2018b)

Abbildung 11: Club-Kauf (Zalando Lounge, 2018)

Abbildung 12: Monogramm Service (Burberry, 2018)

Abbildung 13: Personalisierung (Louis Vuitton, 2018)

Abbildung 14: Maßschneider Service (Hermès, 2018)

Abbildung 15: Armani Privé Fashion show (Armani, 2018)

Abbildung 16: Privat und Exklusiv (Tchibo, 2018; Enjoybettercoffee, 2018)

Abbildung 17: Yeezy Boost Semi Frozen Yellow (Adidas, 2018a)

Abbildung 18: Conformed App (Adidas, 2018b)

Abbildung 19: Raffle (Footshop, 2018)

Abbildung 20: Yeezy Schlange (Sneakers-Magazine, 2018)

Abbildung 21: Lookbook (Supreme, 2018)

Abbildung 22: Supremenewyork (Instagram, 2018)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Studien zu mengenbezogenen Knappheitsbotschaften (In Anlehnung an Pick, Kenning, 2012, S. 54)

Tabelle 2: Studien zu zeitbezogenen Knappheitsbotschaften (In Anlehnung an Pick, Kenning, 2012, S.51)

Tabelle 3: Chancen und Risiken von Limited Editions (Eigene Darstellung)

Tabelle 4: Studien zu Wirkungen von Limited Editions (In Anlehnung an Pick, 2013, S. 200)

Tabelle 5: Vergleichsdimensionen (Eigene Darstellung) 35

Abkürzungsverzeichnis

B2B Business to Business

B2C Business to Consumer

EHI Euro Handelsinstitut e.V.

E-Mail Electronic-Mail

E-Resale Electronic-Resale

FMCG Fast Moving Consumer Goods

LE Limited Edition

PKW Personenkraftwagen

PR Public-Relations

TV Television

1. Einführung in die Arbeit

1.1 Relevanz und Problemstellung

Der griechische Philosoph Aristoteles erkannte schon früh, dass Seltenheit mehr Wert besitzt, als etwas, dass reichlich vorhanden ist: „What is rare is a greater good than what is plentiful“ (Aristoteles, o.J., zitiert nach Baumeister, Bushman, 2016, S. 268). Er beschrieb damit das grundlegende Knappheitsprinzip, das seit jeher zum menschlichen Handeln gehört. Besonders in der Konsumwelt stellt das Knappheitsprinzip ein allgegenwärtiges Phänomen dar. Viele Anbieter machen sich dieses Prinzip zu Nutze, indem sie ihre Produkte oder Dienstleistungen verknappen, um sie besonders und wertvoll darstellen zu lassen. In der Marketingpraxis wird diese Vorgehensweise als künstliche bzw. inszenierte Knappheit bezeichnet, da sie sich von Anbieterseite aus erzeugen und gestalten lässt (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 47; vgl. Kastner, 2018, S. 235).

So stoßen Konsumenten während eines aufmerksamen Einkaufs nicht selten auf Angebote, die in Limited Editions angeboten werden oder nur begrenzt erhältlich bzw. nur für eine kurze Zeit erhältlich sind. Viele Online-Shopping-Portale nutzen häufig Signale, um auf die begrenzte Verfügbarkeit von Produkten und einen drohenden Ausverkauf hinzuweisen. Drüber hinaus lassen sich Knappheitssignale in diversen TV-Verkaufssendungen finden, in denen angepriesene Produkte durchweg mit verbleibenden Stückzahlen oder Informationen über Knappe Vorräte beworben werden (vgl. Lynn, 1991, S. 43). Derartige Hinweise über die Knappheit eines Produkts dienen teilweise zur rein informationellen Feststellung gegenüber verbleibenden Verkaufseinheiten. Auf der anderen Seite scheinen Begrenzungen des Angebots und die dadurch signalisierte Knappheit bedeutende Auswirkungen auf die Attraktivität und Beliebtheit der Produkte zu haben.

Ein Beispiel, das in diesem Zusammenhang genannt werden kann, ist die Vermarktung der Videospielkassette Super Mario Brothers von Nintendo. Im Jahr 1989 vermeldeten viele Läden kurz nach Markteinführung den Ausverkauf des beliebten Videospiels (vgl. DeGraba, 1995, S. 331). Dieser entpuppte sich jedoch als Kalkül des japanischen Videospielherstellers: Im Vorfeld des Verkaufsstarts wurden lediglich 40 Millionen Exemplare hergestellt, obwohl firmeneigene Berechnungen eine Nachfrageanzahl von 43 Millionen ergaben. Das Unternehmen entschied sich demnach bewusst für eine Begrenzung des Produktangebots, um Knappheit zu erzeugen und somit Nachfrage und Beliebtheit des Videospiels zu steigern (vgl. Adweek’s Marketing Week, 1989, zitiert nach Stock, Balachander, 2005, S. 1181 f.).

Mit der Entwicklung des Internets nahm in der Folgezeit auch die Anzahl von Online-Angeboten zu. Anbieter von Waren und Dienstleistungen haben heutzutage die Möglichkeit, zusätzlich zu ihrem herkömmlichen, stationären Geschäft über verschiedene Online-Vertriebskanäle und -plattformen Handel zu betreiben. Im Zuge dessen wird der Anschein erweckt, als würden sämtliche Waren und Dienstleistungen ubiquitär verfügbar sein. Oftmals wählen Konsumenten Produkte aus, die ihrem Geschmack bzw. Vorlieben entsprechen oder als Resultat einer Algorithmus-Berechnung. Dieser filtert basierend auf gemeinsamen Interessen entsprechende Angebote heraus und schlägt sie den Konsumenten vor (vgl. Kastner, 2018, S. 233). Das schier unbegrenzte Produktangebot führt letztendlich dazu, dass viele Konsumenten danach streben, besonders solche Angebote wahrzunehmen, mit denen sie sich von der breiten Masse abheben können. Im alltäglichen Handel, der durch Massenproduktion gekennzeichnet ist, bieten sich für Konsumenten daher kaum noch Gelegenheiten mit außergewöhnlichen oder einzigartigen Produkten in Berührung zu kommen. Paradoxerweise sorgt das Streben nach Einzigartigkeit in einer digitalisierten Gesellschaft für eine zunehmende Gleichheit: „Der Globalisierung wohnt eine Gewalt inne, die alles austauschbar, vergleichbar und dadurch gleich macht“ (Han, 2016, S. 19). Vor diesem Hintergrund müssen sich Marketingexperten stets neue, digitale Vermarktungsstrategien einfallen lassen, die besonders im Kontext der Wirtschaftskommunikation von hoher Relevanz sein dürften. Sie stehen vor der Herausforderung Strategien zu entwickeln, die einerseits den Vertrieb und die Präsentation von bestimmten Produkten im Online-Bereich gewährleisten und andererseits den Wünschen nach einzigartigen Produkten entgegenkommen können. In diesem Zusammenhang stellt die Vermarktung von limitierten Konsumgütern eine Möglichkeit zur Umsetzung einer Verknappungsstrategie dar. Da sich vor allem im Online-Bereich vielfältige Möglichkeiten bieten, stellt sich hierbei die Frage, welche Inszenierungsmöglichkeiten grundsätzlich für Marketingpraktiker infrage kommen und zu beobachten sind.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, ein theoretisch fundiertes Modell zur Analyse verschiedener Inszenierungsmöglichkeiten im Rahmen limitierter Online-Angebote zu entwickeln. Hierzu werden verschiedene Angebote auf Basis der Top 100 umsatzstärksten Onlineshops in Deutschland 2018 sowie weiterer Beispiele, die z.B. in der Marketingliteratur diskutiert wurden, genauer untersucht und analysiert. Im Vordergrund steht dabei die Konstruktion einer Typologie von besonders charakteristischen Inszenierungsmöglichkeiten. Die dazugehörige Forschungsfrage lautet: Welche Inszenierungsmöglichkeiten lassen sich im Rahmen von limitierten Online-Angeboten ableiten?. Die Arbeit ist in fünf Teile untergliedert: Einführung in die Arbeit (1), Theoretische Grundlagen (2), Methodisches Vorgehen (3), Typen und Modell der Knappheits-Inszenierung im Online-Bereich (4) und Diskussion und Ausblick (5). Nach Kapitel Eins werden in Kapitel Zwei zunächst grundsätzliche Überlegungen zur Güter-Knappheit im Handel beleuchtet. Hierzu gehört die begriffliche Einordnung von Knappheit im wirtschaftlichen Kontext sowie die Darstellung verschiedener Knappheitsformen und -botschaften. Verschiedene Erklärungsansätze für die Wirkung sowie die Festlegung von Kriterien für die digitale Inszenierung von Knappheit komplementieren den theoretischen Rahmen. Kapitel Drei beschreibt die Methodik, Kapitel Vier stellt die Ergebnisse der Untersuchung vor und Kapitel Fünf bildet den Abschluss der vorliegenden Arbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Struktur der Arbeit (Eigene Darstellung)

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Definition und Arten von Knappheit

In der Volks- bzw. Betriebswirtschaft stellt Knappheit eine wichtige Grundannahme des Wirtschaftens dar. Hiernach resultiert Knappheit aus der begrenzten Menge von verfügbaren Gütern bzw. Möglichkeiten zur Herstellung von Gütern, um individuelle Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. Engelkamp, Sell, 2017, S. 12; vgl. Drewello et al., 2018, S. 18). Dahingehend ist wirtschaftliches Handeln unabdingbar. Die Hauptaufgabe besteht darin, das Spannungsverhältnis zwischen der Gesamtheit menschlicher Bedürfnisse und den eingeschränkten Mitteln zur Bedürfnisbefriedigung weitestgehend zu verringern (vgl. Engelkamp, Sell, 2017, S. 12; vgl. Drewello et al., 2018, S. 18). Insofern kann Knappheit verstanden werden als „chronischer Überhang menschlicher Bedürfnisse über die in der Realität vorhandenen Möglichkeiten“ (Drewello et al., 2018, S. 18). Die Ursachen für die Knappheit von Gütern können dabei von unterschiedlicher Herkunft sein. Sie kann durch natürliche Umstände entstehen, wenn z.B. das Trinkwasser in bestimmten Dürre-Regionen knapp wird (vgl. Kastner, 2018, S. 234). Auf der anderen Seite führt das Konsumverhalten der Menschen zu einer eingeschränkten Verfügbarkeit von Gütern (vgl. Verhallen, Robben, 1995, S. 371). In der empirischen Literatur lassen sich im Kontext der Verfügbarkeit von Gütern bzw. Marktleistungen mehrere Arten von Knappheit unterscheiden (vgl. Verhallen, Robben, 1995, S. 371 f.; vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 48 f.):

- Unavailability: Bestimmte Produkte bzw. Marktleistungen stehen aus natürlichen Gründen, wie z.B. Rohstoffmangel nicht mehr zur Verfügung. Als weitere Gründe der Knappheit zählen generelle Unternehmensentscheidungen, wie z.B. die Produktionseinstellung oder gesetzliche Verbote von Produkten, deren Missachtung geahndet wird. Automobile, die nicht mehr hergestellt werden oder für einen bestimmten Markt nicht mehr zugelassene Pharmaprodukte sind Beispiele dafür. Weiterhin fallen auch ausverkaufte Artikel, sogenannte Stock-Out-Optionen hierunter (vgl. Plantsch, 2008, S. 5; vgl. Pick, 2013, S. 188).
- Restricted Availability: Die begrenzte Verfügbarkeit von Produkten bzw. Marktleistungen ist an die Zugehörigkeit zu bestimmten Personengruppen gekoppelt, die einen eingeschränkten Zugang darauf haben. Hierzu zählen Personen, die dieser Gruppe z.B. durch eine Mitgliedschaft in einer Organisation angehören. Die Mitgliedschaft an dieser Gruppe ermöglicht den Zugang zu dem vorher nicht verfügbaren Produkt. Bekannte Beispiele hierfür sind die Benutzung eines exklusiven Golfplatzes (vgl. Plantsch, 2008, S. 5), aber auch Flughafen- Lounges, Business Clubs, genossenschaftliche Vermarktungskonzepte oder Partei-Mitgliedschaften, über die der Zugang zu knappen Gütern ermöglicht wird (vgl. Dickson, Rublee, 2000, S. 89).
- Conditional Availability: Bestimmte Produkte bzw. Marktleistungen sind im Sinne der konditionalen Verfügbarkeit für Konsumenten erhältlich, wenn bestimmte Bedingungen oder Erfordernisse erfüllt sind. Zu diesen Erfordernissen gehört bspw. der Erwerb des PKW-Führerscheins, der in Deutschland daran geknüpft ist, dass die betreffende Person mindestens 18 Jahre alt ist (vgl. Plantsch, 2008, S. 5). Wartelisten von Luxusgütern im Fashion- und PKW-Segment gehören ebenfalls zur gängigen Praxis, um den Produktzugang einzuschränken (vgl. Balachander et al., 2009, S. 1623 ff.; Wu et al., 2012, S. 263 ff.).
- Limited Availability: Die limitierte Verfügbarkeit von Produkten bzw. Marktleistungen bezieht sich auf Angebots- und Nachfrageseite. Wenn von der Käuferseite ein hohes Interesse an bestimmten Produkten bzw. Marktleistungen besteht, können diese z.B. durch Ausverkauf eingeschränkt werden. Eine weitere Möglichkeit der limitierten Verfügbarkeit stellt die angebotsseitige Verknappung dar. Unternehmen können bspw. planmäßig nur eine bestimmte knappe Menge produzieren (vgl. Herpen et al., 2005, S. 623). Diese Form der Verknappung unterscheidet sich im Gegensatz zur Restricted Availability darin, dass sich die Restricted Availability primär auf bestimmte Dienstleistungen und Marktnischen bezieht, während die Limited Availability auf breite Massenmärkte ausgerichtet und damit für den Handel ggf. bedeutsamer ist.

Trotz ihrer theoretischen Trennbarkeit in verschiedene Arten von Knappheit, nutzen Unternehmen in der handelsbetrieblichen Praxis häufig Mischformen der vier Strategieansätze (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 50). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist besonders die Form der Limited Availability von Bedeutung. Dieser Strategieansatz kommt in der Handelspraxis am häufigsten vor und findet in der empirischen Forschung weitaus mehr Berücksichtigung (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 50). Darüber hinaus wird die Limited Availability als einzige Form der Knappheit angesehen, die eine tatsächliche Knappheitssituation darstellt, in der nur eine eingeschränkte bzw. begrenzte Erhältlichkeit eines Produkts besteht, „das prinzipiell von jedem Kunden oder Konsumenten gekauft werden könnte“ (Plantsch, 2008, S. 6).

Grundsätzlich lässt sie sich in drei Ebenen aufgliedern (vgl. Plantsch, 2008, S. 6):

- Entstehungsgrund der Knappheit
- Massenmarkt oder einzelne Kunden
- Mengen- oder Zeitbezug

Produktknappheit im Rahmen der Limited Availability kann unterschiedlich entstehen, wenn z.B. eine erhöhte Nachfrage, ein geringes Angebot oder auch eine Kombination aus beiden Marktsituationen vorliegt (vgl. Verhallen, Robben, 1995, S. 372; vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 50). Knappheit resultiert oftmals auch aus Zufall. Eine unvorhersehbare Schwankung im Obst- und Gemüse-Angebot, die aufgrund schwerer Unwetter in bestimmten Anbaugebieten ausgelöst wurde, ist ein denkbares Szenario für eine zufallsbedingte Waren-Knappheit (vgl. Gierl, Plantsch, 2007, S. 120). Allerdings können Unternehmen auf diese Form der Knappheit keinen Einfluss nehmen, sodass sie als Marketinginstrument kaum infrage kommen dürfte. Aus diesem Grund wird sie auch im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt. Stattdessen liegt der Fokus auf den übrigen Strategieansätzen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Limited Availability (In Anlehnung an Plantsch, 2008, S. 6)

Eine durch erhöhte Nachfrage bedingte Knappheit ist nicht immer das Resultat einer Knappheitsstrategie. Oftmals entsteht Produktknappheit dann, wenn nicht ausreichend Güter für alle Kaufinteressen gleichermaßen zur Verfügung stehen. Eine vorübergehend zeitliche Knappheit von Gütern kann bspw. bei innovativen Trendprodukten mit hoher Medienaufmerksamkeit vorliegen. Produkte des täglichen Bedarfs gehören ebenfalls zu den Gütern, die zu bestimmten Zeiten vorübergehend aufgrund der erhöhten Nachfrage und des Verbrauchs knapp werden können (vgl. Pick, 2013, S. 188). Im Sinne einer Knappheitsstrategie lässt sich eine nachfragebedingte Knappheit durch Unternehmen künstlich erzeugen, indem die erhöhte Nachfrage direkt an die Konsumenten kommuniziert wird. Eine solche Strategie wurde z.B. von dem Tech-Unternehmen Apple erfolgreich angewendet. Das Unternehmen hat eine hohe Nachfrage ihrer technischen Geräte gezielt an potentielle Käufer kommuniziert und dadurch das Käuferinteresse erhöht (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 50). In diesem Fall entsteht Knappheit während des Verkaufsprozesses. Konsumenten beobachten hierbei zunächst eine zunehmend steigende Nachfrage nach einem bestimmten Produkt und werden durch den Anbieter gezielt auf die tatsächlich oder vermeintlich erhöhte Nachfrage hingewiesen. Infolgedessen können sie eine Knappheitswahrnehmung hinsichtlich eines anfangs reichlich vorhandenen Produkts entwickeln (vgl. Plantsch, 2008, S. 8). In zahlreichen TV-Verkaufssendungen werden dadurch Knappheitseffekte bei Konsumenten erzeugt. Außerdem zählen Online-Shops zu den Anbietern, die sich diese Effekte zu Nutze machen, indem sie Konsumenten in einem Echtzeit-Zähler auf die noch verfügbaren Stückzahlen eines Produkts und damit implizit auf einen drohenden Ausverkauf hinweisen (vgl. Plantsch, 2008, S. 8; vgl. Kastner, 2018, S. 235).

Darüber hinaus ist es von Unternehmensseite aus möglich, Angebote direkt durch planmäßige Begrenzungen der Produktmenge für Konsumenten zu verknappen (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 50). Dabei können Angebotsbegrenzungen aus Sicht des Konsumenten als Marketinginstrument des Anbieters wahrgenommen werden (vgl. Plantsch, 2008, S. 7). Weiterhin ist die Entstehung von Angebotsknappheit durch eine Begrenzung von Vertriebsstätten denkbar (vgl. Plantsch, 2008, S. 8; vgl. Kastner, 2018, S. 235). Einige Einzelhändler bspw. bezeichnen sich als exklusive Bezugsquelle für bestimmte Produkte, etwa Buchhändler, die Sonderauflagen exklusiv anbieten (vgl. Plantsch, 2008, S. 8). Auf einer weiteren Ebene lässt sich die angebotsbedingte Knappheit danach differenzieren, ob sie sich auf den Gesamtmarkt bezieht oder auf einzelne Konsumenten, was z.B. auf die maximale Abgabemenge pro Kunde zutreffen würde (vgl. Plantsch, 2008, S. 7).

Die Limited Availability kann außerdem auf Ebene der Mengen- oder Zeitbeschränkung gekennzeichnet werden (vgl. Plantsch, 2008, S. 7; vgl. Gierl et al., 2008, S. 46). Mengenbeschränkungen beziehen sich auf die Anzahl verfügbarer Produkte, wohingegen sie bei Zeitbeschränkungen nur für einen begrenzten Zeitraum erhältlich sind. Dabei kann eine Mengenbeschränkung aufgrund von limitierten Angeboten oder überhöhter Nachfrage vorgenommen werden, während die Initiierung einer festgelegten Zeitbeschränkung nur von Anbieterseite aus möglich ist (vgl. Gierl et al, 2008, S. 46). Die Erzeugung angebotsbedingter Knappheit mit Bezug auf den Gesamtmarkt ist sowohl in mengenmäßiger als auch zeitlicher Hinsicht denkbar. Zudem erscheint eine Mengenbeschränkung über eine maximale Abgabemenge pro Kunde im Fall der angebotsbedingten Knappheit mit Bezug auf Individuen sinnvoll. Auf zeitlicher Ebene dürfte dies hingegen nur schwer zu realisieren sein (vgl. Plantsch, 2008, S. 7 f.).

Zu den bekanntesten Beispielen für mengenbezogene Verknappungen zählen u.a. Limited Editions, z.B. bei Mobiltelefonen oder Sportschuhen, Angebote von Sammlerobjekten, z.B. Münzen, Kunstdrucke oder Porzellan-Sammelteller in geringen Auflagen sowie Limitierungen durch knappe Ressourcen, z.B. Weine aus kleinen besonders guten Anbaugebieten (vgl. Plantsch, 2008, S. 7). Darüber hinaus zählen Sonderkollektionen und Designer-Editionen dazu (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 50; vgl. Kastner, 2018, S. 235).

Wird Knappheit durch Mengenbeschränkungen erzeugt, nimmt das Ausmaß der Knappheit mit jeder verkauften Einheit zu. Bei Zeitbeschränkungen hingegen steigt das Ausmaß wahrgenommener Knappheit durch Fortschreiten der Zeit (vgl. Plantsch, 2008, S. 7). Die zeitbezogene Knappheit kennzeichnet sich darin, dass bestimmte Produkte nur über einen vorher definierten Zeitraum entweder kurz-, mittel- oder langfristig angeboten werden. Von großer Bedeutung sind in der Handelspraxis mittelfristig zeitbegrenzte Angebote, z.B. im stationären Lebensmitteleinzelhandel hinsichtlich wöchentlicher Promotionen (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 48). Ebenso kann das Produktangebot saisonal je nach Jahreszeit oder durch begrenzte Öffnungszeiten von Filialen mittelfristig bzw. langfristig eingeschränkt werden (vgl. Kastner, 2018, S. 235). Eine jahreszeitliche Limitierung stellt z.B. die Erhältlichkeit einer bestimmten Schokoladensorte dar, die nur saisonal im Handel verfügbar ist (vgl. Plantsch, 2008, S. 7). Im Online-Handel sind dagegen zunehmend kurzfristig zeitbegrenzte Angebote zu beobachten. Gutschein-Anbieter wie Groupon, oder DailyDeal sind Beispiele, die Angebote oft auf Tages- und Stundentakte beschränken (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 48).

2.2 Kommunikation von Knappheitsbotschaften

2.2.1 Mengenbezogene Knappheitsbotschaften

Knappheitsbotschaften im Rahmen von Mengenrestriktionen können sich entweder an den Gesamtmarkt oder den einzelnen Konsumenten richten und dabei vage oder explizit formuliert werden (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 53). Vage Formulierungen lassen sich typischerweise bei Knappheitsbotschaften finden, die sich auf den Gesamtmarkt beziehen. Eine von Unternehmen häufig verwendete Aussage ist z.B. solange der Vorrat reicht. Solche Kommunikationshinweise lassen bewusst offen, wie hoch die tatsächliche Mengenbegrenzung ist. Gleichzeitig lösen sie auf Seiten der potentiellen Käufer eine hohe Unsicherheit bezüglich der noch verfügbaren Mengen aus und erzeugen damit Kaufdruck (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 53; vgl. Pick, 2013, S. 191). In dieser Hinsicht ergeben sich für Händler Planungs- und Steuerungsvorteile bei der Vermarktung, denn durch die Verwendung vager Botschaften werden sie nicht dazu verpflichtet, Produkte für Konsumenten jederzeit zur Verfügung stellen zu müssen (vgl. Pick, 2013, S. 191).

Dahingehend erwarten Händler einen auf Käuferseite hervorgerufenen Kaufdruck, der durch die Vorstellung eines möglichen Verlusts der Kaufgelegenheit zu einem späteren Zeitpunkt intensiviert wird (vgl. Tan, Chua, 2004, S. 343). Mengenbezogene Knappheitsbotschaften lassen sich dagegen bei Verknappungen mit maximaler Abgabemenge pro Kunde finden. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine auch für den Anbieter de facto begrenzte Produktmenge möglichst vielen Kunden gleichermaßen zur Verfügung zu stellen (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 53 f.). Beispielhafte Reglementierungen lauten dabei nur 3 Stück je Kunde (vgl. Inman et al., 1997, S. 69; vgl. Wansink et al., 1998, S. 72; vgl. Jung, Kellaris, 2004, S. 740) oder auch the first 100 customers only in Fällen, bei denen sich die Mengenverknappung auf die Anzahl derer bezieht, die Zugang zu einem bestimmten Produkt haben (vgl. Aggarwal et al., 2011, S. 22).

Die nachfolgende Tabelle zeigt, dass sich bereits einige Studien mit der Wirkung von vagen bzw. expliziten Kommunikationsbotschaften im Kontext von Mengenrestriktionen befasst haben. Gegenstand der Untersuchungen war z.B. die Wirkung auf den wahrgenommenen Knappheitsgrad, die Einstellung gegenüber einem Produkt, die Wahrnehmung von Promotions, die Wertschätzung eines Produkts, Kaufabsichten sowie Kauf und Kaufwahrscheinlichkeiten:

Tabelle 1: Studien zu mengenbezogenen Knappheitsbotschaften (In Anlehnung an Pick, Kenning, 2012, S. 54)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus den bereits durchgeführten Studien lässt sich ableiten, dass sich die Forschung insbesondere auf die Wirkung expliziter Mengenrestriktionen konzentriert hat. Bisher konnten dabei keine Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob implizite oder explizite Kommunikationsbotschaften stärker auf den Käufer wirken. Für viele Marketingpraktiker dürfte dies von besonderem Interesse sein, um ihre Kommunikationsstrategie im Rahmen der Verkaufsförderung von Produkten optimal ausrichten zu können. Im Vergleich zu Zeitverknappungen wird zudem vermutet, dass mengenbezogene Knappheitsbotschaften einen stärkeren Einfluss auf Kaufabsichten ausüben (vgl. Aggarwal et al., 2011, S. 20).

2.2.2 Zeitbezogene Knappheitsbotschaften

Im Gegensatz zu mengenbezogenen Knappheitsbotschaften beziehen sich zeitbezogene Botschaften typischerweise auf den Gesamtmarkt. Dabei kommen sie häufig in Verbindung mit leistungsbezogenen Verknappungen zu bestimmten Konditionen zum Einsatz, wie z.B. bei wöchentlichen Verkaufsförderungen von Lebensmitteln durch Preisnachlässe (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 50). Während in TV-Werbespots für bestimme Lebensmittel oft implizite Formulierungen wie bspw. nur für kurze Zeit gewählt werden, lassen sich aus der Gültigkeit jeweiliger Handelsprospekte die Kommunikation einer zeitlichen Begrenzung von Angeboten explizit ableiten. Derartige Botschaften kommen noch expliziter vor, wenn sie sich z.B. auf ein Angebot beziehen, welches nur zum Zeitpunkt einer Neueröffnung gültig ist (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 51 f.; vgl. Pick, 2013, S. 194). Die durch implizite oder explizite Botschaften kommunizierte Knappheit kann entweder statisch direkt auf der Produktverpackung bzw. in Prospekten oder dynamisch in besonders auf Interaktion ausgelegten Medien signalisiert werden (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 51). Online-Dienstleister, wie z.B. Flug- oder Hotelanbieter, machen sich diese Art der Kommunikationen zu Nutze, indem sie potentielle Kunden gezielt darauf hinweisen, dass bestimmte Angebote innerhalb der nächsten Stunden ausverkauft sein könnten (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 51). Dabei profitieren Händler zunächst vom Kaufdruck, der durch eine nachfragebedingte Konkurrenzsituation entsteht. Die Vorstellung, dass das Angebot von einer anderen Person wahrgenommen wird, erhöht das eigene Kaufverlangen und befeuert unschlüssige Interessenten in ihrer Kaufabsicht (vgl. Kastner, 2018, S. 235). Infolgedessen können sie sich kurzfristig und zielgerichtet zu Käufern eines Produkts entwickeln (vgl. Cialdini 2017, S. 322). Die Marketingforschung hat bereits zahlreiche Studien hervorgebracht, die sich mit der Wirkung von implizit bzw. explizit kommunizierten Zeitrestriktionen befasst haben:

Tabelle 2: Studien zu zeitbezogenen Knappheitsbotschaften (In Anlehnung an Pick, Kenning, 2012, S.51)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zu den untersuchten Bezugsgrößen gehörten z.B. die Qualitätswahrnehmung, Wünschbarkeit, Wartebereitschaft, Deal-Bewertung und generelle Kaufabsichten. Die Forschung hat sich dabei insgesamt stärker auf die Wirkungen expliziter Kommunikationsbotschaften konzentriert. Allerdings lassen sich anhand der vorliegenden Studien noch keine allgemeinen Aussagen hinsichtlich der unterschiedlichen Wirksamkeit impliziter und expliziter Kommunikationsbotschaften ableiten. In diesem Zusammenhang kann vermutet werden, dass möglicherweise implizite Kommunikationsbotschaften eine höhere Wirkung auf Käuferverhalten haben (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 51). Ein potentieller Grund, der hierbei genannt wird, ist der stärker verspürte Kaufdruck. Dieser dürfte einerseits aus der höheren Käufer-Unsicherheit über die Verfügbarkeit des Produkts, andererseits aus dem bei Nicht-Kauf künftigen Bedauern resultieren (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 51).

2.2.3 Limited Editions als Knappheitsbotschaft

Limited Editions sind in der Handelspraxis häufig verwendete Produktkonzepte, die darauf abzielen, Verknappungen hinsichtlich der Menge, Zeit oder der Kombination aus beiden Faktoren zu kommunizieren. So erscheinen mit Blick auf die Zeit Limited Editions z.B. im Rahmen von saisonalen Ereignissen wie Unternehmensjubiläen oder großen Sportveranstaltungen wie die Fußball-Europameisterschaft (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 54; vgl. Pick, 2013, S. 198). Dagegen werden Limited Editions im Sinne einer mengenbezogenen Knappheitsstrategie in begrenzten Auflagen hergestellt. Mit der Bezeichnung Limited Editions wird nicht zwangsläufig eine mengen- oder zeitbezogene Knappheit definiert. Oftmals können Unternehmen mit derartigen Botschaften auch eine vermeintliche Knappheit, ohne dass sie tatsächlich existent ist, suggerieren (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 54; vgl. Pick, 2013, S. 198). Angewendet kommen Limited Editions in vielen Handelsbereichen, wie z.B. bei Luxusgütern, Automobilen, Textilien bzw. Mode, Elektronik, Musik, Kunst, aber auch in Videospielen oder Lebensmittel zum Einsatz (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 54; vgl. Pick, 2013, S. 198).

Viele Konsumenten verbinden Produkte mit der Bezeichnung Limited Edition vor allem mit Exklusivität und Status, höherer Preis, höhere Qualität, besonderen Ereignissen, begrenzten Stückzahlen aber auch Produktinnovationen (Pick, Kenning, 2012, S. 54). Im Rahmen von temporären Produktlinienerweiterungen, bei denen Angebote im Gegensatz zu dauerhaften Produktlinien nur zeitlich vorübergehend erhältlich sind, lassen sich Limited Editions vermehrt im FMCG-Bereich beobachten (vgl. Huber et al., 2012, S. 13). Im Lebensmittelbereich werden bei Produkten, wie z.B. Milchdrinks, verschiedene Geschmacksrichtungen erweitert. Bei der Vermarktung von Limited Editions lassen sich zwei unterschiedliche Strategieansätze ableiten: Ein Unternehmen kann einerseits nur die Limited Editions auf den Markt bringen oder sie als Alternativprodukt neben dem Standardprodukt offerieren, sodass sich Käufer zwischen den beiden Varianten entscheiden können. Verschiedene Produkte im Musikbereich, bei denen Limited Editions mit extra Features wie ergänzenden Interviews neben der Standardvariante angeboten werden, stehen exemplarisch für einen solchen Strategieansatz. Häufig nehmen diese Artikel eine Sonderstellung innerhalb der Produktlinie ein, da mit ihnen innovative und außergewöhnliche Produkteigenschaften einhergehen (vgl. Esch, 2017, S. 381). Durch die Zeit- und Mengenrestriktion „erhalten die Varianten etwas Besonderes und üben dadurch eine ungeheure Anziehungskraft aus“ (Huber et al., 2012, S. 13). Diese Anziehungskraft führt nicht selten zu einem stärkeren Kaufdruck bei Konsumenten, insbesondere wenn sie ein hohes wahrgenommenes Risiko im Zuge einer ggf. verpassten Kaufgelegenheit verspüren. Die Wortkombination Limited Editions dürfte entscheidend dazu beitragen, denn sie gibt als Knappheitsbotschaft weder implizit noch explizit Hinweise auf eine Zeit- oder Mengenverknappung. Hierbei muss vom Käufer anhand von weiteren Informationen eine Selbstabschätzung erfolgen oder die Knappheitsbotschaft bleibt offen.

Limited Editions können je nach Angebot verschiedenartig in Low-Involvement oder High-Involvement-Angebote unterschieden werden. Während die Beschaffung von High-Involvement-Produkten mit einem großen Interesse des Konsumenten verbunden ist, lösen Low-Involvement-Produkte nur ein geringfügiges Interesse aus. Diese Einteilung basiert auf der Überlegung, dass Produktkategorien aufgrund verschiedener Charakteristika ein unterschiedlich hohes Interesse entgegengebracht werden. Diese können bspw. den Preis, die Kauffrequenz, das wahrgenommene Kauf- und Nutzungsrisiko bzw. die soziale Auffälligkeit betreffen (vgl. Kroeber-Riel, Esch, 2015, S. 218). Während Limited Editions im High-Involvement-Bereich bereits eine langjährige Tradition besitzen, fand die zunehmende Verbreitung im Low-Involvement-Bereich erst vor einigen Jahren statt. Außergewöhnliche, zeitlich begrenzte Varianten verhelfen Marken, wie z.B. Bifi, Mars oder Knorr, den Konsumentenbedürfnissen nach Abwechslung und neuen sensorischen Erlebnissen gerecht zu werden (vgl. Winter, 2009, S. 20 f.). Häufig sind Limited Editions zudem an bestimmte Ereignisse geknüpft, die saisonaler Art sein können und in einem jährlichen Turnus z.B. an Weihnachten, Ostern, Halloween stattfinden oder einmalige Ereignisse z.B. bei einem Marken-Jubiläum (vgl. Winter, 2009, S. 21). Das Einfließen des Ereignisses in die Produktgestaltung durch ereignisbezogene Sorten und Formen zielt darauf ab, die mit dem Ereignis verbundene Emotionalität und Aktualität zu wecken. Dagegen beziehen sich Limited Editions ohne Ereignisbezug auf Produktvarianten, die durch außergewöhnliche Merkmalsausprägungen aus dem Stammsortiment hervorstechen (vgl. Winter, 2009, S. 21). Bei der Einführung von Limited Editions können sowohl Chancen entstehen als auch Risiken auftreten:

Tabelle 3: Chancen und Risiken von Limited Editions (Eigene Darstellung))

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Insgesamt befindet sich die Forschung zu Limited Editions erst am Anfang. Nur wenige Wirkungszusammenhänge wurden bisher hinreichend untersucht. Im Vordergrund standen die folgenden Aspekte: Identifikation von Entscheidungsparametern zur Einführung von Produkten als Limited Edition, Wirkung auf erhöhte Wertschätzung, Einstellung gegenüber dem Produkt, Wünschbarkeit, Kaufabsichten und die Wirkung von Limited Editions auf das Produktportfolio:

Tabelle 4: Studien zu Wirkungen von Limited Editions (In Anlehnung an Pick, 2013, S. 200)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3 Erklärungsansätze für die Wirkung von Knappheit

2.3.1 Reaktanz-Theorie

Oftmals verfügt das Prinzip der Knappheit über eine starke Einflussnahme auf das individuelle Handeln. Deutlich zeigt sich das, wenn z.B. Personen gezielt überzeugt werden sollen. Zum einen manifestiert sich ein praktischer Nutzen, indem Personen durch die Einschränkung einer Handlungsoption schneller und treffsicherer zu einer Entscheidung geführt werden können (vgl. Cialdini, 2017, S. 322). Demgegenüber steht allerdings ein entgegengesetzt ausgelöstes Verhalten, das sich darin äußert, dass Individuen dazu tendieren, sich ihre Wahlmöglichkeiten zu bewahren (vgl. Cialdini, 2017, S. 322).Im Kontext einer wahrgenommenen Knappheit stellt sich hierbei die Frage, in welche unterschiedliche Richtungen und Ausmaße sie auf Denkmuster und das individuelle Verhalten wirkt.

Ein Erklärungsansatz, der nicht nur in der sozialpsychologischen Forschung vielfach zitiert wird, sondern auch in der Marketingforschung in Bezug auf Konsumentenverhalten Bedeutung findet, ist die Reaktanz-Theorie. Sie stammt ursprünglich aus sozialpsychologischen Theorien und stellt einen grundlegenden Ansatz in Bezug auf Arbeiten zur Knappheitswirkung dar (vgl. Pick, Kenning, 2012, S. 47; Huber et al., 2012, S. 29; vgl. Pick, 2013, S. 187). Allgemein beschreibt die Theorie der psychologischen Reaktanz, wie Personen auf eine wahrgenommene Einschränkung ihrer Freiheitsspielräume reagieren (vgl. Raab et al., 2016, S. 73). Psychologische Reaktanz entsteht unter der Voraussetzung, dass (1) Personen die Vorstellung besitzen, über einen Freiheitsspielraum zu verfügen, (2) diesen Freiheitsspielraum für gewissermaßen wichtig halten und (3) eine Bedrohung oder Eliminierung dieses Freiheitsspielraumes wahrnehmen (vgl. Raab et al., 2016, S. 73). Ein Freiheitsspielraum bezieht sich dabei nicht nur auf die Freiheit, die eine Person tatsächlich besitzt, sondern auch zusätzlich auf den Freiheitsspielraum, von dem die Person glaubt, ihn zu besitzen (vgl. Raab et al., 2016, S. 73). Eine Freiheits-Bedrohung liegt dann vor, wenn durch ein Ereignis das Verhalten in eine bestimmte Richtung für die Person schwieriger oder sogar unmöglich gemacht wird (vgl. Dillard, Shen, 2005, S. 145; Dickenberger, 2006, S. 97). Zu den Möglichkeiten der Freiheitseinengung zählen z.B. der soziale Einfluss, umweltbedingte Gegebenheiten und das eigene Verhalten (vgl. Raab et al., 2016, S. 74). Infolgedessen entsteht ein Gefühl der Anspannung. An dieser Stelle setzt nun der Kerngedanke der Reaktanz-Theorie an: Personen werden durch die wahrgenommene Einschränkung dazu bewegt diese Bedrohungen bzw. Einschränkungen aufzulösen, um die ursprünglich empfundenen Freiheitsspielräume wiederherzustellen (vgl. Raab et al., 2016, S. 75; vgl. Cialdini, 2017, S. 322). Die Wiederherstellung der Freiheitsspielräume kann dabei auf verschiedene Weise erfolgen (vgl. Brehm, Brehm, 1981, S. 98 ff.):

- Direkte Wiederherstellung der Freiheit durch entsprechendes Verhalten
- Indirekte Wiederherstellung der Freiheit
- Attraktivitätsveränderung, Meinungsänderung
- Versuch, die erfolgte Freiheitseinengung zu leugnen, sich selbst nicht einzugestehen
- Ausweichen auf andere Freiheitsspielräume, bzw. Erhalt derselben

[...]

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Die Kunst der Verknappung. Vermarktungsstrategien von limitierten Konsumgütern in digitalen Medien
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
83
Katalognummer
V1128215
ISBN (eBook)
9783346491817
ISBN (Buch)
9783346491824
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marketing, Online Marketing, Social Media Marketing, künstliche Verknappung, Hype, limitierte Angebote, limited edition, Knappheitsbotschaften, digitale Vermarktungsstrategie
Arbeit zitieren
Nam Ho (Autor:in), 2019, Die Kunst der Verknappung. Vermarktungsstrategien von limitierten Konsumgütern in digitalen Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1128215

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